indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Interview

Matthias Sammer – ein Heißsporn mit klaren Vorstellungen

Martin Hauptmann | Montag, 24. Januar 2011 5 Kommentare

Marko Schumacher, Sportredakteur der Stuttgarter Zeitung, verrät im freistoss-Telefonat, wie er den Werdegang des DFB-Direktors und ehemaligen VfB-Trainers erlebt hat

indirekter freistoss: Die Absage von Matthias Sammer ereilte den Hamburger SV überraschend und schmerzhaft wie ein Blitz. Haben Sie selbst mit diesem Rückzieher von Sammer gerechnet?

Marko Schumacher: Ich bin kein HSV-Experte, aber so wie die ganze Nummer gelaufen ist, so wie der Club das hinausposaunt hat, konnte ich mir nicht vorstellen, dass da noch etwas schief läuft. Umso größer ist jetzt die Blamage. Für den HSV ist das ein echtes Debakel, nachdem die Suche nach einem Sportchef in den letzten eineinhalb Jahren ohnehin schon grotesk genug war. Die Absage Sammers setzt dem Ganzen die Krone auf. Der ärmste Tropf ist Bastian Reinhardt. Wie soll da künftig die Zusammenarbeit aussehen? Da bleiben nur Verlierer übrig.

if: Was könnte Sammer bewogen haben, seinen bis 2013 laufenden Vertrag beim DFB vorzeitig aufzulösen, um beim Hamburger SV anzuheuern, wo er immerhin keine echten Wurzeln besitzt?

Schumacher: Der HSV ist ja trotz allem kein Kirmesverein, sondern ein großer Club mit vielen Möglichkeiten. Viele solcher Optionen gibt es nicht, und so ein Angebot bekommt man auch nicht alle paar Wochen. Hinzu kommt, dass Matthias Sammer beim DFB zwar einiges bewegt und erreicht hat – aber auch immer wieder an seine Grenzen gestoßen ist, wie das ewige Gezerre mit Joachim Löw um die Macht in der U21 zeigt. Ich bin sicher, dass sie in der Nationalmannschaft nicht todtraurig gewesen wären, hätte sich Sammer verabschiedet.

if: Dennoch folgte die Absage an den HSV. Wie sehen Sie das?

Schumacher: Am Ende hat er offenbar kalte Füße bekommen und sich für den stressfreieren Job beim DFB entschieden. Ich vermute, dass die Familie, seine Frau und die drei Kinder, eine entscheidende Rolle gespielt haben. Sie wohnen in München und wollten nicht weg.

if: Nach seiner Zeit als Spieler, in der Sammer die Meisterschaft 1992 mit dem VfB Stuttgart gewinnen konnte, engagierte man ihn dort in der Spielzeit 2005/ 2006 auch als Trainer. Wie bleibt er Ihnen persönlich in Erinnerung?

Schumacher: Den Spieler Sammer habe ich als Journalist nicht miterlebt, sondern als Fan. Er war einer der besten Spieler, den der VfB je hatte. Und einer der größten Fehler der Stuttgarter war es, ihn von Inter Mailand nicht wieder zurückgeholt zu haben. Auch als Trainer hatte Sammer in Stuttgart einen fabelhaften Start. Lange spielte der VfB um den Titel, brach am Ende aber total ein. Sammer hat sich damals mit einem kleinen, engen Zirkel an Vertrauten umgeben und ansonsten niemanden an sich rangelassen. Dadurch wuchs die Distanz zur Mannschaft und zum Verein. Das ist ihm zum Verhängnis geworden. Auch uns gegenüber war er distanziert und teils misstrauisch. Er war der erste VfB-Trainer, den wir nicht mehr anrufen konnten.

if: Sammer scheint ein erfolgsbesessener Mensch zu sein. Es irritiert, dass er in Fußball-Diskussionen oft keinen Widerspruch zu seiner Meinung duldet. Könnte ein großer Sportler wie er, der immerhin 1997 Europas Fußballer des Jahres war, nicht gelassener auftreten?

Schumacher: Man würde ihm manchmal in der Tat mehr Gelassenheit wünschen. Aber das macht ihn auch zu einem Typen. Er ist ein sehr spezieller Mensch, bestimmt für manche auch schwierig, jemand, der im Umgang unbequem und anstrengend sein kann. Er hat es schon immer gehasst zu verlieren, er hatte schon immer sehr hohe Ansprüche an sich und die anderen. Faule Kompromisse sind mit ihm nicht zu machen.

if: In letzter Zeit erlebte man Matthias Sammer sehr öffentlichkeitsnah. Man erlebte ihn als Gast in der Krombacher Runde oder als Experte bei Sky. Warum ist dieser Mann eigentlich so begehrt?

Schumacher: Weil er erstens DFB-Sportdirektor und zweitens kein Mann der Floskel ist. Nach seinem Scheitern in Stuttgart hat er offenbar auch Lehren in der Medienarbeit gezogen. Er hat gelernt, sich mehr zu öffnen und aus sich heraus zu gehen. Und das Schöne ist: die Diplomatie ist ihm fremd, er hat immer eine klare Meinung und bezieht Stellung. Wer mit ihm ein Interview führt, kann davon ausgehen, anschließend auch in den Agenturen zitiert zu werden.

Die Fragen stellte Martin Hauptmann.

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Kommentare

5 Kommentare zu “Matthias Sammer – ein Heißsporn mit klaren Vorstellungen”

  1. PeterG
    Dienstag, 25. Januar 2011 um 12:17

    Schön, davon wollen wir mehr lesen.

  2. lateral
    Dienstag, 25. Januar 2011 um 13:38

    Wer sind „wir“? Also mir (Singular) ist eine Presseschau lieber als ein Presseclub…

  3. Madder than Jens
    Mittwoch, 26. Januar 2011 um 23:37

    Na, vielleicht wäre Euch beiden Vorrednern gedient, wenn man Fußballjournalisten dazu befragt, wozu sie wirklich etwas zu sagen haben – also z.B. einen Hamburger und nicht einen Stuttgarter Schreiber zum HSV und Sammer.

  4. Oliver Fritsch
    Donnerstag, 27. Januar 2011 um 00:01

    Was sollte denn ein Hamburger mehr zu Sammer zu sagen haben als ein Stuttgarter? Warum soll nicht ein ehemaliger Wegbegleiter von Sammer zu Wort kommen?

  5. Christoph78
    Donnerstag, 27. Januar 2011 um 15:39

    Ich finde die Idee sehr gut, ein bisschen in der Vergangenheit zu kramen. Weiter so.

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