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Am Grünen Tisch

„So schlecht geht es den Eingeborenen nicht“

Christoph Asche | Sonntag, 11. Juli 2010 Kommentare deaktiviert für „So schlecht geht es den Eingeborenen nicht“

Die Fifa hat jahrzehntelang die Apartheid geduldet und nun die Chance verpasst, sich dafür zu entschuldigen; der Sex-Tourismus in Johannesburg blüht und die Angst vor aufkommendem Nationalismus ist unbegründet

Die Rolle der Fifa während der Apartheid ist ein dunkles Kapitel der Sportgeschichte. Bartholomäus Grill (Zeit Online) verweist auf Spitzenfunktionäre des Weltverbands, die sich während der WM 2010 als „großherzige Gönner“ feiern lassen und somit vergessen machen wollen, dass man die südafrikanische Rassenpolitik lange Zeit gedeckt hat. „In Wahrheit hat die Fifa lange Zeit ihre schützenden Hände über den weißen südafrikanischen Fußballverband gehalten, der schwarze, farbige und indischstämmige Spieler ausschloss und zu Menschen zweiter Klasse degradierte. Die WM hätte dem Verband eine ideale Gelegenheit geboten, um sich endlich dafür zu entschuldigen.“ Daraus wurde jedoch nichts, stattdessen sonnen sich die Verbandsoberen im Sonnenlicht des vermeintlichen Erfolgs: „Sie lassen sich in Südafrika hofieren, und Sepp Blatter, das ist kein Witz, wird sogar als Kandidat für den Friedensnobelpreis gehandelt. Wofür nur?“ Grill greift ein Ereignis hervor, das die Ignoranz der Fifa in besonderem Maße unterstreicht: „Was im Januar 1963 am Kap geschah, gehört zu den unauslöschlichen Schandflecken in den Annalen der Fifa. Der Weltverband entsandte eine Kommission unter der Leitung von Stanley Rous in den Apartheidstaat. Die Herren Funktionäre befanden, dass es ‚keine vorsätzliche Diskriminierung’ vonseiten des weißen Fußballverbandes gebe. So schlecht ginge es den ‚Eingeborenen’ nicht, sie hätten schließlich ihre eigenen Organisationen.“

Sex-Tourismus in Südafrika

Esther Kogelboom (Tagesspiegel) hat sich ins Rotlichtviertel von Johannesburg begeben und beschreibt, wie die vielen WM-Touristen die Prostitution in Südafrika verändert haben. „Wie viele von den 450 000 WM-Touristen männlich sind, weiß niemand. Fest steht aber: Die Fußball-Weltmeisterschaft ist in Südafrika eine Kumpelveranstaltung, für viele Fans ein nostalgischer Abstecher ins Junggesellendasein. Die Ehefrauen und Familien sind weit weg, die Preise niedrig. Die südafrikanischen Sexarbeiterinnen glaubten fest an goldene Zeiten.“ Prostitution sei in Südafrika immer noch illegal, es sei allerdings über eine Freigabe für die WM diskutiert worden – „mit dem Ergebnis, dass die Polizei jetzt nicht mehr nur den Prostituierten nachstellt, sondern auch den Freiern. Ein großer Misserfolg für die südafrikanische Organisation ‚Sweat’, die für die Legalisierung des Gewerbes und damit auch für die Rechte der Frauen kämpft.“

Unbegründete Nationalismusängste

Norbert Seitz beschwichtigt im Deutschlandfunk all diejenigen, die in Autokorsos, Fahnen an Häuserwänden und Autoflaggen immer noch eine gefährliche nationalistische Tendenz sehen: „Meinungsforscher, die der Verbreitung nationaler Symbolik auf der Spur sind, haben die Nachhaltigkeit eines neuen, eher ungefährlichen Patriotismus weithin bestätigt. Danach witterten nur noch verschwindende zwei Prozent hinter einem schwarz-rot-goldenen Flaggenkult bei Großturnieren einen latent schlummernden deutschen Nationalismus. Außerdem scheint unbestritten, dass sich hinter der Wiederentdeckung des Nationalen auch ein Art Protest oder Gegenwehr wider die Tendenzen einer alles verschlingenden Globalisierung verbirgt.“ Letztlich sei es aber das leidenschaftliche deutsche Team selber, das wie ein leibhaftiges Dementi aller Nationalismusängste erscheine. Das „frappierend undeutsche Spiel der DFB-Equipe“ sei so kunstvoll, spielerisch leicht, lässig und unverkrampft, wie deutsche Recken noch nie gespielt hätten. „Ebenso verlieh die vielbestaunte multiethnische Besetzung des deutschen Teams aus den Özil und Khedira, von Boateng bis zu den Bayern dem deutschen Spiel einen Hauch von disziplinierter Exotik.“

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