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Ball und Buchstabe

Ein cooler Hund

Jan-Kristian Jessen | Samstag, 26. Juni 2010 Kommentare deaktiviert für Ein cooler Hund

Manuel Neuer sehnt sich nach dem Titel, David James will das verhindern und Christian Eichler von der FAZ macht eine Zeitreise zurück ins 19. Jahrhundert

Am Tag vor dem Spiel gegen die „Three Lions“ beschäftigen sich die deutschen Medien mit Nationalkeeper Manuel Neuer. Christian Gödecke (Spiegel Online) erinnert sich an die U21-Europameisterschaft in Schweden 2009: „Manuel Neuer weiß, wie man England schlagen kann. 1:1 und 4:0 endeten die vergangenen beiden Aufeinandertreffen der ewigen Rivalen mit der Beteiligung des Torhüters, gerade letzteres Ergebnis hat sich tief ins Gedächtnis des Gegners eingebrannt. Es war das Finale.“

In Südafrika wäre es beinahe gar nicht zum Duell gegen England gekommen: „Neuer drohte gegen Ghana mit der deutschen Mannschaft das Turnieraus – ohne dabei auch nur eine einzige Parade gezeigt zu haben. Im dritten Spiel dann stand in der 51. Minute Kwadwo Asamoah vor Neuer, der Ghanaer zielte mit dem linken Fuß in die rechte Ecke, es wäre das 1:0 gewesen. Bei allem, was man vom DFB-Team an diesem Abend gesehen hatte, wäre das wohl zu viel gewesen für das Nervenkostüm, das Gegentor, das sie unbedingt vermeiden wollten. (…) Doch Asamoah traf nicht, weil Neuer blitzschnell seine linke Hand ausstreckte und den Ball zur Ecke klärte.“ Grund genug für den 24-Jährigen, mit breiter Brust gegen das Team von der Insel anzutreten: „Seinen rasanten Aufstieg zum ersten Tormann der Republik nimmt er verblüffend gelassen hin: ‚Bodo Illgner wurde mit 23 Jahren Weltmeister. Vielleicht klappt es für mich mit 24 Jahren’, sagt Neuer.“

Auch einem möglichen Elfmeterschießen blickt er optimistisch entgegen, wie Martina Philipp von der Badischen Zeitung beobachtet hat: „In Anbetracht der Schießgewohnheiten der Engländer, die er nicht auswendig lernen muss, meinte Neuer lächelnd: ‚Ich muss aufpassen und das Memory-Spiel mitmachen.’ Böse Menschen wissen eh schon, was auf dem Merkzettel stehen wird: ‚Gerrard schießt links vorbei, Lampard rechts vorbei, Rooney versteckt sich und Beckham sitzt im Anzug auf der Bank – sonst würde er sich wohl auch verstecken.’

„England ist besser als Deutschland“

Deutschlands Gegner sieht dies erwartungsgemäß etwas anders, schreibt Dominic Fifield (Guardian): „Torwart David James interessieren weniger die Niederlagen 1990 und 1996, sondern viel mehr der 2:1-Sieg im letzten Aufeinandertreffen 2008: ‚Ich bin mir sicher, dass Elfmeter kein Thema sein werden’, sagt James. ‚Warum? Weil ich denke, dass wir besser sind als Deutschland. Schon in Berlin im letzten Testspiel hätten wir deutlicher gewinnen können. Wir haben keine Angst und machen die Briten glücklich, in dem wir sie schlagen!’“

Dass James dann doch nicht ganz so cool ist, hat Christian Löer von der FR festgestellt: „Er hat sich vorgenommen, gerüstet zu sein für einen neuen Showdown gegen Deutschland. Bei Englands EM-Viertelfinal-Niederlage 2004 gegen Portugal parierte er keinen einzigen der sieben portugiesischen Versuche. ‚Damals hatte ich keine Informationen über die Schützen. Doch diesmal haben wir unsere Hausaufgaben gemacht.’ Bis zur Partie morgen will James die Vorlieben aller deutschen Schützen auswendig gelernt haben.“

Unumstritten ist James in seinem Heimatland – wie sollte es bei einem englischen Torhüter auch anders sein – nicht: „David James hat sich durch regelmäßige Patzer einen Ruf als Fliegenfänger und auf der Insel den Titel ‚Calamity James’ erarbeitet, angelehnt an ‚Calamity Jane’, das englische Pendant zur deutschen ‚Pechmarie’. Den Platz zwischen Englands Pfosten hat er nur bekommen, weil Robert Green im Auftaktspiel gegen die USA mit einem schlimmen Fehler einen Gegentreffer verschuldete.“

Vorbildliche Rivalen

Christian Eichler (FAZ) hat in der Vergangenheit gekramt und sich mit der pikanten Historie deutsch-englischer Duelle beschäftigt: „Heute reisen Politiker wie der deutsche Innenminister 10.000 Kilometer, um ein Spiel Deutschland gegen England zu sehen. Das ist ein Fortschritt gegenüber den Anfängen vor 111 Jahren. Damals versuchten hohe Politiker, die gleiche Partie zu verhindern. Auch da ging es schon um Südafrika. Reichskanzler Fürst von Hohenlohe befürchtete, dass die Engländer bei der Partie in Berlin „insultiert“ würden. Großbritannien stand in Südafrika im „Burenkrieg“ und galt als Rivale Deutschlands im Kampf um die Vormacht in Europa. Das ist heute nicht anders. Wieder geht es in Südafrika auch um die Vormacht in Europa. Allerdings nur um die am Ball.“ Als offizielles Länderspiel wurde das Spiel – Deutschland unterlag knapp mit 2:13 – nicht, da der DFB erst zwei Monate später gegründet wurde.

Seitdem habe der deutsche Fußball sich kontinuierlich gesteigert, anders als der englische: „1970 begann ihr Deutschland-Trauma. Das war in der „Hitzeschlacht von León“, dem WM-Viertelfinale in Mexiko 1970, als England 2:0 führte, aber Beckenbauer per Solo, Seeler mit einem legendären Hinterkopf-Tor und Müller in der Verlängerung das Spiel drehten. Es war der Tag, an dem England seinen einzigen Weltmeistertitel verlor. In den vierzig Jahren seither haben sie nichts mehr gewonnen – die Deutschen holten zwei WM- und drei EM-Titel.“

Dass Fußball ein friedliches Spiel sein solle, haben Deutsche und Briten schon zum dafür ungünstigsten Zeitpunkt bewiesen: „An Weihnachten 1914, mitten im Ersten Weltkrieg, kam es an der Westfront zu einer Verbrüderung feindlicher Soldaten am Ball. Rekruten des Royal Welsh Fusilier Regiment und einer bayerischen Truppenabteilung trafen sich spontan im Niemandsland zwischen den Schützengräben zum gemeinsamen Fußballspiel. Es war ein kleiner Frieden, dreißig Minuten lang. Und zugleich ein großes Signal: Wer auf ein Tor schießt, schießt nicht auf Menschen.“

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