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Champions League

Ein Bild des Jammers und griechischer Widerstand

Kai Butterweck | Freitag, 1. Oktober 2010 2 Kommentare

Während die Bremer nach ihrer Pleite auch nach dem Spiel für Unmut sorgen, jubelt die Presse einem 18-jährigen Griechen in Diensten von Schalke 04 zu

Birgit Schönau (SZ) ist immer noch berauscht von Inter Mailands Spiel und zieht daraus folgende Lehren: „Inter Mailand vier – Werder Bremen null, das verleitete manche Kommentatoren zu der Ansicht, der Titelverteidiger habe den Deutschen ein `Lehrstunde` erteilt. In Wirklichkeit war es entfesselte Spielfreude, die Werder bezwang, aber auf gnadenlose Deklassierung verzichtete. Und wenn hier überhaupt jemandem eine kleine Lektion erteilt wurde, dann Louis van Gaal, der immer noch behauptet, seine im Champions-League-Finale unterlegene Mannschaft des FC Bayern habe aber besser Fußball gespielt als Inter. Die reine Lehre aus Inters erstem Heimspiel nach dem wurstigen Remis bei Twente Enschede lautet nun: Dieses Team versteht sich auch nach dem Trainerwechsel blind, es hat sich ohne Trennungstrauma vom großen Egomanen Jose Mourinho emanzipiert.“

Ein Bild des Jammers

Frank Hellmann (Spiegel Online) ist nicht nur enttäuscht vom Spiel der Bremer auf dem Platz: „Selbst der Schlussakkord missriet. Hoch oben im blauen Block des Giuseppe-Meazza-Stadions hatte sich die mitgereiste Bremer Anhängerschaft früh dazu entschlossen, auf Pfiffe und Missfallensbekundungen zu verzichten. Lieber spendeten die Fans trotz der Demütigung im Mailänder Stadtteil San Siro noch nach dem Schlusspfiff ein bisschen Applaus. Doch der eigentlich zu erwartende Dank ihrer Lieblinge fiel sehr spärlich aus. Gerade einmal Ersatzkapitän Per Mertesacker, Sebastian Prödl, Petri Pasanen und Philipp Bargfrede trotteten halbherzig zur Gästekurve, um nach der 0:4-Vorführung in der Champions League bei Titelverteidiger Inter Mailand das Durchhaltevermögen und die Unterstützung ihrer Fans anzuerkennen. Der Rest des Kaders verkroch sich lieber. Bremen bot ein Bild des Jammers. Dass die Wende zum Besseren am Sonntag in ähnlich ausgedünnter Besetzung bei Bayer Leverkusen gelingt, ist angesichts des fragilen Bremer Gebildes in dieser Spielzeit nicht zu erwarten. Eines können die Werder-Profis in der BayArena auf jeden Fall verbessern: den respektvollen Umgang mit den eigenen Fans.“

Ein junger Grieche verzaubert Schalke

Daniel Theweleit (Berliner Zeitung) schwärmt vom neuen griechischen Stern am Schalker Himmel: „Ein Teenager, der noch keine 50 Minuten für den Revierklub gespielt hat, ist zu einer Art moralischem Anführer von Schalke 04 avanciert und hat ganz nebenbei einen Hauch der verloren geglaubten Magath-Magie zurückgebracht. Schmitz, Moritz und Matip hießen die Entdeckungen der frühen Monate des Trainers auf Schalke, Uchida, Escudero und Plestan sollten in dieser Saison folgen, doch sie bereicherten das Spiel nur mit Unruhe und Chaos. Jetzt haben sie Papadopoulos. Der bullige Typ hatte gekämpft und gerackert, gegrätscht und gebissen, und bereits nach fünf Minuten des 2:0 gewonnenen Spiels von Schalke 04 gegen Benfica Lissabon schmerzte sein Fuß, er hatte einen Schlag abbekommen. Mehrfach wollte er ausgewechselt werden, doch er hielt durch, und am Ende hatte die wackelige Schalker Defensive erstmals in dieser Saison ein Spiel ohne Gegentor beendet.“

Philipp Selldorf (SZ) schließt sich den Huldigungen nahtlos an: „Der auffälligste Widerstandskämpfer war jedoch ein Teenager, mit dessen Einsatz keiner gerechnet hatte. Der 18-jährige Kyriakos Papadopoulos, im Sommer für zwei Millionen Euro von Olympique Piräus gekommen, war als Innenverteidiger die Entdeckung des Abends. Alle redeten über ihn. Papadopoulos spielte so resolut und selbstbewusst, dass man in ihm einen verlorenen Zwilling des seligen Marcelo Bordon zu sehen glaubte und sein Geburtsdatum – 23. Februar 1992 – für eine Fälschung halten musste. Doch er ist kein Anfänger, in Griechenlands U21 debütierte er als 16-jähriger. Sein Ruf hatte sich in Europa längst rumgesprochen, er war ein begehrtes Kaufobjekt, Schalke hatte viele Konkurrenten, und jetzt durfte sich Magath freuen, `dass er gezeigt hat, was für ein Riesentalent er ist – das war bisher ja nicht zu sehen`.“

Thomas Klemm (FAZ) zeigt sich indes mehr und mehr überzeugt von der neuen Schalker Angriffsabteilung: „Vor allem aber zeigte die rundumerneuerte Offensivabteilung, dass ihr Findungsprozess in die nächste Phase eingetreten ist. Nach verzagtem Beginn gegen die anfangs selbstbewussteren Portugiesen gab Jurado den Takt vor und lieferte einige Ideen, Raúl findet langsam seine Rolle als Fußball-Freigeist in Vorbereitung und Abschluss, und im Sturmzentrum profiliert sich Huntelaar als verlässlicher Vollstrecker. Dazu fügte sich Jefferson Farfan, der in seinen zwei zurückliegenden Schalker Jahren im Guten wie im Schlechten für Überraschungen gut war, gegen Benfica mit Kampf und Können in die neue Offensivabteilung ein. Obwohl Geld bekanntlich nicht stinkt, scheint Magath das richtige Näschen für den sportlichen Wert seiner Neuwerbungen besessen zu haben. 14 Millionen Euro hatte Schalke für Huntelaar bezahlt, der sich bei Real Madrid nicht durchsetzen konnte und auch beim AC Mailand nicht glücklich wurde. Eine Million weniger mussten die Königsblauen für Jurado berappen, um ihn von Atletico Madrid loszueisen. Dazu kam die Verpflichtung Raúls, der zwar keine Ablöse kostete, aber ein stattliches Gehalt einstreicht. Nun sind die drei dabei, die hohen Investitionen in kleinen Raten zurückzuzahlen.“

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Kommentare

2 Kommentare zu “Ein Bild des Jammers und griechischer Widerstand”

  1. Ulfert
    Sonntag, 3. Oktober 2010 um 16:50

    „Während die Bremer nach ihrer Pleite auch nach dem Spiel für Unmut sorgen“

    Ähm – welcher Unmut genau? Das, was Frank Hellmann da an Skandälchen gewittert hat? Andere Anhaltspunkte finde ich hier grade nicht.

  2. Kai Butterweck
    Montag, 4. Oktober 2010 um 09:40

    Auch wenn es in heutigen Zeiten schon selbstverständlich erscheint, dass die Fans ihren Idolen tausende Kilometer nachreisen, so kann man sich dennoch, auch im Falle einer bitteren Niederlage, respektvoll verhalten. Ein Skandal würde ich das Verhalten der Bremer nicht nennen, aber etwas erbärmlich war es schon. Mehr Anhaltspunkte für Unmut nach dem Spiel gab es nicht, aber für mich Grund genug im Teaser darauf hinzuweisen.

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