indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

DFB-Pokal

Crazy Cup

Matthias Nedoklan | Mittwoch, 27. Oktober 2010 7 Kommentare

Die Bayern duseln sich gegen Bremen zurück zu alter Stärke, Schalke zittert sich zum Sieg und die Hertha verpasst traditionell die Chance auf ein Finale im eigenen Stadion.

Christian Eichler (FAZ) begrüßt die Rückkehr eines alten Bekannten: „Den Bayern mögen noch so viele Spieler zuletzt ausgefallen sein, in dieser Phase half ihnen ein guter alter Mitspieler, der in den letzten Spielen wieder einen Stammplatz hatte: der Bayern-Dusel. Bayern-Trainer Louis van Gaal ahnte, dass das allein aber nicht reichen würde. Er tauchte gestikulierend an der Außenlinie auf, ein seltener Anblick. Das wirkte wohl stimulierend auf Bastian Schweinsteiger. Mit herrlicher Schusstechnik hämmerte er den Ball unter die Latte, spurtete zu van Gaal und sprang ihm in die Arme. Es war das Bild des Abends und eine Botschaft zugleich an den Rest von Fußball-Deutschland: Die Bayern sind wieder da.“

Sebastian Krass (Tagesspiegel) schreibt den Bayern-Sieg Bastian Schweinsteiger zu: „Er hatte ein wenig Zeit und Raum, sich zu sammeln, dann zog er ab, und einen Wimpernschlag später schwamm er in einem Jubelmeer. Das musste doch reichen. Denn nun führte der FC Bayern endlich in seinem Heimspiel in der zweiten Pokalrunde gegen Werder Bremen – der Neuauflage des vergangenen Pokalfinales, das die Münchner auch gewonnen  hatten. Und es reichte.“

Lazarett lichtet sich

Maik Rosner (Berliner Zeitung) sieht den Rekordmeister auf dem Weg zu alter Stärke: „Für die Münchner bedeutete der Rückstand, in ernsthafte Gefahr zu geraten, erstmals nach 19 Jahren wieder ein Pokalspiel zu Hause zu verlieren. Dagegen sprach allerdings das durchaus couragierte Auftreten der Bayern, bei denen Daniel van Buyten und Miroslav Klose zunächst zumindest wieder auf der Bank saßen. Das Lazarett der von einer Verletzungsmisere gebeutelten Mannschaft lichtet sich also allmählich, und auch die Reaktion auf den Rückstand versprach Besserung des Befindens.“

Michael Wittershagen (FAZ) beschreibt einen Schalker Pflichtsieg: „Magath hatte auf kaum einen seiner Stars verzichtet. Nur den Spanier Raúl saß auf der Bank, Innenverteidiger Metzelder fehlte wegen einer Verletzung im Kader. Was er forderte, hatte er zuvor unmissverständlich geäußert: „Einen deutlichen Sieg.“ Magath wollte es nicht einfach so hinnehmen, dass einige seiner Profis nach der Begegnung bei der Frankfurter Eintracht am Samstag noch bis weit in die Nacht hinein in einer Bar feierten und erst gegen vier Uhr am Morgen ins Mannschaftshotel zurückgekehrt sein sollen.Wer nun allerdings eine Reaktion und einen Klassenunterschied erwartete hatte, wurde enttäuscht. Die Schalker waren zwar ballsicherer, zeigten sich aber ideenlos und uninspiriert im Spielaufbau. Der FSV tat das, was er tun musste, gewann die Zweikämpfe im Mittelfeld und versuchte dann, die Angriffe schnell nach vorne zu tragen. Die Abwehr um Höwedes und Papadopoulos wirkte nicht immer sicher, letztlich fehlte es dem FSV aber zunächst an den Mitteln, sie einmal ernsthaft in Gefahr zu bringen.“

Raul verfolgt Zitterpartie

Jörg Hanau (FR) trauert einer verpassten Pokalsensation hinterher: „Die Schalker sparten ihre Kräfte, standen gut im Raum, ein fußballerischer Klassenunterschied blitzte aber viel zu selten auf. Der FSV spielte mit, zunächst allerdings ohne wirklich für Gefahr vor dem Tor von Manuel Neuer zu sorgen. FSV-Trainer Hans-Jürgen Boysen vertraute im Angriff auf den schnellen, aber wirkungslosen Momar N’Diaye, der die Schalker Abwehr – ohne den nicht einmal im Kader stehenden Christoph Metzelder – im ersten Durchgang nie ernsthaft in Verlegenheit bringen konnte. Schalkes spanischer Superstar Raul verfolgte das schaurige Spiel seiner Kollegen nur aus der Ferne. Der Toptorjäger der Champions League lief sich 90 Minuten lang lediglich warm und musste tatenlos mitansehen, wie der FSV in der zweiten Halbzeit immer stärker wurde. Mit etwas Glück wäre für den FSV sogar mehr drin gewesen. Wenigstens die Verlängerung, wenn nicht sogar eine Pokalüberraschung. Wer weiß, welche Wendung das Spiel genommen hätte, wäre ein Schuss von Mike Wunderlich kurz nach dem Wechsel nicht knapp über die Latte gesegelt. Oder hätte Benedikt Höwedes kurz darauf den Ball in höchster Not vor dem einschussbereiten N‘Diaye in den Bornheimer Nachthimmel gezimmert.“

Philipp Selldorf (Süddeutsche.de) stört nur das Fußballspiel an einem lauen kölschen Abend :  „Bis auf das Fußballspiel war es ein angenehmer Abend in Köln-Müngersdorf. Die Luft war frisch, der Lärm hielt sich in Grenzen, schließlich war das Stadion nur halb gefüllt. Zumindest die beiden Fankurven waren voll, zum Nachteil des Kölner Managers Michael Meier. In loser Folge vertrieben sich die FC-Fans die Zeit damit, auch seine Entfernung aus dem Amt zu fordern. Gelegenheit zur Nebenbeschäftigung gab es reichlich, denn das Spiel war nur insofern aufregend, als dass man sich über seine Qualität ärgern konnte. Es wimmelte von Missverständnissen, Fehlpässen und resoluten Vorstößen ins Nichts. In dieser Beziehung war der Erstligist dem Zweitligisten überlegen, ansonsten weniger.“

Magaths Geiz schadet Aachen

Bernd Müllender (Berliner Zeitung) blickt im Spiel zwischen Mainz und Aachen auf einen Spieler„Im Fokus wird heute das Mainzer Talent Lewis Holtby stehen. Sein Verkauf im Sommer 2009 nach Schalke brachte Alemannia mit fast drei Millionen Euro einen Vereinsrekord. Sollte Holtby, damals 18, in der ersten Saison zehn Spiele bestreiten, wurden Nachschläge vereinbart, sollte er gar Nationalspieler werden, noch mal 500000 extra. Felix Magath lieh Holtby nach neun Einsätzen an Mainz aus: keine zehn Spiele für S04, kein Geld.“

Jörg Runde (Tagesspiegel) vermeldet, dank der traditionellen Berliner Pokalschwäche, das Unvermeidliche : „Dass es eine so heiße Nummer werden würde, kam nicht nur für die 400 mitgereisten Berliner Fans überraschend. Auch die in rot-weiß gekleideten Hertha-Profis wirkten, als hätten sie die Aufforderung des Zehnten der 3. Liga zu einem fröhlichen Tänzchen nicht wirklich ernst genommen. Kein Herthaner erreichte Normalform. Vor 7015 Zuschauern im Stadion Oberwerth spielte nur eine Mannschaft: TuS Koblenz.“

freistoss des tages

Zitterpartie (via Amazon)

Kommentare

7 Kommentare zu “Crazy Cup”

  1. laberlaib
    Mittwoch, 27. Oktober 2010 um 13:13

    Der freistoss des Tages ist leider von der yt-seite entfernt worden.
    Welches Video war es den?

    Des weiteren ist ein Absatz doppelt beim Beitrag „Bernd Müllender (Berliner Zeitung)“.

    Grüsse, weiter so.
    laberlaib
    €: Editierfunktion geht ab!

  2. Ulfert
    Mittwoch, 27. Oktober 2010 um 19:34

    Vllt weiß das hier jemand: Ist es Politik des DFB, Schwalben im Strafraum nicht zu bestrafen? Müller, Edu, Diego. Drei Schwalben, dreimal gesehen vom Schiri, dreimal keine Karte.

  3. anderl
    Donnerstag, 28. Oktober 2010 um 10:02

    @ Ulfert:
    Was ist eine Schwalbe und was ist Hinfallen?

    Ich habe oft genug Spiele gesehen, in denen ein Stürmer einen Sprint übers halbe Spielfeld hinlegt und dann letztlich nach einem Zweikampf sich hinfallen lässt oder noch stolpert, nicht strafwürdig berührt wurde und sich dann hinfallen lässt. Einfach, weil er enttäuscht ist oder einfach aus Gründen der Schwerkraft.
    Daraufhin zeigt ihm der Schiri gelb. Und der Mund des Spielers steht genau so ungläubig offen wie meiner als Zuschauer.
    Der Stürmer fordert keinen Elfer und hat auch keinen provoziert.
    Dass es natürlich anders sein kann und oft so ist, will ich gar nicht bestreiten.

    Jedoch darauf hinweisen, dass der Schiri zwar eine Körperberührung des Gegners als Ursache fürs Hinfallen erkennen kann, diese aber nicht als bestrafungswürdig anerkennt.

    Nicht jeder Fall ist so klar wie der Möllersche anno 199x …

  4. Matthias Nedoklan
    Donnerstag, 28. Oktober 2010 um 10:46

    @laberlaib es war der „Stahlhammer“ von Michael Stahl in der Partie Koblenz gegen die Hertha

  5. Ulfert
    Donnerstag, 28. Oktober 2010 um 17:01

    @anderl: Schon klar, nicht jedes Hinfallen was kein Elfmeter ist ist eine Schwalbe. Was mich halt wunderte war dass es gleich 3x bei sehr eindeutigen Szenen und auch eindeutigen Gesten der jeweiligen Schiedsrichter keine Karten gab.

    Edu fällt hin, offensichtlich ohne berührt zu werden. Das war aus der Richtung des Schiris gut zu sehen. Der Schiri winkt auch sofort ab. Edu springt auf und meckert lautstark – alleine dafür schon ne gelbe Karte.

    Diego fällt spektakulär, der Ball ist weg. Der Schiri hat nur 2 Möglichkeiten: Entweder wird Diego berührt, dann ist es nen Elfer, oder nicht, dann ist es ne Schwalbe. Es war offensichtlich dass Diego da fallen wollte, und der Schiri hat es als „keine Berührung“ ausgelegt. Also sollte man das auch bestrafen.

    Müller springt hoch und fällt dann in der Hoffnung berührt zu werden, wird es aber nicht. Auf dem Boden hält er sich dann die Nase um so zu tun als wäre er nicht grundlos gefallen. Dann steht er auf und spielt weiter – imho noch der unklarste Fall (im warsten Sinne des Wortes).

    Was mich daran halt so ärgert ist, dass ein Täuschungsversuch keine Konsequenzen hat, eine erfolgreiche Täuschung aber ziemlich sicher schon. Selbst die Gelbe Karte für den Täuschungsversuch ist ja erstmal ohne Konsequenzen, aber es wäre immerhin ne sehr deutliche Warnung.

  6. Frank Paikert
    Donnerstag, 28. Oktober 2010 um 20:37

    @ Ulfert
    Schau dir doc bitte noch mal die Wiederholung an dem Foul an Müller an. Er hat den Arm seines Gegenspielers ins Gesicht und auf die Nase bekommen. Das tat weh, und er hat ich halt fallen lassen. Natürlich kein Elfmeter, aber er wollte auch keinen schinden. Das war eher so ein Reflex.

    Ich beneide keinen Schiedsrichter um seinen Job, denn er hat keine 3 SlowMos aus verschiedenen Blickwinkeln.
    Und selbst bei solchen Hilfsmitteln bewerten viele Kommentatoren die Situation nicht richtig.
    Ich empfehle jedem die DVD „Refreees at work“

    Ich schimpfe nie mehr über Schiedsrichter.

  7. Ulfert
    Sonntag, 31. Oktober 2010 um 18:12

    Hmmm – ok, die Berührung hab ich nicht gesehen. Fällt man bevor man getroffen wird, wenn man nix schinden will? Aber na gut, kommt vor. Das ändert allerdings nix an meiner grundsätzlichen Fragestellung. Mir gings ja auch nicht nur explizit um Müller, sondern um die zufällig Häufung solcher Fälle am Dienstag.

    Ich mecker übrigens jetzt besonders gerne über diejenigen die den Schiris Hilfe verweigern. Wobei der Schiri beim Tor von Prödl zB keiner Hilfe bedurft hätte. Aber das ist ein anderes Fass 😉

    Und ja, Kommentatoren bewerten oft Situationen nicht richtig, auch nach der dritten SloMo. Deswegen soll da ja imho auch nen Schiri vom DFB/UEFA/FIFA an die Monitore wenn es mal soweit kommen sollte, und nicht Marcel Reif. Nur weil es nicht perfekt geht heißt es ja nicht dass es wesentlich besser ginge.

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