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Internationaler Fußball

Andere Länder, andere Sitten

Kai Butterweck | Dienstag, 16. November 2010 Kommentare deaktiviert für Andere Länder, andere Sitten

In den europäischen Ligen geht es derzeit hoch her: In Spanien hält ein Trainer einen Rekord für die Ewigkeit, in Mailand beobachtet die Presse einen Rollentausch der Vereine und in Russland regiert das Geld. Außerdem: Turbulenzen beim FC Chelsea

Christian Eichler (FAZ) adelt  José Mourinho: “In der Regel ist es nicht förderlich für eine Karriere, wenn Kollegen oder Kunden sagen: Der hat seine Stärken zu Hause. Zum Glück gibt es Berufe, in denen das anders ist. Fußballer zum Beispiel. Wer am Ball ein erfolgreicher Heimwerker ist, macht sich schon mal bei den wichtigsten Kunden beliebt, nämlich den eigenen Fans. Dabei ist der erfolgreichste Heimwerker der Welt gar kein Spieler, sondern ein Chef, ja der Drei-Sterne-Chef der Branche. José Mourinho hält einen Rekord für die Fußball-Ewigkeit, der sich alle zwei Wochen verlässlich verbessert. Seit dem 23. Februar 2002, als er mit dem FC Porto 2:3 einem gewissen SC Beira-Mar unterlag, hat Mourinho mit seinen Teams kein einziges Liga-Heimspiel mehr verloren: 38 mit Porto, 60 mit Chelsea, 38 mit Inter Mailand, dazu bisher fünf mit Real Madrid. Macht zusammen 141, Tendenz steigend. Wie es Mourinho schafft, sich unbeliebt zu machen, und wie er dabei taktische Vorteile sucht, das kann man noch nachvollziehen. Aber woher kommt diese unglaubliche Heimstärke? Mourinho behauptet, es selber nicht zu wissen. Er tue nichts, um die Serie zu retten, und werde beim Stand von 0:0 kurz vor Schluss in einem Heimspiel immer Risiken eingehen, um zu gewinnen, statt das Remis zu sichern. Dass sie offenbar nur bei ihm aufgeht, zeigen die Resultate seiner letzten Klubs vom Wochenende: Chelsea, der Meister und Tabellenführer in England, kam zu Hause an der Stamford Bridge gegen Sunderland 0:3 unter die Räder. Und Inter, der italienische Meister und Champions-League-Sieger, verlor zu Hause gegen AC Mailand 0:1.“

Der erste Trainer der sich traut

Tom Mustroph (NZZ Online) berichtet über das Mailänder Derby und stellt einen Rollentausch der Vereine fest: „Inter ist nun nicht nur auf sechs Punkte distanziert. Auch die Rollen der Stadtrivalen sind vertauscht. Der AC Milan hat der Trainer Massimiliano Allegri zu Strukturen verholfen. Nach anfänglichem Zögern entschloss er sich sogar zu Schritten, zu denen ihm die Fachwelt geraten hatte. Aber kaum jemand hätte sich an seiner Stelle getraut, sie auch auszuführen: Allegri ignorierte einfach Silvio Berlusconis öffentlich verbreitete Ideen über die Mannschaftsaufstellung. Der Trainer widersetzte sich den präsidialen Vorgaben nicht laut, zog aber stoisch seine Linie durch. Seit einigen Spieltagen befindet sich aus taktischen Gründen immer mindestens einer von Berlusconis Lieblings-Brasilianern auf der Bank.“

Russlands Fußball auf dem Prüfstand

Andreas Rüttenauer (taz.de) blickt derweil skeptisch nach Russland: „Der Fußball in der Russischen Föderation steht an diesem Tag auf dem Prüfstand. Dem wird immer wieder ein goldene Zukunft prophezeit. Das liegt an den großen Summen, die staatliche Konzerne, Regionalregierungen und potente Mäzene in die Ligaklubs stecken. Zenit St. Petersburg, der neue Meister, gilt in dieser Hinsicht als beispielhaft. Seit der Staatskonzern Gazprom den Klub 2005 übernommen hat, entwickelte sich der Fußball in St. Petersburg in einem enormen Tempo. 2007 wurde Zenit Meister. Der russische Fußball brummt, so könnte man meinen. Doch die Zuschauerzahlen sprechen eine andere Sprache. Da werden Stars angelockt, denen bei einer Einkommensteuer von lediglich 13 Prozent viel bleibt von ihren hohen Gehältern, und kaum einer interessiert sich so recht dafür.  Es gibt noch einen weiteren sportlichen Grund, die Premier Liga mit Skepsis zu betrachten. Immer wieder wird über Spielmanipulationen spekuliert. Doch untersucht werden die verdächtigen Vorfälle selten.  St. Petersburgs Meisterschaft scheint in dieser Hinsicht unverdächtig zu sein. Da hat man andere Probleme. Immer wieder schockieren Berichte über die offen rechtsradikalen Hooligans des Vereins die Öffentlichkeit. Doch nichts Genaues soll man darüber erfahren. Dafür sorgen die Behörden. Schließlich soll 2018 in St. Petersburg ein WM-Halbfinale stattfinden.“

Es rumort beim FC Chelsea auch hinter den Kulissen

Hanspeter Künzler (NZZ Online) sorgt sich um die `Blues` von der Insel: „Es war eine der bemerkenswertesten Premier-League-Partien der letzten Jahre. Sunderland – überraschend mit zwei Stürmern angetreten – zeigte einen Vorwärtsdrang, dem Chelsea nicht gewachsen war. Der Torhüter Cech hatte bereits drei Glanzparaden demonstriert, ehe die Gäste mit einem herrlich herausgespielten Treffer des jungen Verteidigers Onuoha in Führung gingen. Danach spielten sie sich regelrecht in Trance. Keine Sekunde sah es aus, als ob Chelsea die Niederlage abwenden könnte. Es war nach dem 0:2 gegen Manchester City Chelseas zweite Niederlage innert einer Woche. Auch hinter den Kulissen rumort es plötzlich. Ganz überraschend hiess es letzte Woche, Ancelottis Nummer zwei, der Engländer Wilkins, verlasse den Verein mit sofortiger Wirkung. Wilkins erklärte, sich hintergangen zu fühlen. Er galt als besonnener Taktiker und als Bindeglied zwischen dem Neuankömmling aus Italien und dem Londoner Verein. Dass er nun fallengelassen wurde, deutet auf einen Konflikt mit dem Klubbesitzer Abramowitsch hin, oder auf einen von Ancelotti selber gewünschten Kurswechsel.“

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