Deutsche Elf
Nach der Weltmeisterschaft ist vor der Bundesliga
| Mittwoch, 14. Juli 2010Kaum ist das sportliche Großereignis des Jahres vorbei, bereitet sich die Presse auf den fußballerischen Alltag vor; blickt aber noch kurz auf die Zeit vor der WM zurück
Richard Leipold von der FAZ sieht in der der nationalen Liga einen Ausbildungs- und Zulieferbetrieb mit dem Gütesiegel „Made in Germany“, der mehr denn je eine Säule des Erfolgs der Nationalmannschaf bilde: „Gerade Vereine wie Bayern München, Bayer Leverkusen, Schalke 04 und Borussia Dortmund haben in der Spitzengruppe einen Trend zur jugendlichen Frische gesetzt, den der Bundestrainer entschlossen aufgenommen und bei der WM fast bis zur Perfektion weiterverfolgt hat.“ Auch DFL-Präsident Reinhard Rauball hebe dies hervor: „Erst der Doppelpass zwischen der Bundesliga und der Nationalmannschaft habe das deutsche Fußball-Sommerhoch ermöglicht. Einerseits hat Löw es verstanden, formschwache, teils frustrierte Stars wie Podolski, Klose und Friedrich wieder auf höchstes Niveau zu trimmen. Andererseits haben bedeutende Bundesligaklubs Nachwuchskräften wie Müller, Özil, Neuer, Khedira, Boateng und Badstuber, aber auch einigen anderen, die dem erweiterten Kreis der DFB-Auswahl angehören, die Chance geboten, sich schon als sehr junge Erwachsene zu profilieren, auch international. Die inzwischen wieder als Wachstumswert eingeschätzte FC Deutschland AG dürfte ihren Aufschwung am ehesten fortsetzen, wenn sie die Synergieeffekte nutzt, die sich aus dem Zusammenwirken ihrer wichtigsten Einzelgesellschaften ergeben.“ Neben dem WM-Auftritt könnten auch neue Gesetze der Bundesliga zugute kommen: „In Spanien und England fallen Steuervorteile für ausländische Profis künftig weg. Rauball rechnet deshalb bei den Stars mit ‚einer Umverteilung’ auf andere Ligen. Die Bundesliga besitzt also durchaus Grund, sich stark zu fühlen. Die WM habe ‚mehr denn je gezeigt, dass wir uns notorisch schlechter machen, als wir sind’, sagt Felix Magath, Trainer des FC Schalke 04.“
Europa jagt Löws Zauberjungs
Birger Hamann und Hendrik Ternieden blicken für Spiegel Online auf die Entwicklung der Bundesliga: „Der FC Barcelona will Mesut Özil. Real Madrid buhlt um Bastian Schweinsteiger. Der FC Chelsea hat Sami Khedira auf dem Zettel. Derzeit vergeht kaum ein Tag, an dem die Jungstars der deutschen Nationalmannschaft nicht mit einem europäischen Top-Club in Verbindung gebracht werden. Die Rede ist von zehn, 20, gar 25 Millionen Euro, die Barça und Co. angeblich auf den Tisch legen wollen. Rund 15 Jahre nach der Rückkehr von Italien-Legionären wie Lothar Matthäus, Andreas Brehme und Jürgen Kohler hafte deutschen Fußballern wieder ein Gütesiegel an – allerdings ein anderes als der Weltmeister-Combo von 1990. Waren früher Wucht und Wille die deutschen Tugenden, stehen die heutigen DFB-Spieler für andere Stärken: Tempo, Technik, Spielverständnis.“ Die Bundesliga gehöre endgültig wieder zu den ganz großen Ligen Europas: „Beleg dafür: Bayern stand in diesem Jahr im Endspiel der Champions League, Werder Bremen 2009 im Finale des Uefa-Cups, der HSV erreichte dort zweimal in Folge das Halbfinale. Auch wenn es für einen Titel nicht gereicht hat – international sind die Clubs wieder wettbewerbsfähig. ‚Wir sollten aufhören, uns als kleiner, hässlicher Bruder der Premier League zu sehen’, sagt Liga-Chef Christian Seifert der Sport-Bild. ‚Wir haben in der Bundesliga an Qualität gewonnen. In Zukunft wird es auch so sein, dass die großen Spieler nach Deutschland kommen’, ergänzt Schweinsteiger.“
Unberechtigte Zweifel
Philipp Köster (11 Freunde) befaßt sich mit den Analysen zur Nationalmannschaft vor der WM und kommt zu dem Schluss, dass Gewissheiten von gestern heute nur noch Kopfschütteln erzeugen: „Als Kapitän Michael Ballack nach einem Foul von Kevin-Prince Boateng ausfiel, schien selbst Fußballzwerg Australien ein nahezu unbezwingbarer Gegner. Nachdem der unbezwingbare Gegner dann locker mit 4:0 abgefrühstückt worden war, sahen wir die Mannschaft schon mit dem Goldpokal auf der Fanmeile. Als Lukas Podolski gegen Serbien auf alles schoss, was sich bewegte, nur eben nicht ins Tor, hätten wir statt seiner gern doch noch Thomas Hitzlsperger mitgenommen. Als Poldi gegen England dann doch traf und Miroslav Klose auch noch, hatten wir immer an die beiden geglaubt. Als Argentinien mit 4:0 geschlagen war, konnten wir nicht verstehen, dass Ballack überhaupt jemals für die Nationalelf berufen worden war. Als Spanien uns eiskalt schlug und wir dabei einigermaßen überfordert aussahen, vermissten wir ‚Capitano’ Ballacks Ruhe und Erfahrung.“
Kommentare
3 Kommentare zu “Nach der Weltmeisterschaft ist vor der Bundesliga”
Mittwoch, 14. Juli 2010 um 15:10
@philipp köster:
gute „analyse“.. da sieht man mal wie ergebnisorientiert bewertet wird.
Aber genauso ging es mir auch bei den ergebnissen bei der WM.
Nicht zu vergessen,dass Poldi u. Klose ja eigentlcih gar nicth dabei sein dürften……..
Am schlimmsten fand ich den umgang mit Michael bBallack. erst wird er verletzt u. vermisst,gewinnt dann die 11, wird er respektlos behandelt.Aber das ist wohl auch eine typisch deutsche tugend.
Mittwoch, 14. Juli 2010 um 17:12
Sobald Deutschland gewinnt und anschließend verliert, findet sich jemand, der, unabhängig davon, was in den Zeitungen zu lesen ist, erkannt haben will: Erst jubeln wir sie hoch, dann schreiben wir sie nieder.
Deutschland, Land der klugen Analytiker.
Freitag, 16. Juli 2010 um 18:10
Seltsam, dass die FAZ bei den Ausbildungsclubs in der Spitzengruppe ausgerechnet den VfB Stuttgart unerwähnt lässt… Von der SZ kennt man ja solche süddeutsch-bruderfeindliche Ignoranz; die FAZ hatte ich bisher für ihre Objektivität im Sportteil geschätzt.