Ascheplatz
Eine Erfolgsgeschichte „Made in Hollywood“ und die spanische Flucht aus der wirtschaftlichen Misere
| Freitag, 9. Juli 2010Das Fußballmagazin 11Freunde hat einen neuen Verleger, will aber weiterhin dem Mainstream fernbleiben; in Spanien kann der fußballerische Erfolg der Furia Roja nur kurz von der wirtschaftlichen Krise ablenken
Der Hamburger Großverlag Gruner+Jahr übernimmt die Mehrheit des Fußballmagazins 11Freunde. Klaus Raab (Berliner Zeitung) schildert die zehnjährige Erfolgsgeschichte: „Was auffällt in den Redaktionsräumen von 11Freunde in Berlin-Friedrichshain, ist, dass wenig auffällt. Die Räume wären nicht erwähnenswert, wäre die Geschichte der Zeitschrift nicht auch die Geschichte von Produktionsbedingungen. Vor zehn Jahren erschien sie erstmals, als Nachfolgeheft des Arminia-Bielefeld-Fanzines „Um halb vier war die Welt noch in Ordnung“.“ Im Jahr 2000 gab es auf „dem Fußballzeitschriftenmarkt die Statistiken und Spielberichte, die der Kicker liefert und es gab die Helden- und Versagergeschichten der Sport-Bild. Die Lücke war: Fußball von unten, aus der Sicht leidenschaftlicher Fans.“ Diese Lücke wollten die Macher der 11 Freunde schließen, hatten dabei aber anfänglich Schwierigkeiten: „Die Startauflage lag – hier driften die Legenden auseinander – bei 200 bis 2500, jüngst wurde kolportiert, vom ersten Heft seien im Einzelverkauf vor Stadien acht Exemplare weggegangen.“ Ganz anders sehe das Bild allerdings eine Dekade später aus: „Heute liegt die verkaufte Auflage von 11 Freunde knapp unter 80.000 Exemplaren. Von acht auf 80.000 in zehn Jahren, das macht das Magazin zur größten Erfolgsgeschichte des Jahrzehnts.“ Die Befürchtungen der Leser, dass Gruner+Jahr sich in die redaktionellen Vorgänge einmischen könne, widerlegt Chefredakteur Philipp Köster: „Mit Gruner+Jahr habe es zunächst einmal eine Übereinstimmung in einer inhaltlichen Frage gegeben, ohne die alle weiteren Verhandlungen hinfällig gewesen wären, wie er sagt: ‚11 Freunde kann nie ein Mainstreamfußballmagazin werden, das wäre das Ende.‘ Mehr Anzeigen erhoffe er sich, so Köster, aber nicht nur. Die Unabhängigkeit, die er meint, bedeutet wohl auch: mehr Luft für die eigentliche Arbeit.“ Denn „im Nachbarbüro schreibt Chef vom Dienst Jens Kirschneck gerade die Saisonprognose für den 1. FC Nürnberg: Platz 16. Vorgelebte Fankultur bedeutet, auch vor einem WM-Finale über den 1. FC Nürnberg nachzudenken.“
Fußball schauen, um die Krise zu vergessen?
Spanien steht nach dem Sieg gegen Deutschland zum ersten Mal in einem WM-Finale. Die Euphorie auf der iberischen Halbinsel ist dementsprechend groß. Doch von den wirtschaftlichen Problemen kann auch der Fußball nicht lange ablenken, weiß Anne Seith (Spiegel Online). Sie schreibt vom Generalsekretär des Verbandes der Kunden von Banken, Sparkassen und Versicherungen: „Einer, der überhaupt keine Zeit hat, den Sieg im Halbfinale zu feiern, ist Fernando Herrero. Der hagere 35-Jährige mit den mittelblonden Haaren und den gebeugten Schultern schlägt sich gerade mit Schulden von zig Milliarden Euro herum. Und auch der Sieg im Fußball macht ihn nicht wirklich glücklich. ‚Das ist eine kurze Erleichterung für die Leute‘, sagt er. Aber die vielen, die nicht wüssten, ob ihr Geld bis zum Ende des Monats reicht, werde selbst ein Sieg im Finale am Sonntag nicht retten.“ Wie groß die Probleme in Spanien seien, werde in Deutschland nicht wirklich erkannt, denn hier „mögen die Schreckensgerüchte über Spanien verstummt sein, in Spanien selbst kämpfen Politiker und Bevölkerung immer noch mit der Krise. Die Arbeitslosigkeit liegt bei mehr als 20 Prozent und trifft vor allem junge Leute. Bei den Banken drohen hohe Abschreibungen wegen notleidender Hypothekenkredite.“ Die Krise betreffe alle, vom Bankangestellten bis zum Barbetreiber: „Fran Ameijeiras ist einer von denen, die eigentlich als Hoffnungsträger im krisengeschüttelten Land gelten sollten. Gemeinsam mit seiner britischen Frau Ellie Baker betreibt er in der hippen Straße Almirante eine schicke Bar im englischen Stil.“ Er denke auch daran, weitere Bars zu eröffnen, aber von den Banken erhalte er keine Kredite. „Immerhin: Vom Fußballrausch profitiert Ameijeiras erst einmal. Denn auch wenn die Euphorie von kurzer Dauer sein mag – für ein paar Tage werden die Leute abends ein bisschen länger am Tresen bleiben. Und über die jüngsten Wundertaten ihrer Kicker philosophieren.“
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1 Kommentar zu “Eine Erfolgsgeschichte „Made in Hollywood“ und die spanische Flucht aus der wirtschaftlichen Misere”
Donnerstag, 15. Juli 2010 um 10:57
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