Ball und Buchstabe
Was hat das mit den Nazis zu tun?
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| Montag, 28. Juni 2010Der Fußball als Integrationsmaschine beschäftigt die Presse heute genauso wie der Feldzug von Autonomen, die in Berlin Deutschland-Fahnen zerstören
Was das neue Staatsbürgerrecht mit dem Erfolg der deutschen Nationalmannschaft zu tun hat, erklärt Stefan Osterhaus (Neue Zürcher Zeitung) und erinnert an eine „bemerkenswerte Szene“ im Wahlkampf 1998. Manfred Kanther, der CDU-Innenminister, und Otto Schily, der bald darauf für die SPD das Amt übernehmen sollte, standen sich im TV-Duell gegenüber. „Schily warb für eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, die die Einbürgerung erleichtern sollte. Er beschied Kanther: ‚Wenn Sie das tun, dann können wir auch wieder Fussballweltmeister werden.’“ So wie Frankreich „mit einer multiethnischen Equipe um Zinedine Zidane“ wenige Monate zuvor. 2010 sind 11 von 23 deutschen Nationalspielern sogenannte Secondos. Ob der Fussball die Integration tatsächlich erleichtert? Die zwiespältige Antwort lässt Osterhaus den Soziologe Gerd Dembowski geben: „Fussball ist die Integrations-Maschine, das impliziert so ein bisschen, wir werfen da einen Ball rein, und alles ist gut. Aber so ist es nicht, weil jeder Mensch eine andere Geschichte mit an den Ball bringt.“
„Ist das nicht eine verkehrte Welt?“, fragt der 50-jährige Libanese vor seinem Falafel-Restaurant an der Sonnenallee, den Tagesspiegel-Autor Christoph Stollowski trifft. „Deutsche Autonome zerstören Türken und Arabern die schwarz-rot-goldenen WM-Fahnen.“ Stollowski berichtet, die linksradikale Szene habe offenbar einen Feldzug gegen die WM-Fahnen gestartet – und sei besonders in jenen Berliner Kiezen von Neukölln und Kreuzberg aktiv, in denen viele Menschen mit ausländischen Wurzeln leben. Besonders zugespitzt habe sich der Streit um die WM-Fahnen vor einem Elektrogeschäft: „Dort haben Ibrahim Bassal und seine Freunde vor dem Spiel der deutschen Nationalelf gegen Ghana eine riesige schwarz-rot-goldene Fahne entrollt. Sie reicht vom fünften Stock fast bis zum Parterre hinab. Kaum geschehen, seien junge Leute aggressiv in seinen Laden gekommen und hätten ihm vorgeworfen, er fördere den Nationalismus und wecke wieder Nazigefühle in den Deutschen, erzählt Bassal und kontert: ‚Wir leben und arbeiten seit Jahrzehnten in Berlin, unsere Kinder sind hier geboren. Wo ist das Problem? Ist doch klar, dass wir zu Deutschland halten. Was hat das mit den Nazis zu tun?’“