Bundesliga
Fragezeichen auf Schalke
Kommentare deaktiviert für Fragezeichen auf Schalke
| Dienstag, 21. September 2010Vor dem fünften Spieltag beherrscht ein Thema die Presselandschaft: Der dramatische Fall des FC Schalke 04 und die tiefe Ratlosigkeit aller Beteiligten beim Tabellenletzten
Ulrich Hartmann (SZ) beschäftigt der katastrophale Schalker Saisonauftakt: „Ihre individuellen und kollektiven Mängel sind geradezu mysteriös. Man müsste über alle zehn Feldspieler sinnieren, um die Schwachstellen zu benennen. Hinzu kommen jene Akteure, die Magath gar nicht einbringt, wie den Spielmacher José Jurado, dem er Defensivqualitäten abspricht, oder den neuen Außenverteidiger Sergio Escudero, der trotz erkennbarer Defizite auf dieser Position ebenso wenig zum Kader gehörte wie der neue griechische Innenverteidiger Kyriakos Papadopoulos und der chinesische Außenspieler Hao Junmin. In den vergangenen Jahren hat der Trainer Magath sich dadurch einen Namen gemacht, dass er kaum bekannte Spieler puzzleartig zusammengebracht und schnell zu einer spielerisch erfolgreichen Einheit formiert hat. Genau das gelingt ihm bei Schalke trotz Investitionen von etwa 35 Millionen Euro nicht. Es ist auch der schlechteste Start seiner persönlichen Trainerkarriere. Magaths Image bröckelt, und mit ihm die Ziele der Schalker, die eine neuerliche Qualifikation für den Europapokal schon aus finanziellen Gründen benötigen.“
Richard Leipold (FAZ) fällt ein vernichtendes Urteil: „Die Mängelliste zieht sich durch alle Mannschaftsteile. Schalke erscheint als Ansammlung von Einzelspielern, die vor allem um sich selbst kreisen, nicht aus übertriebenem Egoismus, sondern aus Unsicherheit, um Magaths meistgebrauchte Vokabel zu bemühen. Sie wollen in erster Linie nicht unangenehm auffallen nach dem Motto: Um den Rest sollen sich andere kümmern. Doch diese anderen sind nicht zu sehen. Die einzige Konstante im guten Sinne steht bei Schalke im Tor. Solange seine Vorderleute so konfus zu Werke gehen wie in den ersten Wochen der Saison, kann aber auch Manuel Neuer den Schaden nicht abwenden, sondern nur begrenzen.“
Magaths Stuhl wackelt nicht
Daniel Theweleit (Berliner Zeitung) analysiert die Situation in Gelsenkirchen: „Dass Marcelo Bordon langsam zu alt für eine anstrengende Saison mit Doppelbelastung ist, lässt sich noch nachvollziehen, auch dass Rafinha aufgrund seiner Disziplinlosigkeit und seiner mangelhaften Identifikation mit dem Klub zu Geld gemacht wurde. Dass Schalke aber Heiko Westermann veräußerte, einen Stabilisator, einen Kämpfer, genau den Typ, der Schalke jetzt helfen könnte, das war eine klare Fehlentscheidung. Westermanns Gehalt sei zu hoch gewesen, heißt es, wenn man nach den Gründen für den Verkauf fragt. Weil aber 13 Millionen Euro für José Manuel Jurado vorhanden waren, für einen Mann, den Magath derzeit gar nicht gebrauchen kann, mangelt es dieser Argumentation an Überzeugungskraft. Andernorts würde spätestens jetzt eine Trainerdiskussion geführt werden, auch der Sportdirektor sähe sich scharfer Kritik ausgesetzt, Schalke jedoch wird mit Magath in beiden Ämtern weiter arbeiten müssen. Für eine Entlassung des Meistertrainers von 2009 und seine gut bezahlte Hilfsarbeitertruppe fehlt dem FC Schalke schlicht das Geld. Der Chef muss es schon selber richten, auch wenn er im Moment selbst nicht zu wissen scheint, wie das gehen soll. Immerhin können die Schalker darauf vertrauen, dass Magath sein Bestes gibt.“
Andreas Morbach (FR) streut Salz in die Schalker Wunden: „Fakt ist, dass der in die Jahre gekommene Ex-Madrilene Raúl (33) noch immer als untätiges Gespenst vor den gegnerischen Abwehrreihen herumhuscht. Dass 14-Millionen-Euro-Einkauf Klaas-Jan Huntelaar nur eine unwesentlich bessere Figur abgibt. Dass aber gerade ein ausgewiesener Strafraumspieler wie der lange Niederländer danach lechzt, endlich mit Pässen und Flanken gefüttert zu werden. Trainer Magath aber verzichtet kurioserweise nach wie vor darauf, den als Spielmacher verpflichteten 13-Millionen-Mann José Manuel Jurado aufzustellen. Lieber setzte er weiter auf den blassen Ivan Rakitic. Neu bewerten will Magath die verfahrene Lage seines Ensembles also. Womöglich fällt ihm dabei auf, dass Nachwuchsspieler wie Lukas Schmitz, die sich in der Vorsaison gemäß seinen Anweisungen noch die Lungen aus den jungen Leibern rannten, in seinem aufgeblähten 37-Mann-Kader nur ein Schattendasein fristen. Intern soll sich Magath bereits vom Ziel Champions-League-Platz verabschiedet haben − schwer vorstellbar auch, wie das Ensemble dieses Niveau erreichen soll.“
Tuchel thront über Mainz
Frank Hellmann (taz) forscht nach dem Geheimnis des Mainzer Erfolgs: „Der mit Folie umwickelte Stapel Holzpaletten am Rande des Trainingsplatzes neben dem Mainzer Bruchwegstadion wirkt wie bestellt und nicht abgeholt. Wer nicht wüsste, wofür das Provisorium gut ist, der könnte denken, ein Spediteur habe auf der Böschung Unrat abgeladen. Ein Trugschluss. Längst wird dieses Gebilde hier ‚Tuchel-Turm‘ genannt, weil es kein besseres Symbol für die Improvisationskünste eines Bundesligisten geben könnte, der gerade dabei ist, die hierarchischen Gebilde einer maßgeblich von den Finanzmitteln bestimmten Leistungsgesellschaft aufzubrechen. Ein Turm, benannt nach Thomas Tuchel, 37, dem jüngsten Fußballlehrer der Branche.“
Moritz Kielbassa (SZ) erinnert die Bayern an Statistiken: „Was nutzen 70 Prozent Spielanteile und 124 Ballkontakte gegen Köln alleine von Schweinsteiger, dem immerzu klaren Spitzenreiter in dieser Rubrik – wenn die wichtigste Statistik sagt: Bayern ist Neunter! Weil alle Passkreisläufe ohne Schuss ins Ziel enden.“
Von der Bank zum Derbyhelden
Frank Heike (Tagesspiegel) untersucht das Mysterium Mladen Petric: „Vom Unverzichtbaren zum Bankdrücker – Petrics Niedergang beim HSV hat mit Ruud van Nistelrooy zu tun und mit Trainer Armin Veh. Veh setzt auf eine offensive Dreierkette hinter der einzigen Spitze namens van Nistelrooy. In der Mitte der Kette sieht Veh den Peruaner Paolo Guerrero als erste Wahl. Er hält ihn für den besseren Spielmacher als Petric. Und da Veh und die Vereinsführung befürchteten, der sensible Petric könne ohne Stammplatzgarantie für schlechte Stimmung sorgen, wollten sie ihn verkaufen.“