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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Am Grünen Tisch

Die Dummen sterben niemals aus

Marc Vits | Freitag, 9. Juli 2010 Kommentare deaktiviert für Die Dummen sterben niemals aus

Die Presse schreibt über Neonazis, die versuchen, die Fanfeste für ihre Zwecke zu nutzen und über die dunkle Vergangenheit der Fifa in Südafrika; Homosexualität ist in vielen Teilen Südafrikas nicht akzeptiert, ein Bericht aus Soweto

Auf den deutschen Fan-Meilen wird gefeiert, gejubelt und auch getrauert. Zumeist läuft des alles friedlich und ohne große Zwischenfälle ab. Doch der Eindruck täusche, wie Olaf Sundermeyer (Zeit Online) schreibt: „Denn im Schatten des sanften Fußballpatriotismus der Massen tummeln sich auch etliche Neonazis.“ Diese könnten in der Anonymität der breiten Masse untertauchen und vielerorts ihre Symbole frei zur Schau stellen. Über das Siegtor gegen Ghana von Mesut Özil „freuen sich auch die Gäste in einem Lokal im niedersächsischen Haste, wo eine Reichskriegsfahne – das Ersatzsymbol der verbotenen Hakenkreuzfahne – zur selbstverständlichen Dekoration beim Public Viewing gehört.“ Die Neonazis bedienten sich der Euphorie, die in den vergangenen Wochen von einer multiethnischen Nationalmannschaft ausgelöst wurde: „Das passiert mittels juristisch unbedenklicher Symbolik, wie sie die NPD über ihr ‚nationales Warenhaus‘ vertreibt: Mit kleinen schwarz-weiß-roten Autofähnchen für fünf Euro das Stück, wie man sie derzeit beispielsweise im Berliner Osten gelegentlich an den Autos sieht.“ Oft würden die Neonazis gar nicht als solche erkannt oder, falls doch, geduldet werden. So wurde bei einem Frankfurter Fanfest „ein Mann von der Polizei festgenommen, weil er sich ein Hakenkreuz auf den Körper gemalt hatte. Niemand hatte sich zuvor an der eigenwilligen Körperbemalung gestoßen. Auch nicht an dem Hitlergruß, den eine Gruppe einschlägig bekannter jugendlicher Neonazis beim Public Viewing zum Viertelfinalspiel Deutschland-Argentinien in der Frankfurter Commerzbank-Arena vorführte.“ Ein weiteres Problem für die Polizei und die Sicherheitsdienst seien „aber vor allem jene Rechtsextremisten, die nicht gleich als solche erkennbar sind und die anonyme Masse für ihre Agitation nutzen. Die meisten sind milchgesichtig und stehen vielleicht mit einer schwarzen Baseballkappe irgendwo auf einer Fanmeile in Deutschland. Und wenn sie sich unbeobachtet fühlen, dann recken sie die Hand zum Hitlergruß.“

Keine Worte des Bedauerns

Die Tolerierung der Apartheidspolitik in Südafrika durch die Fifa stelle eines der dunkelsten Kapitel der Fußballgeschichte dar, so Ronny Blaschke (SZ). 1956 ging die Rassentrennung per Gesetz auch auf den Sport über: „Weiße Verbände wie die Football Association of South Africa lehnten nicht-weiße Mitglieder ab. Die Fasa hatte Privilegien gegenüber der South African Soccer Federation, in der sich Schwarze, Farbige und Inder zusammenfanden, achtzig Prozent der Bevölkerung. Die SASF bat mehrfach um Anerkennung der Fifa, vergeblich, sie forderte den Ausschluss der rassistischen Fasa, vergeblich.“ Dabei habe der Sportboykott als eine der wirkungsvollsten Maßnahmen gegen das Regime gegolten. In der Folge wuchs „in immer mehr Staaten Afrikas und Asiens der Protest gegen den Weltfußballverband, und so beugte sich die Fifa 1961 und suspendierte die weiße Fasa.“ Allerdings wurde der Ausschluss schon 1963 vom damaligen Fifa-Präsidenten Sir Stanley Rous wieder aufgehoben. Nach einer erneuten Suspendierung 1964 und einem Eklat um ein von der Fasa ausgerichtetes Fußballturnier trat 1976 Joao Havelange „gegen Rous an und wurde Fifa-Präsident, dank der Stimmen der afrikanischen Verbände, die sich von Südafrika abgewandt hatten. Havelange wandelte die Suspendierung der Fasa in einen völligen Ausschluss um.“ Bei den Abschlussfeierlichkeiten könne Sepp Blatter im Namen der Fifa endlich deutliche Stellung beziehen und „mit einer Rede ohne Floskeln eine politische Diskussion entfachen. Der südafrikanische Schriftsteller Peter Raath will nicht daran glauben: ‚Die Fifa hat eine strenge Politik. Worte des Bedauerns sind darin nicht vorgesehen.‘“

Homosexualität im südafrikanischen Fußball

Über das Schicksal einer lesbischen Fußballerin in Südafrika berichtet Martina Schwikowski (taz). Die 30-jährige Thuli Ncube spielt seit zwei Jahren beim Fußballverein der Lesbenorganisation FEW. Doch ihre Leidenschaft für das runde Leder habe schon in ihrer Jugend begonnen: „Schon als kleines Kind hat sie mit den Jungen in der Nachbarschaft in Soweto mitgespielt. ‚Ich war oft das einzige Mädchen, und meine Oma hat immer gesagt, was machst du bloß da mit bei den Jungen?‘“. Dass sie Fußball spielt, sei für ihre Großmutter jedoch kein Problem gewesen, schwerer habe da ihre Homosexualität gewogen: „Oft ist Thuli von zu Hause weggegangen, einfach um allein zu sein. Ihre Mutter hatte sie mit ihrer Reaktion überrascht, als Thuli sich ihrer Familie gegenüber öffnete und zur Lesbe bekannte. Die Mutter sagte nur: ‚Wenn du glücklich bist, bin ich es auch.‘ Für die Großmutter war das schon schwieriger. ‚Ich sehe meine Oma wie eine Vaterfigur an, denn mein Vater hat sich nie um uns gekümmert‘, sagt Thuli. Lesbe sein, das ist in der traditionellen südafrikanischen Gesellschaft mit Stigma verbunden. ‚Man fühlt sich nie wirklich sicher.‘ Denn gleichgeschlechtliche Liebe ist immer noch ein Tabu und wenig akzeptiert.“ Nachdem sie mehrere Schicksalsschläge, darunter eine Vergewaltigung, eine damit verbundene Schwangerschaft und eine Fehlgeburt erlitten hatte, habe sie mit Selbstmordgedanken gespielt. Inzwischen sei sie aber glücklich und von allen, auch ihrer Großmutter, akzeptiert. Und ihr „wertvollstes Geschenk“, ihre Tochter, komme ganz nach ihr, denn wie sie spiele sie am liebsten Fußball.

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