indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

Schalker Panikkäufe

Matthias Nedoklan | Mittwoch, 1. September 2010 11 Kommentare

Die Presse ist nach dem Transfer-Spektakel gespalten: Während manche sich vor einer Alt-Herren-Liga fürchten, bewundern andere die neue Anziehungskraft der Bundesliga

Ulrich Hartmann (SZ) beleuchtet den Schalker Neustart in die bisher verpatzte Saison: „Am letzten Tag der Transferperiode hat der Klub gleich drei neue Spieler verpflichtet. Die Not war groß. Nach den 1:2-Niederlagen in Hamburg und gegen Hannover fangen die Gelsenkirchener die Saison am übernächsten Freitag noch einmal von vorne an. Die Mannschaft wird anders aussehen, wenn sie dann in Hoffenheim gastiert. Felix Magath hat bis zum Ende der Transferperiode gewartet, um die Sommerverpflichtungen zehn bis zwölf perfekt zu machen und sein verbliebenes Investitionspotential von etwa 30 Millionen Euro nahezu auszuschöpfen. In den ersten Ligapartien hatte er seine Mannschaft noch durcheinander gewürfelt wie in den Testspielen der Vorbereitung. Die Erkenntnisse waren deprimierend. Nun steht seiner Elf der finale Anstrich bevor. Jurado im zentraloffensiven oder linken Mittelfeld und Huntelaar als robuste Spitze an der Seite des kleinen Stürmers Raúl sollen die Mannschaft für die Bundesliga und die Champions League tauglich machen.“

Ingo Durstewitz (FR) sorgt sich um den Zustand des FC Schalke: „Wer als globales Fußball-Unternehmen am allerletzten Tag des Sommerschlussverkaufs die Schatulle öffnet, den gesamten Inhalt zusammenkratzt (hier: läppische 27 Millionen Euronen) und gnadenlos raushaut, der hat entweder zu viel Festgeld auf dem Konto − oder aber Panik. Blanke Panik. Im Fall des FC Schalke 04 trifft letztere Variante zu.“

Vorbereitung ohne Wert

Wolfgang Hettfleisch (FR) zieht nach einem aufregenden Transfertag eine Bilanz: „Von der Bedeutung der Saisonvorbereitung ist in solchen Momenten nicht die Rede. Dabei gehört es zum Phrasenschatz des Fußballs, dass sich ein Team in den gemeinsamen Sommerwochen finden und entwickeln müsse. Der galoppierende Last-Minute-Wahn spricht dafür, dass das niemand ernst meint.“

Christoph Becker und Tobias Rabe (FAZ.net) tickerten den Transfer-Tag im Minuten-Takt: „23.14 Uhr: Um diese Zeit ist es ein hartes Los, das Geschehen zu verfolgen. Die Wechsel, die bekannt gegeben werden, betreffen vor allem Spieler, die nur Scouts oder die ganz kundigen Fans kennen. Es wird Zeit für einen kleinen Kassensturz: In der Sommertransferperiode gaben die achtzehn Vereine der Bundesliga 155,59 Millionen Euro aus. Im vergangenen Sommer waren es für etwa die gleiche Anzahl an Spielern (175 zu 172) noch 221,75 Millionen. Auf der Einnahmeseite stehen in diesem Jahr 135 Millionen (2009: 111,96). Fazit: Die Preise sind ein wenig gefallen, zudem achten die Klub vermehrt darauf, nicht viel mehr auszugeben als sie einnehmen.“

Wahlprogramm: Stars für Stimmen

Axel Kintzinger (Financial Times Deutschland) vergleicht die Bundesliga mit der europäischen Konkurrenz: „Im Ausland ist Beruhigung eingetreten. Transfer-Exzesse wie noch vor zwölf Monaten, als sich Real Madrid von befreundeten Banken rund 300 Mio. Euro geben ließ, um neue Stars zu holen, sind in diesem Sommer ausgeblieben. Selbst die Königlichen achten mittlerweile, wie im Fall Mesut Özil, auf Schnäppchengelegenheiten. Gegen den Trend agiert nur noch der Scheich von Manchester City. Mansour bin Zayed al-Nahyan verpulverte erneut eine dreistellige Millionensumme für zum Teil mediokre Spieler. Und AC-Mailand-Chef Silvio Berlusconi macht seine Schatulle nur deswegen wieder auf, weil ihm unvorhergesehen Neuwahlen ins Haus stehen. Mit dem Programm ‚Stars für Stimmen‘ ist Berlusconi schon mehr als einmal Italiens Ministerpräsident geworden.“

Jens Hungermann und Oliver Müller (Welt) blicken auf den gesteigerten Wert der Bundesliga: „Am treffendsten und ehrlichsten fasste vielleicht Jose Manuel Jurado (24) die Lage zusammen: ‚Es gibt Momente im Leben, da kannst du nicht Nein sagen.‘ Schalkes Angebot etwa, von Atletico Madrid in die Bundesliga zu wechseln, ‚konnte man einfach nicht ablehnen‘. Natürlich, im Mittelfeld von Spaniens Tabellenführer war der beid- wie leichtfüßige Mittefeldmann Leistungsträger gewesen, hatte vorige Saison kein Ligaspiel verpasst und die Europa League gewonnen. Doch bot Schalke 04 Jurado neben einem erklecklichen Gehalt eben auch eine rosige Perspektive.“

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Kommentare

11 Kommentare zu “Schalker Panikkäufe”

  1. hardyeddy
    Mittwoch, 1. September 2010 um 09:21

    Hallo Herr Durstewitz

    Ihr Kommentar verführt geradezu, mit Ihrem Nachnamen ein kleines Wortspiel zu kreieren.
    Das Einkaufsbudget von S04 steht bereits seit Monaten fest. Das Interesse an den Spielern ebenso (teilweise noch aus Magath`s Wolsburger Zeit) Hier von Panikkäufen zu sprechen ist schlichtweg ein Witz, Herr Durstewitz.

  2. Transferflattern | Andersrum rut-wiess – Erster schwullesbischer Fanclub des 1. FC Köln
    Mittwoch, 1. September 2010 um 09:33

    […] Felix Magath gestern noch mal die Schatulle geplündert hat und sein erklärtes Ziel, die Gehaltskosten zu senken, stur weiter verfolgt (haha!), saß der […]

  3. Moritz
    Donnerstag, 2. September 2010 um 01:37

    Und woher kommt das Schalker Budget? Wieder verdeckt von der Stadt Gelsenkirchen wie 2009 von der GEW? Ach ne, diesmal vertickt man den eigenen Fans eine Anleihe mit einer Laufzeit bis 2016 zu jährlich 5,5% Zinsen.

    Mir ist zwar klar, dass Emmissionsprospekte stets eher schwarz malen, aber der Schalker Prospekt ist eine einzige Horrorshow. Wenigstens gibt man am Ende von Punkt 1.3 zu, dass die Verzinsung im Vergleich zu anderen Emmittenten mit ähnlicher Bonität unter Marktniveau liegt…

  4. Oliver Fritsch
    Donnerstag, 2. September 2010 um 07:00

    Was führt denn Magath im Schilde? Hat irgendjemand auch nur die leiseste Idee?

  5. Daniel
    Donnerstag, 2. September 2010 um 09:48

    Magath setzt alles auf eine Karte, die Zukunft des Vereins ist ihm dabei völlig egal.
    Mal eben in Madrid und Mailand auf Spielersuche gehen, das sollte – wenn sie nicht einschlagen – für einen fast bankrotten Verein keine gute Idee sein.
    Ich glaube, dass Magath die nächste Saison auf Schalke nicht erleben wird.

  6. Manfred
    Donnerstag, 2. September 2010 um 10:11

    Herr Fritsch, sie sind doch Journalist. Wie wäre es denn mit einem Interview mit Herrn Magath? Dann könnten sie auch gleich mal fragen, ob Daniels Glaubensvisionen stimmen.
    Ich persönlich glaube, Magath will mit Schalke Meister werden, aber das ist nur so ’ne Idee 😉

  7. Nixwisser
    Donnerstag, 2. September 2010 um 10:12

    In den letzten Jahren hat Magath unterm Strich das Richtige getan. Der Erfolg gibt ihm Recht. Das heißt nicht, das ausnahmslos alles geklappt hat, aber er hat seine Qualität unter Beweis gestellt, hat junge Spieler integriert, erfolgreich mit Etablierten gearbeitet und er war immer für eine positive Überraschung gut. Nach seiner Aussage glaubt er, mit dem bisherigen Kader nicht die Art von Fußball spielen zu können, um die Erfolge zu erzielen, die er anstrebt. Ich verstehe im Grunde auch nicht, was er da treibt, aber er bekommt von mir – allein aus lokalpatriotischen Gründen 🙂 – einen Vertrauensvorschuß. Mir würd’s gefallen, wenn er Erfolg hätte, nicht zuletzt, weil die Schalker Fans endlich mal dran sind.

  8. Nixwisser
    Donnerstag, 2. September 2010 um 17:36

    slightly off-topic

    Auf der S04-Website steht zum Streit mit den Fans wie folgt:

    „Im konstruktiven Dialog wurde das weitere Vorgehen abgestimmt. In den nächsten Wochen werden die Prozesse zur nachhaltigen Kommunikation zwischen den Fanorganisationen und der Vereinsführung optimiert.

    Die Teilnehmer sind sich einig, dass die Probleme nicht unüberbrückbar sind und dass in einem Arbeitskreis zeitnah Lösungsvorschläge vorgelegt werden.“

    Mir wird schlecht, wenn ich so was lese. Das klingt wie die Abschlußerklärung der Klimakonferenz. Das ist doch der Beweis dafür, daß dem ein oder anderen das Fingerspitzengefühl für den Umgang mit den Fans abhanden gekommen ist. Bemerkenswert, gerade auf Schalke.

  9. juwie
    Donnerstag, 2. September 2010 um 17:40

    Was mich nur ärgert: Ich befürchte, Schalke ist aus Sicht der DFL „too big to fail“.
    (Ist im Ruhrgebiet ja nichts Neues.)

  10. Moritz
    Donnerstag, 2. September 2010 um 20:19

    Natürlich sind sie das.

    Wieviel wäre denn die Arena auf Schalke wert, wenn dort nicht mehr der S04 spielen würde?

  11. FanM
    Mittwoch, 8. September 2010 um 13:58

    Ein Blick auf Schalker Transferliste beweist immerhin, dass sich Magath durchaus in seinem finanzielle Rahmen bewegt. Unterm Strich stehen 34,6 Millionen Euro Ausgaben für Ablösezahlungen, dem stehen 17,1 Millionen Euro an Einnahmen für Verkäufe bezeihungsweise Ausleihgebühren gegenüber. Das macht ein Minus von 17,5 Millionen Euro, also weniger, als die Truppe durch den Einzug in die Champions League erspielt hat.

    Ferner hat Magath die Etatkosten in Höhe von 69 Millionen Euro, die den Klub im Geschäftsjahr 2009 an den Rand der Zahlungsunfähigkeit getrieben hatten, bereits um 20 Prozent zu reduziert: Das Gehalt von Großverdienern wie Kevin Kuranyi, Gerald Asamoah, Marcelo Bordon, Rafi nha und Heiko Westermann (gesamt etwa 18 Millionen) wurde eingespart. Mit üppigen Verträgen sind zwar Raúl, Christoph Metzelder, Klaas-Jan Huntelaar und José Manuel Jurado versorgt. Aber die derzeit 30 Profis im S04-Kader verdienen zusammen „nur noch“ 55 Millionen Euro, das Budget wird daher entlastet.
    Zu berücksichtigen ist inbesondere noch, dass
    diverse Profis abgegeben wurden, die zwar nicht zu den Top-Verdienern zählten, aber immer noch sehr gut verdienten. Die Asamoahs, Grossmüllers, Zé Robertos oder Sanchez z.B…

    Rechnet man die Verkäufe und die Einnahmen der Champions League dagegen ist alles beim alten geblieben, während die Chancen Mehreinnahmen zu erzielen (isbes. in der Champions League mit einem Überstehen der Gruppenphase!) größer geworden sind.

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