Champions League
Legende Nummer 7
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| Freitag, 22. Oktober 2010Mit 68 Treffern in der Champions League thront Schalkes Stürmer Raul jetzt auf Rang 1 aller europäischen Torschützenlisten; der Erfolg gegen Tel Aviv weckt bei den Knappen spürbar neuen Mut; Werder Bremen muss nach dem 1:1 bei Twente Enschede zulegen
Oliver Müller (Welt) betitelt Raul großzügig als Meister aller Klassen: „Es wird hinsichtlich der Europapokaltore ja mit zahlreichen Statistiken hantiert, es gibt die mit Uefa-Cup und die ohne, die mit Supercup und die ohne, die mit Qualifikation und die ohne. Allen ist nun eines gemeinsam: Sie werden angeführt von Raul Gonzalez Blanco. Bereits vor einem Jahr hatte er bei Real Madrid Alfredo di Stefanos Bestmarke überboten und sich beim Klub seines Lebens mit 317 Treffern als erfolgreichster Torschütze der Geschichte verewigt. Nun hat er sich einen weiteren Traum erfüllt, einen der ihn immer weiter antrieb, bis nach Schalke. Der drohenden Ersatzbank in Madrid zog er die Herausforderung vor, den mythischen Gerd Müller und Zeitgenossen wie Filippo Inzaghi, Ruud van Nistelrooy oder Andrej Schewtschenko ein für alle Mal abzuhängen.“
Jörg Strohschein (Tagesspiegel) betont die Therapiewirkung der Champions League für Schalke, denn „das gesamte Team dürfte nach diesen verdienten Erfolg gegen die zeitweilig vor allem in der Defensive überforderten Israelis Erleichterung empfinden.“ Vor allem Raul hätten das Spiel und die beiden Tore einen deutlichen Schub gegeben: „Wie befreiend ein solches Erfolgserlebnis sein kann, zeigte er dann prompt in der zweiten Hälfte, als er ungewohnt leichtfüßig nach einer schönen Kombination über die linke Seite seinen zweiten Treffer (58.) folgen ließ und seine europäische Bilanz auf 68 Treffer erhöhte. Erstmals in dieser Saison konzentrierte sich der Spanier darauf, sich auf seine Stärken in der Angriffsspitze zu konzentrieren und vermied es weitgehend, sich im Mittelfeld Bälle abzuholen und damit unnötige Kräfte zu verschwenden.“
Schalke zeigt Gesicht
Roland Zorn (Faz.net) erkennt nun eine deutliche Entwicklung auf Schalke: „Endlich hat der FC Schalke 04 nach kargen Wochen ein großes Versprechen an seine Fans gemacht. Spielerisch wie kämpferisch stark und dazu mit ein paar Extradelikatessen für den Fußballfeinschmecker angereichert, verwandelte der Drittletzte der Bundesliga die Champions-League-Begegnung der Gruppe B gegen Hapoel Tel Aviv in eine Demonstration der eigenen Lust am Fußball.“ Dabei lobt er besonders das Spiel nach vorne: „Ob Raúl, Huntelaar, Farfan oder Jurado: Die Schalker Offensivkräfte konnten sich in ihrer Spielfreude ziemlich ungehindert austoben. Erstmals in dieser bislang so zäh verlaufenen Spielzeit griff bei Magaths Auserwählten ein Rädchen ins andere, wurde das Tempo hochgehalten und ließ die Konzentration nicht nach.“
Veränderung bietet Chancen
Nach der Verletzung Tim Wieses aus dem Enschede-Spiel möchte Frank Hellmann (FR) Bremens neuen Ersatztormann Sebastian Mielitz durchaus öfter sehen: „Am liebsten wäre Sebastian Mielitz unerkannt mit seiner ledernen Kulturtasche in die Nacht entkommen. Der 21-Jährige verspürte zunächst wenig Neigung, direkt vor der rot getünchten Ahnentafel des FC Twente Enschede auszuharren, um im Schatten der Konterfeis von Ronald de Boer oder Youri Mulder ein Statement abzugeben. Aber natürlich darf einer nicht wortlos im Bus verschwinden, der auf verantwortungsvoller Position in der Königsklasse unverhofft debütiert hatte.“ Nach der Schambeinverletzung Christian Vanders und Tim Wieses voraussichtlich zehntägigem Ausfall wegen einer Innenbanddehnung im rechten Knie, erwartet er nun mehr Auftritte des leichtgewichtigen Torwarts (73 Kilo bei 1,88 Meter): „Zeit zur Abkühlung bleibt kaum: am Samstag in Mönchengladbach, am Dienstag im Pokal bei den Bayern, danach Heimspiele gegen Nürnberg und wieder Enschede. Mielitz ist mittendrin statt nur dabei.“
Kai Niels Bogena (Welt) reflektiert die Bremer Taktik: „Selbst ohne Wiese hatten die Bremer beim holländischen Meister gepunktet – auch dank einer ungewohnten Taktik. Trainer Thomas Schaaf hatte seinem Team eine defensivere Ausrichtung als sonst verordnet, um die zuletzt schwächelnde Abwehr zu stabilisieren. Nominell agierten die Bremer zwar mit Claudio Pizarro und Hugo Almeida als Stürmer. Aber nur der portugiesische Nationalspieler stand an vorderster Linie, Pizarro fungierte überwiegend als Spielgestalter. Parallel machten die Norddeutschen die Räume eng, zogen sich immer wieder kompakt zurück und attackierten Twente bereits in der Vorwärtsbewegung.“ Nachdrücklich hebt er die Stärke Pizarros hervor: „Die Begegnung zeigte allerdings auch, wie abhängig die Bremer von Pizarro sind. Selbst in der für ihn ungewohnten Rolle als Spielgestalter war der 32-jährige Peruaner Werders bester Akteur. Pizarro verteilte die Bälle nicht nur effektiv und bereitete den Ausgleich vor, imponierend war auch seine Zweikampfstärke, mit der er Bälle im Mittelfeld eroberte.“
Am Ende gewinnen die Deutschen
Markus Hesselmann (Tagesspiegel) holt abseits des Rasens noch einen Strafstoß für die Deutschen heraus: „Kein Schlitzohr mehr, nirgends. Diese fußballdramaturgische Nebenrolle, in Ernst Hubertys besten Zeiten meist südländisch besetzt, wurde aus dem Rasen-Ensemble gestrichen – zusammen mit dem Bomber und dem Fliegenfänger. Einen Strafstoß – sagen wir mal vorsichtig – zu verursachen, wird bei uns anerkennend vermerkt: Von der U17 des FC Bürgstadt („Elfmeter herausgeholt von Dominik“) bis zu Thomas Müller in der Champions League. Einschlägige Statistiken listen Elfmeterherausholer als Torvorbereiter auf. Das fröhliche Herausholen ist eine deutsche Tugend. Ein Schwenk in andere Ligen legt das nahe. In England gibt es zwar den Ausdruck „to win a penalty“. Doch der wird fast immer in Zusammenhang mit der Kritik an einer Schwalbe („dive“) verwendet. Und „Diver“ (Taucher, Springer) sind auf der Insel Schwerkriminelle. In Spanien wird der Strafraum für Elfmeter-Taucher sogar zum Schwimmbad („piscina“). Herausgeholt wird da allerdings nichts. Und Italien? Mein ebenso sprach- wie fußballkundiger Gewährsmann nennt das Wort „provocare“, dem allerdings jeder positive Unterton fehle.“