Ball und Buchstabe
Platzhirsche in der Kritik, Südasien ignoriert die WM
| Sonntag, 20. Juni 2010Die Presse nimmt die Berichterstattung von ARD/ZDF und RTL genauer unter die Lupe, ein Asiate erklärt das Desinteresse seiner Heimat an der WM
Gerrit Bartels (Tagesspiegel) fühlt sich bei den Öffentlich-Rechtlichen zurückversetzt in alte Zeiten: „Wie oft haben wir bisher 90 Minuten Langweiler-Fußball gesehen, und wie angenehm dehnte sich dabei die Zeit! Gedanken schweifen lassen, die Leere eine Leere sein lassen, sich der Kontemplation hingeben. Komplizierter wird es, wenn sich zu der Zeitdehnung eine Zeitverwirbelung gesellt und die Zeit rückwärts läuft. So wie bei den Spielen der Griechen mit ihrem Steinzeitfußball. Wenn dann noch ein Wolf-Dieter Poschmann kommentiert und ein Rolf Töpperwien ein Interview mit Otto Rehagel führt, ist es endgültig um die Gegenwart geschehen. Plötzlich werden wieder `Konter gefahren`, landen die Pässe wieder in der `Gasse`, gibt es wieder `Glanzparaden`. Und Rehagel ist wieder `Trainerfuchs`. Zeitdieb, was willst du mehr?“
Etwas mehr Lockerheit, bitte
Dieter Hoß (stern.de) entdeckt beim Privatsender RTL eine ganz eigene Art zu senden: „Vermutlich geht es den Kölnern gar nicht so sehr um die Sache selbst als vielmehr um den Event. Eine WM ist nicht nur Sport, sondern natürlich auch Erlebnis. Die Fan-Kultur lebt zudem immer stärker auf, längst ist der Fußball auch abseits der Stadien Anlass für Gemeinschaft und Party. Während des Sommermärchens 2006 haben wir das alle hautnah miterlebt. Und genau hier ist RTL in seinem Element. Ein wenig Lockerheit in ähnlichem Stil möchte man den Gebührensendern schon wünschen. So staatstragend wie ARD und ZDF die WM manchmal anbieten, ist der Fußball dann doch nicht. Ein bisschen mehr Event, ein bisschen mehr Freude, ein bisschen mehr Fan-Fest dürfte es schon sein. RTL macht den großen Sendern bei der WM selbstverständlich keineswegs etwas vor, zeigt aber andere Wege auf. Ein kleiner Kick für die als Platzhirsche auftretenden Öffentlich-Rechtlichen.“
Zu schwach und zu klein
In Südasien herrscht alles, nur keine WM-Begeisterung. Haznain Kazim (Spiegel Online) kennt den Grund: „Machen wir uns nichts vor: In den kommenden hundert Jahren wird kein südasiatisches Land an der Fußballweltmeisterschaft teilnehmen. Indien nicht, Pakistan nicht und Bangladesch auch nicht. Von Sri Lanka, Nepal, den Seychellen und den Malediven mal ganz zu schweigen. Wir Südasiaten sind, gestehen wir das ruhig ein, einfach nicht für diesen Sport geeignet. Uns fehlt diese gelenkige Leichtigkeit der Afrikaner, die tänzerische Eleganz der Südamerikaner, die schamlose Dreistigkeit der Italiener, die gepanzerte Bulligkeit der Deutschen. Wir sind zu schwach und zu klein. Leute wie uns wählt man als Letzte in die Schulmannschaft, und dort gelten wir als Ballast, weil wir unnütz auf dem Spielfeld herumlaufen und so tun, als würden wir etwas Sinnvolles zum Geschehen beitragen. Es sei verwunderlich, sagen manche Leute, dass die Südasiaten so schlecht Fußball spielten. Dabei kämen doch die meisten handgenähten Fußbälle aus Pakistan. Ich teile diese Verwunderung nicht. Die besten Klavierbauer sind ja auch nicht die exzellentesten Pianisten. Seien wir also ruhig selbstbewusst: Wir können alles außer Fußball! Und Hockey und Polo sind eh viel interessanter. Ein paar pakistanische Zeitungen brachten am Tag des WM-Beginns Bilder von dem Eröffnungskonzert in Soweto. Aber das war’s dann auch schon an Berichterstattung. Die Sonderbeilagen widmen sich einem ganz anderen Ereignis: dem Asia Cup, der am 15. Juni in Sri Lanka begann. Da trifft, was für ein Mega-Ereignis!, Pakistan auf Indien. Es geht um Kricket, natürlich.“
Kommentare
1 Kommentar zu “Platzhirsche in der Kritik, Südasien ignoriert die WM”
Sonntag, 20. Juni 2010 um 13:18
Huch!
Die Fussball-WM interessiert nicht die ganze Welt???
Schrecklich!
Warum läuft eigentlich auf SKY nicht die Kricket-WM? Wir sind kulturlose Ignoranten!