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Orangensaft und Trillerpfeifen

Kai Butterweck | Donnerstag, 24. Juni 2010 Kommentare deaktiviert für Orangensaft und Trillerpfeifen

Die aktuelle deutsche Nationalelf ist die jüngste seit 1934. Ein Blick zurück auf die erste WM in Italien

Anlässlich der Verjüngungskur der deutschen Mannschaft erinnert Alex Raack (11 Freunde) an das Team von Otto Nerz, in dem sich noch mehr Jungspunde tummelten: „Das faschistische Italien lud 1934 zur zweiten Fußball-Weltmeisterschaft, »Duce« Mussolini hatte es schließlich so gewollt und wer wollte in den dreißiger Jahren schon einem europäischen Diktator widersprechen? Klar, dass auch die Freunde aus dem deutschen Nazi-Reich mit auf der Teilnehmerliste stehen mussten. Otto Nerz. Ein strenger Fußball-Lehrer von der Schwäbischen Alp, stets bewaffnet mit Trillerpfeife und doch etwas merkwürdigen Ratschlägen für seine Mannschaft. Um sich an die Hitze in Italien zu gewöhnen, verordnete Nerz im Trainingslager am Comer See ein Glas Orangensaft – pro Mann und Tag.“ Der Trainer sei immer gut gewesen für das Anzetteln interner Reibereien. „Auch wenn der 5:2-Erfolg im Achtelfinale als schmeichelhaft abgetan wurde, der Start war geglückt. Zuchtmeister Nerz hatte im Anschluss trotzdem schwer zu meckern. Den Anschiss vom Chef kassierte Bayern-Mann Sigi Haringer, der es doch tatsächlich gewagt hatte, nach dem Spiel auf dem Bahnsteig in Rom eine Apfelsine zu verspeisen. Haringer, der seinen Trainer schon zuvor kirre gemacht hatte (zu spät zur Abfahrt des Mannschaftsbusses gekommen, das ein oder andere Pils geleert), stand fortan auf der schwarzen Liste des Übungsleiters.“ Für einige Spieler half irgendwann nur noch die Flucht: „Ein knappes 2:1 im Mailänder `Stade Mussolini` reichte zum überraschenden Einzug ins Halbfinale. Das musste Nerz dann allerdings ohne den Frankfurter Rudi Gramlich planen. Der spätere Eintracht-Präsident folgte einem Hilferuf seines jüdischen Arbeitgebers. `Sofort heimkommen! Brauche sie dringend geschäftlich!`, telegrafierte Gramlichs Chef nach Italien. Der gehorchte sofort und machte sich vom Acker. Wie auch Sigi Haringer, das schwarze Schaaf. Nach dem Halbfinale (das Deutschland gegen den klaren Favoriten aus der Tschechoslowakei mit 1:3 verlor) verschwand Haringer vorzeitig in die Heimat. Später schrieben die Zeitungen, der Apfelsinenstreit sei Schuld an der verfrühten Rückkehr gewesen. Stimmte aber nicht. Haringer, genervt von der Niederlage und geschwächt von Fieberschüben, überhörte ganz einfach den Befehl seines Trainers, der eine gemeinsame Rückfahrt nach Deutschland angeleiert hatte.“

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