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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Deutsche Elf

Glänzende Perspektiven

Kai Butterweck | Dienstag, 13. Juli 2010 4 Kommentare

Nach der allgemeinen Auffassung der Presse, blickt das Team von Joachim Löw einer goldenen Zukunft entgegen

Jan Christian Müller (FR) sieht bei der DFB-Elf „glänzende Perspektiven“ hinsichtlich der kommenden Aufgaben: „In zwei Jahren steht die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine an. Die Erwartungen werden höher, der Reiz des Neuen, Unverbrauchten wird etwas verflogen sein. Die deutsche Mannschaft dürfte dann aber eine nahezu perfekte Mischung aus Erfahrung und Jugend zusammenbringen und ihr ‚System Schöngeist‘ mit ausreichend stabilen Elementen angereichert haben.“

Auch Lars Wallrodt (Welt Online) prophezeit der Nationalmannschaft eine große Zukunft: „2006 wurde eine mittelmäßige Mannschaft von der Euphorie im Land getragen. Diesmal war sie die zweitbeste Mannschaft des Turniers, scheiterte aber an der besten, Spanien, deren Weg sie leider schon im Halbfinale kreuzte. Vor vier Jahren war die Perspektive der DFB-Auswahl mau, weil nur wenig junge Spieler nachrückten. Nun stehen plötzlich 21-Jährige auf dem Rasen, die die Fußballwelt verzaubert haben. Natürlich gab es Schwankungen, doch das ist normal bei diesem Altersdurchschnitt. Es muss schon ein rechter Miesepeter sein, wer dies moniert.“

Schwarz-Rot-Gold ist angesagt

Nach Ansicht von Michael Ashelm und Michael Horeni (FAZ) habe das Auftreten der Nationalelf in Südafrika das Bild der Deutschen in der Welt verändert: „Junge Schwarze tragen die schwarz-rot-goldene ‚Glitter Flag‘, indischstämmige Familien sitzen allesamt mit Deutschlandflaggen auf der Wange im Café beim Cappuccino – und ein Farbiger trägt zur ‚Crazy Full Face Flag‘ auch noch das Deutschlandtrikot. Auf seinem Rücken steht ‚Müller‘. Wer sehen wollte, wie die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Südafrika in vier Wochen das Bild von Deutschland in der Welt verändert und verjüngt hat, musste in Durban nur die Augen aufmachen.“

Kommentare

4 Kommentare zu “Glänzende Perspektiven”

  1. Henk
    Dienstag, 13. Juli 2010 um 16:28

    Ergänzend zu Ashelm und Horeni:

    Mindestens genau so interessant ist es, wie das Auftreten der deutschen Elf das Deutschlandbild im eigenen Lande verändert hat. Ich habe in der letzten Woche einen Bastelstand auf einem Kinderfest in einem Stadtteil mit hohem Migrantenanteil betreut. Es hat mich erstaunt, wie viele Kinder aus der Türkei, aus dem Libanon oder aus Marokko sich Deutschlandfahnen gebastelt haben – wohlgemerkt am Freitag, also bereits nach der Halbfinalniederlage. Identifikation via Fußball – kein schlechtes Rezept, finde ich (und schaudere vor der Vereinnahmung dieser Aussagen durch Zwanni & Co.). 😉

  2. toto
    Dienstag, 13. Juli 2010 um 18:51

    ich will überhaupt kein miesepeter sein, haben mir die spiele der deutschen nationalmannschaft doch sehr gut gefallen.
    ich wäre aber dennoch etwas zaghafter mit den zukunftsaussichten. es klingt bei vielen so, als stünden wir eh schon im finale der em, doch da ist noch eine menge arbeit nötig. das wissen die verantwortlichen, deshalb bin ich auch nicht besorgt. nur stimme ich nicht in die „diese mannschaft wird auf jahre hinaus usw. usf.“-symphonien ein, denn das gabs nach 90 auch schon einmal.

  3. tafelrunde
    Dienstag, 13. Juli 2010 um 23:37

    Ist der Weltmeistertitel für die Spanier verdient? Irgendwie ja. Denn die spanische Nationalmannschaft hat es verstanden, jedem, ausnahmslos jedem anderem Team seine Auffassung des Spiels aufzuzwingen. Ballkontrolle total. Oder, um einen uraltem Fußballerspruch die Ehre zu erweisen: Wenn wir den Ball haben, kann der Gegner kein Tor schießen.

    Allerdings hat Löw schon vor dem Turnier gesagt, dass Spiele künftig über die Offensive entschieden werden. Er meinte damit, dass schnelles, überraschendes Kombinieren im letzten Drittel bzw. Viertel das entscheidende Momentum sein werden. Die Spanier haben das oft (meistens) vergessen.

    Daran hat er seine Spielphilosophie ausgerichtet. Dass er das in der Kürze der Vorbereitung – selbst wenn er dieses auf den starken Bayern-Block aufbauend – nicht bis zur Perfektion der Spanier umsetzen konnte, sollte ihm nicht negativ ausgelegt werden, wie es von so manchen Betrachtern jetzt wieder durchklingt. Denn das ist unfair, da die Spanier auf eine jahrelange Erfahrung dieses Stils bei Barcelona zurückgreifen können.

    Das Spielsystem von Löw ist zukunftsträchtig. Basierend auf schneller Ballzirkulation a la Spanien (bzw. Barca bzw. Bayern) in der Defensive und dann umschalten durch schnelles, direktes und vertikales Spiel in die nicht perfekt organsierten Räume vor einem, in die Lücken mit Spielern wie Müller zielstrebig in die Gefahrenräume zu kommen (oft durch Zick-Zack-Spiel, d.h. schnell nach vorn, gleich wieder schnell kurz zurück, dann wieder in den freien Raum zum durchstartenden Spieler), hat was Unwiderstehliches. Man konnte beim Halbfinale deutlich sehen, was ein Spieler wie Müller mit seiner (von van Gaal oder wem auch immer) gelernten Spielauffassung ausrichten hätte können (btw: Trochowski raus!!!!).

    Ob Löw weiter macht oder nicht, dies wird die Zukunft des erfolgreichen Fußballs sein. Dies sollte ein aufmerksamer Beobachter aus dieser WM mitnehmen.

  4. reteef
    Mittwoch, 14. Juli 2010 um 11:20

    Im Halbfinale und im Finale (also gegen durchaus starke Gegner ;)) haben es die Spanier früher oder später geschafft, die gegnerische Mannschaft tief in deren Hälfte zu drängen. Spätestens dann ist es halt vorbei mit dem vertikalen Spiel bei einer Balleroberung, die sich eventuell bietenden Räume in der spanischen Hälfte kann dann niemand mehr nutzen, weil die gesamte Mannschaft viel zu tief steht. Heißt für die deutsche Mannschaft: Man müsste lernen, gegen solche Mannschaften (von denen könnte es nach dem Erfolg der Spanier ja demnächst ein paar mehr geben) im Mittelfeld stärker dagegen zu halten und an der Präzision des Spiels nach Ballgewinn zu feilen. Der niederländische Ansatz ist vielleicht etwas über das Ziel hinausgeschossen, aber prinzipiell muss man schon etwas aggressiver in der Verteidigung arbeiten, damit man sich eben nicht von den Spaniern einlullen und einschüren lässt. Außerdem sollte man vielleicht bis zur nächsten EM sowas wie einen Plan B entwickeln, der greift, wenn die eigentliche Spielausrichtung nicht funktioniert. Dafür hat vor der WM wahrscheinlich die Zeit gefehlt, genauso wie für einfallsreiche Standards. Aber da konnte man halt schon sehen, dass Spanien und ein paar andere etwas weiter in der Entwicklung sind. Hat Iniesta links und Pedro rechts gespielt? Oder doch umgekehrt? Torres‘ physische Präsenz oder Villas „Unwiderstehlichkeit“? Absolutes Kurzpassspiel mit der ersten Elf oder gefährliche Dribblings durch Navas und Fabregas? Dann Piqué als Blocker für Puyol, nachdem man mit vielen kurzen Ecken die Deutschen aus dem Strafraum gelockt hatte. Auch Brasilien und die Niederlande haben ein paar Varianten bei Standards ausprobiert.

    Ich hoffe auch, dass Löw weitermacht, einfach weil man bisher schon eine kontinuierliche Entwicklung sehen konnte und jetzt mit den ganzen jungen Spielern eine hervorragende Basis für die ZUkunft gelegt wurde. Was auch immer Klinsmanns Anteil am Neubeginn nach der EM 2004 war, Löw war auf jeden Fall auch daran beteiligt und hat aus dem damaligen Trümmerhaufen bis jetzt schon einiges rausgeholt. Es wäre einfach schade, wenn dieses „Projekt“ unvollendet bliebe.

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