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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Deutsche Elf

Trostloser Jahresabschluss

Kai Butterweck | Donnerstag, 18. November 2010 Kommentare deaktiviert für Trostloser Jahresabschluss

Die deutsche Nationalelf kommt gegen bieder verteidigende Schweden über ein torloses Remis im letzten Spiel des Jahres nicht hinaus. Die Presse kommt dennoch zum Gewinn neuer Erkenntnisse

Birger Hamann (Spiegel Online) freut sich über Kleinigkeiten: „Die Youngster durften ran, verletzt hat sich niemand, und zum Abschluss des Länderspieljahres 2010 gab es keine Niederlage: In der Partie der deutschen Nationalmannschaft gegen Schweden waren es die kleinen Dinge, die positiv stimmten. Doch so viel Euphorie diese jungen Spieler in der Bundesliga in dieser Saison bislang verbreitet hatten, so glanzlos blieb weitgehend ihr Auftritt im DFB-Dress. Ihnen deswegen einen Vorwurf zu machen, wäre allerdings unredlich, denn es waren die Schweden, die mit ihrer destruktiven Spielweise eine ansehnliche Partie verhinderten.“

Lewis Holtby mit guten Ideen und Mut

Sven Goldmann (Tagesspiegel) lobt den Auftritt von Lewis Holtby: „Dass so lange so wenig Aufregendes geschah im gerade mal zur Hälfte gefüllten Ullevi, war nicht so sehr den jungen Deutschen geschuldet. Sondern dem zurückhaltenden Stil der Schweden, deren Motivation in erster Linie darin zu bestehen, den Deutschen den Spaß am Spiel zu nehmen. Konstruktives zur Steigerung der Qualität hatten sie kaum beizutragen, so dass sich die deutsche Mannschaft ganz allein dazu aufgefordert sah, den an ein Fußballspiel gestellten ästhetischen Ansprüchen zu genügen. Dabei tat sich vor allem Lewis Holtby hervor. Der 20-jährige Mainzer spielte genauso unbekümmert, wie er es in den vergangenen Wochen in der Bundesliga gezeigt hat. Holtby war mal links, mal rechts und am häufigsten in der Mitte, er hatte gute Ideen und Mut. Das Debüt in Göteborg dürfte nicht sein letztes Länderspiel gewesen sein.“

Lars Gartenschläger (Welt Online) befürwortet die Philosophie des Bundestrainers: „Mit Löw, das sollten die jungen Spieler registriert haben, gibt es einen Trainer, der ihr Talent würdigt und ihnen Perspektiven aufzeigt. Aber es liegt an jedem Einzelnen, sich zu empfehlen. Denn so vehement Löw die Jugend auch fördert, so rigoros sortiert er Spieler wieder aus, die nicht an sich arbeiten. Wohin der Weg von Talenten unter der Regie von Löw führen kann, hat nicht zuletzt die WM in Südafrika gezeigt, bei der die deutsche Mannschaft die Fußballwelt mit attraktivem Offensivspiel verzückte. Löw ist seit Monaten dabei, eine gute Basis für eine erfolgreiche Zukunft zu schaffen. Dass er mit seinen Ideen und Konzepten richtig liegt, beweisen nicht nur die Ergebnisse. Er hat im Ausland sogar Nachahmer gefunden. Die Engländer oder Franzosen nehmen sich mittlerweile ein Beispiel an Deutschland und setzen nun ihrerseits verstärkt auf den Nachwuchs.“

Nur begrenzte Erkenntnisse für Löw

Marko Schumacher (Stuttgarter Zeitung) vermisst neue Erkenntnisse: „Frischen Schwung brachten aber auch die Himmelsstürmer der bisherigen Bundesligasaison nicht. Deshalb wird Löw nur begrenzte Erkenntnisse mit nach Hause nehmen. Zwar kann er die Hochbegabten durch die gemeinsamen Tage in Schweden nun persönlich besser einschätzen, aber es hat sich auch gezeigt, dass die vom Bundestrainer angestoßene Jugendbewegung weitere Tauglichkeitstests benötigt, um sich als echte Alternativen aufzudrängen.“

Michael Horeni (FAZ) gelangt zu perspektivischen Einsichten: „Ohne zahlreiche Stammkräfte und einem halben Dutzend neuer oder zuvor kaum eingesetzter Talente präsentierte sich das Team von Löw gegen die Schweden zwar jederzeit gleichwertig, teils auch überlegen, aber nicht dominant und in jeder Minute leidenschaftlich entschlossen, die allerletzten Kräfte für einen letzten Erfolg zu mobilisieren. Dass die Testpartie zu einem Auftritt von spielerischer Extraklasse werden würde, hatte man angesichts der zahlreichen Personalveränderungen ohnehin nicht erwarten können. Dass aber auch dieses Team locker gegen die Schweden mithalten konnte, und sich damit eine neue Tiefe im Kader und eine größere Konkurrenz um die Plätze bei Löw auftut, dürfte für den Bundestrainer der perspektivisch größte Gewinn des Abends gewesen sein.“

Warum im November nach Schweden?

Matti Lieske (Berliner Zeitung) wundert sich über die Terminabteilung beim DFB: „Hätten an diesem Abend in Schweden nur ein paar Grad Celsius weniger geherrscht, die Zuschauer hätten mit ihren Schlittschuhen ins Ullevi-Stadion kommen können. So aber war es nur ein dünne Eisschicht, der den Vallgraven am Rande der Innenstadt bedeckte, dennoch hätte man sich nicht gewundert, wenn der ein oder andere von der Klimakatastrophe leicht nach Süden verschlagene Eisbär vorbeigekommen wäre. Die meisten Zuschauer hingegen kamen lieber gar nicht, auf den Stadionrängen klafften Riesenlücken. Was den Deutschen Fußball-Bund (DFB) bewogen hat, sein letztes Länderspiel des Jahres mitten im November ausgerechnet nach Schweden und nicht nach Andalusien, Athen, Lissabon oder gleich Thailand zu verlegen, bleibt ein Rätsel. Andererseits war der frostige Schauplatz zum Abschluss dieses WM-Jahres in gewisser Weise eine passende Reminiszenz an den südafrikanischen Winter, der es so gut mit dem Team von Joachim Löw gemeint hatte.“

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