Bundesliga
FC Trostlos
| Dienstag, 26. Oktober 2010Die Presse beschäftigt sich eingehend mit der Trainerentlassung in Köln und sieht die Schuldigen überall sitzen, nur nicht auf der Trainerbank
Thomas Kilchenstein (FR) macht den Kölner Anhängern wenig Hoffnung auf bessere Zeiten: „Ein Sündenbock also ist gefunden, der Boulevard ist zufrieden. Aber an den Ursachen des Kölner Niedergangs wird mit der Freistellung nicht gekratzt. Es läuft ja seit einigen Jahren schon nicht mehr rund beim einst ruhmreichen FC Kölle. Da ist die wirre Transferpolitik des Managers Michael Meier mit vielen abgehalfterten Stars (Maniche, Petit), die wenig Leistung brachten, aber viel Geld abschleppten, Geld, das für eine sinnvolle Verstärkung fehlte. Da ist ein Team, in dem es nicht stimmte (Novakovic), in dem sich ein 39 Jahre alter Torhüter (Mondragon) zu gut für die Ersatzbank fühlte und in dem der angebliche Heilsbringer Lukas Podolski fast schon zur traurigen Figur geworden ist. In einem aber hat Podolski Recht: mit seiner Generalkritik am Klub. Von einer klaren Linie ist beim FC schon seit langem nichts zu spüren. Aber die Probleme sind hausgemacht − und lassen sich durch rollende Trainerköpfe allein nicht lösen.“
Narrenkappe nicht vergessen
Daniel Müksch (Focus Online) rät dem zukünftigen Trainer der Domstädter schon im Vorfeld zu einer ungewöhnlichen Anzugsordnung: „Die Entlassung von Zvonimir Soldo hat kaum noch jemanden überrascht. Sie ist nur der Höhepunkt einer beispiellosen Kölner Talfahrt. Und Soldo der Sündenbock. So funktionieren die Mechanismen im System Profi-Fußball. Doch die Verantwortung für die Kölner Chaos-Wochen verteilt sich auf zahlreiche Schultern. Egal, wer in der Domstadt neuer Trainer wird, eines sollte der neue Übungsleiter auf jeden Fall mitbringen: eine Narrenkappe. Die trägt beim 1. FC Köln in der Regel der Trainer. Bis ein neuer Hofnarr kommt.“
Christian Löer (Berliner Zeitung) weist auf die Philosophie von Interimscoach Frank Schaefer hin und bezweifelt deren Umsetzung innerhalb des momentanen Kölner Mannschaftsgefüges: „Frank Schaefer firmiert beim Tabellenletzten offiziell als Interimstrainer. Einem Mann aus den eigenen Reihen das Vertrauen auszusprechen, wie es etwa Mainz 05 mit Thomas Tuchel getan hat, ist in Köln undenkbar. Bevor man das Risiko eingeht, mit einer billigen Lösung Schiffbruch zu erleiden, scheitert man lieber mit Grandezza. Die Forderung nach aktivem Spiel setzen die Mannschaften von Frank Schaefer mit immensem Aufwand um. Schaefers Fußball wird bestimmt von endlosen Sprintfolgen, seine U 23 gilt als die fitteste Mannschaft beim 1. FC Köln. Voraussetzung für seine Art Fußball sei `Begeisterung und eine gute Atmosphäre`, erklärte der Trainer Schaefer. Fraglich ist allerdings, ob er das mit dem aktuellen Kölner Kader umsetzen kann. Begeisterungsfähigkeit und Opferbereitschaft haben im Charakterprofil der Kölner Mannschaften jedenfalls zuletzt eher untergeordnete Rollen gespielt.“
Erbärmliches Missmanagement
Stefan Osterhaus (NZZ Online) nennt die Dinge beim Namen und rückt Manager Michael Meier in die Schusslinie: „Der 1. FC Köln liegt darnieder. Am Sonntag entliessen die Rheinländer ihren Trainer Zvonimir Soldo, der es in dieser Saison nicht verstanden hatte, die Mannschaft zu stabilisieren, was allerdings auch eine sehr schwierige Aufgabe ist. Nur wenige Kader sind so fahrig zusammengestellt wie jenes der Kölner. Schon im letzten Jahr kam der Abstiegskampf bedrohlich nahe. Der Volkstribun Lukas Podolski wagte sich zuletzt hervor und übte heftige Kritik, obschon seine Saisonleistung ebenso überschaubar ausfällt wie die des gesamten Teams. Podolskis Einwände wurden ebenso heftig diskutiert, wie die Äusserungen Wayne Rooneys über seinen Arbeitgeber Manchester United in England debattiert wurden. In Soldo wurde nun der Sündenbock gefunden, dabei kann der FC in Gestalt von Michael Meier auf ein exquisites Missmanagement verweisen. Die Performance des Mannes, der in Dortmund einst Moneten-Meier genannt wurde, ist angesichts der Möglichkeiten erbärmlich.“
Dirk Graalmann (derwesten.de) kommt mit düsteren Aussichten daher: „Die Probleme des FC liegen weitaus tiefer. Sie lassen sich mit dem gängigen wie einfallslosen Reflex des Trainerwechsels nicht dauerhaft lösen. Dem FC fehlt es so ziemlich an allem: Geld, einer intakten Struktur, Disziplin und vor allem einer Leitidee, der sich dieser Klub mittelfristig verschreibt. Dass es gelingen kann, mit noch weniger Geld eine größere Wirkung zu erzielen, führen Mannschaften wie Mainz oder Freiburg gerade wieder einmal vor. Dafür verweisen die Klub-Verantwortlichen gern auf ihr volles Stadion, die tolle Stimmung auf den Rängen – und auch in der kommenden Saison sicher wieder erstklassige Einschaltquoten. Wenn der FC aber nicht bald anfängt zu punkten, können die Kölner Fans ihren Lieblingsverein bald wieder im Free-TV sehen – am Montagabend auf Sport 1: beim Zweitliga-Spiel der Woche.“
Die kölsche Lösung
Philipp Selldorf (SZ) erklärt den Hintergrund der Präsentation von Interimscoach Schaefer und Assistent Lottner: „Die kölsche Lösung galt in Köln lange Zeit als Tugend und Trumpf der kölschen Mentalität. Sie sieht so aus, dass man bei der Wahl zwischen zwei harten Entscheidungen, beim Abwägen von Für oder Wider, eine dritte Lösung findet. Man löst dadurch zwar nicht das Problem, befriedigt aber irgendwie beide Seiten. Am Montag betraten im Geißbockheim zwei Männer das Podium, die als Verkörperung einer typisch kölschen Lösung gelten müssen. Das alles klingt womöglich nach einer bequemen, innerbetrieblichen Notlösung, doch die Qualifikation der beiden Männer muss sich nicht zwangsläufig auf die Gnade ihrer Herkunft beschränken.“
Kommentare
2 Kommentare zu “FC Trostlos”
Dienstag, 26. Oktober 2010 um 13:53
Jetzt wartet doch mal ab, ihr Sänger des Untergangs: Frank Schaefer ist ein richtig guter Trainer und ein richtig guter Trainer hat durchaus größere Chancen als ein unstrukturierter Trainer wie Soldo, mit einem vermurksten Team den Klassenerhalt zu schaffen.
Dienstag, 26. Oktober 2010 um 22:26
Ich wünsche mir ja auch eine schöne FC-Zukunft.
Aber ob das was wird?
Der Anfang gegen 1860 ist gemacht worden.
In der Hoffnung auf weitere Schritte nach oben
verbleibt
anderl