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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

WM 2010

Pepe Reinas guter Rat, Afrikas Sorgen und der Abschied Maradonas

Marc Vits | Montag, 5. Juli 2010 2 Kommentare

Spanien setzt sich gegen Paraguay durch, einem Tipp des Ersatztorwarts sei Dank; bei Afrikas Mannschaften müssen Umstrukturierungen erfolgen und Diego verlässt die große Bühne

Die spanische Auswahl biss sich an der Defensive Paraguays fast die Zähne aus, wie Roland Zorn (FAZ) zu berichten weiß: „Die iberischen Pass- und Kombinations-Großmeister fanden am Samstag nie den Dreh heraus, sich vom zähen Gegendruck der taktisch klug eingestellten und mit viel Passion um die eigene Underdog-Chance kämpfenden Paraguayer zu befreien.“ So dürfe ruhig spekuliert werden, was passiert wäre, wenn Cardozo seine Strafstoß nach knapp einer Stunde verwandelt hätte: „Spanien im Rückstand in dieser intensiven, stressbeladenen und nie gelöst geführten Partie im Johannesburger Ellis-Park-Stadion: Das hätte vor über 55 000 Zuschauern böse enden können für den Europameister, der während dieser WM schon einmal einem 0:1 – gegen die Schweizer – vergeblich hinterhergerannt war.“ Zum Glück für den Europameister habe ihr Ersatztorwart Pepe Reina Tipps für Iker Casillas parat gehabt. Reina habe „in der vergangenen Saison schlechte Erfahrungen mit Cardozos Elfmetern gemacht, als er im Europa-League-Spiel gegen Benfica Lissabon (1:2) gleich zweimal auf diese Weise vom paraguayischen Stürmer überlistet wurde.“ An die Vorlieben des Schützen könne er sich deshalb noch gut erinnern. Der Lohn für den mühsamen Sieg: „Am Mittwoch kommt es in Durban zur Neuauflage des EM-Finales 2008 zwischen Europameister Spanien und den WM-Überfliegern aus Deutschland. Ein Halbfinale, das Fernando Torres, der vor zwei Jahren das Tor zum 1:0-Erfolg für die Spanier schoss, ‚wie ein Endspiel‘ vorkommt.“

Spanische Zärtlichkeiten

Auch Javier Caceres (SZ) nennt den Ratschlag Pepe Reinas als wichtigen Punkt zum Sieg der Spanier. Nach dem Abpfiff haben sich zwischen den beiden Torhüter dann auch beinahe romantische Szenen abgespielt: „Und wer wollte, konnte sich die Vuvuzelas weg- und zarte Schalmeienklänge dazudenken, als Reservetorwart Pepe Reina, ein Baum von Kerl, wie man so sagt, auf den Real-Madrid-Keeper zuraste und ihn fast zerdrückte voller Zärtlichkeit. Casillas hatte die mächtigen Arme des Kollegen gesucht und gefunden, und dann standen sie da, einander herzend, noch viel inniger und schmachtender, als es Diego Armando Maradona bei seinen Männern tat, bis er weinend ausschied. Würde man die romantische Begegnung in Öl malen, so könnte man das Bild gut ‚Gracias, tío’, nennen, Danke, Alter. Oder: ‚Wie recht Du doch hattest.’“ Vicente del Bosque, der Trainer der Spanier, nannte bezeichnenderweise Casillas und dessen Paraden als Rettung vor der Niederlage. Mit den Leistungen seiner restlichen Spieler sei der Coach alles andere als zufrieden gewesen, doch habe auch „der ungemein zähe Gegner Paraguay – dem in der ersten Halbzeit ein Tor des Dortmunders Nelson Haedo Valdéz aberkannt worden war – die erwartet harte, zähe Herausforderung geboten.“ Bei einem Blick auf das anstehende Halbfinale vermengten sich die Gefühle der Iberer: „Einerseits identifizieren sich die Spanier mit dem deutschen Fußball so sehr wie nie zuvor. Das Spiel wird fast schon wie eine germanische Version der eigenen Spielphilosophie empfunden – weil es auf Ballbesitz und der sorgsamen Suche nach Optionen beruht. Andererseits haben die Siege gegen England und Argentinien für enorm viel Respekt gesorgt.“

Ein bewährtes Muster

Auf Zonalmarking.net werden im Spiel der Spanier schon altbekannte Züge entdeckt: „Gute Ballbehauptung in einem bis zur Auswechslung von Fernando Torres mühsamen Spiel, am Ende rettete David Villa mit seinem Tor den Tag. Das könnte auch die Beschreibung der Achtelfinalbegegnung gegen Portugal sein.“ Die taktische Ausrichtung Paraguays habe wesentlichen Anteil an der schwachen Vorstellung der Spanier gehabt: „Im Gegensatz zu den meisten anderen Gegnern der Spanier, die im Mittelfeld meist sehr tief stehen, um die Kreise von Xavi und Iniesta zu stören, bot Paraguay ihnen weite Räume und versuchte stattdessen, Pässe auf die  beiden Spieler zu unterbinden.“ Das Hauptproblem der Iberer sei dennoch Fernando Torres gewesen, dem „es sowohl an Fitness, als auch an Selbstvertrauen mangelt.“ Erst mit der Einwechslung von Barcelonas Pedro eine Viertelstunde vor Schluss habe sich die Taktik der Spanier geändert: „Er machte das Spiel in der Offensive breit, indem er einen der Außenverteidiger auf sich zog und schuf so Lücken in der Abwehr Paraguays.“ Nachdem der Europameister das erste Tor erzielte, habe das Ergebnis dann auch schon beinahe festgestanden: „Im bisherigen Verlauf des Turniers war man sich nie ganz sicher, ob Spanien in Führung gehen würde, doch wenn das der Fall war, konnte man davon ausgehen, dass sie das Spiel nicht mehr verlieren würden. Dieses Muster war in den Spielen gegen Honduras, Chile, Portugal und jetzt auch Paraguay klar zu erkennen.“

Der Weg aus der Krise?

Nachdem auch die letzte afrikanische Mannschaft bei dieser WM ausgeschieden ist, macht sich S‘Busiso Mseleku von der südafrikanischen City Press Sorgen um die Zukunft des Fußballs auf dem schwarzen Kontinent: „Afrikas Misserfolg weckt die Befürchtung, dass einer der fünf Startplätze bei den Weltmeisterschaften demnächst wegfällt. Fifa-Präsident Sepp Blatter zögert seine Antwort wie gewöhnlich heraus und verweist darauf, dass das Thema vom neuen Organisationskomitee Ende des Jahres behandelt wird.“ Einmal mehr habe sich auch der vielleicht beste Fußballer aller Zeiten getäuscht: „Seine Voraussage, dass eine Mannschaft aus Afrika die Weltmeisterschaft vor dem Jahre 2000 gewinnen werde, verfolgt Pele auch noch eine Dekade nach der Jahrtausendwende.“ Bei der Suche nach Lösungen für das afrikanische Dilemma müsse man endlich aufhören zu beten und zu träumen, so der Chef des WM-Organisationskomitees, Danny Jordaan. Für die nächste Weltmeisterschaft in Brasilien werde man jetzt einen klaren Schnitt machen und sich an den Viertelfinalisten dieser WM orientieren: „Jordaan erklärte, dass alle Teams, die in die Runde der letzten Acht vordrangen, also auch Ghana, bereits Jahre zuvor gute Ergebnisse mit ihren Jugendmannschaften erzielt hätten und meistens von Trainern der selben Nationalität betreut würden. Das Zusammenspiel zwischen gut ausgebildeten Trainern und bestens angeleiteten Nachwuchsspielern seien die Antwort auf die Probleme des afrikanischen Fußballs.“

Das Viertelfinal-Aus Ghanas beschäftigt auch Christian Zaschke (SZ). Das komplette Team wurde am Tag nach der Niederlage von Nelson Mandela empfangen. „Das zeigt, welche Bedeutung Ghana erlangt hatte. Nachdem die anderen fünf afrikanischen Teams in der Vorrunde gescheitert waren, wurden alle Erwartungen und Hoffnungen auf die ghanaische Auswahl projiziert, und es ist bemerkenswert, wie gut die Mannschaft damit umgegangen ist.“ Vor allem das Zustandekommen der Niederlage sei dabei für Ghana, aber auch für ganz Afrika besonders bitter: „Das letzte afrikanische Team im Wettbewerb war adoptiert worden vom ganzen Kontinent, um so größer wog die Enttäuschung darüber, dass der Weg Ghanas im Viertelfinale sein Ende gefunden hatte. Auf diese Weise. Nachdem Luis Suárez sich die neue ‚Hand Gottes‘ bescheinigt hatte, dauerte es nicht lange, bis ihm afrikanische Zeitungen die ‚Hand des Teufels‘ attestierten.“ Nur wenig habe zum Weiterkommen gefehlt, nur „ein Schuss lag zwischen Ruhm und Verzweiflung; es wurde die Verzweiflung, weil Gyan die Latte traf und die Uruguayer sich im abschließenden Elfmeterschießen als abgebrühter erwiesen; so abgebrüht wie zuvor Suárez.“ Doch „für die Spieler geht das Leben weiter, sie sind hochbezahlte Profis, die sich für eine bittere Niederlage trösten können, indem sie zum Shoppen gehen.“ Die Fans allerdings blieben mit dem Gefühl zurück, „bei der ersten WM auf ihrem Kontinent wieder einmal betrogen worden zu sein.“ Die junge Mannschaft Ghanas könne aus dem Spiel gegen Uruguay aber auch positives mitnehmen, „sie ist nun um eine besondere Erfahrung reicher, denn sie hat die sicherlich zynischste Niederlage des Turniers erlitten.“

Gott hat die WM verlasssen

Doris Akrap (taz) stimmt einen Lobgesang auf Diego Armando Maradona an: „Diese WM hatte nur einen glamourösen Superstar, und das war, nach dem Ende des Heldenfußballs, kein Spieler, sondern ein Trainer. Mit dem Ausscheiden Argentiniens verliert das Turnier die absolute Leidenschaft, das beste Entertainment, die große Show, ja das Gesicht.“ Die ehemalige Nummer 10 der Gauchos habe immer nur eines gewollt, nämlich Fußball spielen. Der Gegner sei ihm dabei egal, den er sei immer von der Stärke seines Teams überzeugt gewesen. „Und trotzdem ist Diego Maradona eben nicht die Diva à la José Mourinho, der sich, egal ob er Chelsea, Inter oder Real trainiert, für den eigentlichen Star auf dem Platz hält. Maradona ist der Lieblingsonkel, der noch eine Extraportion Schlagsahne auf die Torte gibt, er ist der Familienvater, der keinen seiner Söhne jemals verstoßen würde, er ist der zwölfte Spieler auf dem Platz, der mit allen anderen elf leidet und mit allen anderen elf jubelt.“ Vor allem seine nicht vorhandene Ernsthaftigkeit hebe Maradona von seinen Trainerkollegen ab: „Denn Ernst ist der Spitzname von Langeweile. Und wenn es etwas gibt, was es mit Diego Armando nie gibt, dann ist es Langeweile.“ Das sei auch der Grund für seine schlechte Reputation bei der Fußball-Experten dieser Welt: „Nur weil er nicht die immer gleichen Standards eines jeden Trainers von sich gab, galt er den Profi- und Hobbykommentatoren nichts.“ Aber Maradona sei das genaue Gegenteil von Nichts: „Er ist alles, er ist Gott. Und wahre Götter scheitern ohne Ehrentreffer.“

Kommentare

2 Kommentare zu “Pepe Reinas guter Rat, Afrikas Sorgen und der Abschied Maradonas”

  1. Linkschau II: Koks, Klose, Kalauer | Reeses Sportkultur
    Montag, 5. Juli 2010 um 15:32

    […] die Presseschauen von heute  zum deutschen Team und zur WM allgemein sei hier […]

  2. Ralf Möbius
    Dienstag, 6. Juli 2010 um 06:38

    „Luis Suárez, dem Uruguayer ein Held, dem Nörgler ein Sündenbock – vom dummen Schrei nach Gerechtigkeit im Fussball“

    http://fachanwalt-fuer-it-recht.blogspot.com/2010/07/luis-suarez-dem-uruguayer-ein-held-dem.html

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