Bundesliga
Wann verabschiedet sich Louis van Gaal wirklich?
| Dienstag, 8. März 2011Die endlose Debatte um die Zukunft von Louis van Gaal hat ein Ende; der Bayern-Coach räumt im Sommer seinen Stuhl. Außerdem: Chaos in Hamburg
Mike Glindmeier (Spiegel Online) applaudiert der Münchener Führungsriege: „Wer am Samstagabend Geld auf die Entlassung von Trainer Louis van Gaal gewettet hat, wird sich am Montagmittag geärgert haben. In der Vergangenheit wäre solch eine Wette eine todsichere Sache gewesen. Beckenbauer, Hoeneß, Rummenigge: Einer der Großkopferten hat eigentlich fast immer in solchen Situationen auf den Tisch gehauen. Dass der große Knall diesmal ausblieb, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Reife. Über fünf Stunden saßen die Bayern-Bosse zusammen. Am Ende kam ein Kompromiss zustande, bei dem keiner sein Gesicht verliert.“
Ein Ausgeknockter wird weiter geschwächt
Klaus Hoeltzenbein (SZ) erstaunt sich über vermeintliche Kommunikationsprobleme zwischen Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge: „Gerade jetzt, da die Bayern einen starken Trainer brauchen, haben sie einen ausgeknockten weiter geschwächt. Bei der Lösung aber wäre es ratsam gewesen, die Debatte im Ansatz, gleich am Samstag, zu kontrollieren. Stattdessen wählten sie Bedenkzeit, was davon zeugt, dass Hoeneß und Rummenigge auf das 1:3 nicht vorbereitet waren und wohl generell nicht so viel miteinander besprechen, wie es nach außen erscheinen mag.“
Stefan Osterhaus (NZZ Online) wundert sich über die Entscheidung: „Die halbherzige Kehrtwende überrascht nach einer Woche, in der die Bayern durch Niederlagen gegen Dortmund, Schalke und Hannover vollends derangiert wirkten. Auf den ersten Blick ist es eine kaum nachvollziehbare Entscheidung, denn van Gaal war noch am Samstag nach dem 1:3 gegen Hannover ebenjene Reparatur nicht zugetraut worden. Ob er als de facto resignierter Coach das Team besser als zuvor erreichen kann, ist mehr als fraglich.“
Louis van Gaal wurde der Basis seines Systems beraubt
Peter Stolterfoht (Stuttgarter Zeitung) glaubt nicht mehr an eine Rettung der Saison: „So deutlich wurde einem Bundesligatrainer wohl noch nie vor Augen geführt, dass er nur deshalb noch im Amt ist, weil zurzeit kein geeigneter Nachfolger zur Verfügung steht. Durch die tagelange Hängepartie wurde Louis van Gaal der Basis seines Systems beraubt – dem Respekt, den ihm seine Spieler entgegenbringen müssen. Deshalb wäre es jetzt eine große Überraschung, wenn der geschwächte Bayern-Trainer eine verunsicherte Mannschaft zu alter Stärke führen würde.“
Maik Rosner (Berliner Zeitung) sucht verzweifelt nach einem Nachfolger: „Nun wird munter spekuliert, wer zur kommenden Saison kommen könnte. DFB-Sportdirektor Matthias Sammer? Der `Familien-Freund` Jupp Heynckes, der mit seiner Vertragsverlängerung in Leverkusen noch zögert und laut SZ Favorit sein soll? Oder doch der türkische Nationaltrainer Guus Hiddink? Als Ideallösung geht irgendwie keiner durch. Sammer, 43, ist nicht unumstritten in der Bayern-Führung, Heynckes mittlerweile 65 Jahre alt und des Trainerjobs zwischenzeitlich schon überdrüssig gewesen. Und der kaum jüngere Niederländer Hiddink, 64, steht bis 2012 in der Türkei unter Vertrag.“
Wann geht van Gaal wirklich?
Carsten Eberts (Tagesspiegel) zweifelt an der Endgültigkeit der Entscheidung: „Die Entscheidung, sich erst auf Raten von van Gaal zu trennen, stellt nun besonders die Mannschaft vor ein Problem: Nicht, weil sie mit dem Holländer nicht zusammenarbeiten will – erst am Samstag hatten ihm wichtige Spieler wie Philipp Lahm erneut das Vertrauen ausgesprochen. Doch van Gaal ist nun das, was in der Politik `Lame Duck` genannt wird: Ein Chef, der nur noch geringe Machtbefugnisse hat, dessen Anweisungen ab Sommer ohnehin nicht mehr von Belang sind. Die Frage ist, was passiert, wenn die Bayern am Samstag auch gegen den Hamburger SV verlieren. Geht es mit van Gaal auch weiter, wenn die Qualifikation für die Champions League in noch größere Gefahr gerät?“
Christian Eichler (FAZ) blickt wehmütig zurück: „Immerhin wird er nicht mit leeren Händen gehen, sondern mit einer Titelausbeute, die im langjährigen Mittel des FC Bayern im guten Durchschnitt liegt. Gekrönt wurden seine zwei Spielzeiten in München vom rauschenden Champions-League-Frühjahr 2010, das bis ins Finale führte – aber schon jetzt im Rückblick wie ein uneingelöstes Versprechen wirkt. Es war eine kurze spielerische Blütezeit mit dem seltenen Glücksgefühl des FC Bayern, nicht nur in Deutschland ganz oben zu sein, auch in Europa; nicht nur in der Erfolgs-, auch in der Beliebtheitsskala. Doch diese Leichtigkeit ist schnell verflogen.“
Auf der Geschäftsstelle des HSV herrscht Wut, Angst und Ratlosigkeit
Mike Glindmeier (Spiegel Online) fordert Klarheit beim HSV: „Viele Anhänger des HSV haben Angst, dass ihr Club im Chaos versinkt. Auch wenn diese Befürchtungen sicher übertrieben sind, Anlass zur Sorge besteht ob der aktuellen Situation im Verein durchaus. Denn der Aufsichtsrat hat sich zwar gegen Hoffmann und Kraus entschieden, eine Alternative hat das Kontrollgremium aber offenbar noch nicht. Unter den Mitarbeitern auf der Geschäftsstelle herrscht eine Mischung aus Wut, Angst und Ratlosigkeit. Bislang hat der Aufsichtsrat die über 100 Angestellten des Vereins nicht weiter informiert – von der dünnen Erklärung am Sonntagabend einmal abgesehen. Zahlreiche Vertraute Hoffmanns bangen um ihren Job.“
Jan Christian Müller (Berliner Zeitung) schüttelt nur noch den Kopf: „Dem HSV droht völliger Stillstand: Mit einer überalterten, willenlosen Mannschaft, in der viele Verträge auslaufen, mit einem Trainer Armin Veh, der allenfalls noch auf Abruf agiert, mit einem machtlosen Sportchef Bastian Reinhardt – und nun auch mit einem Führungsduo ohne Zukunft.“
Düstere Aussichten
Jörg Marwedel (SZ) skizziert düstere Prognosen: „Es ist nicht auszuschließen, dass Hoffmann seinen internen Kritikern, die ihn am Wochenende durch die Manege gezerrt hatten wie einen schlachtreifen Esel, den Bettel vor die Füße wirft und bald aufhört. Es ergibt ja wenig Sinn, wenn er die Ära seines Nachfolgers vorbereitet und mit dem von ihm empfohlenen neuen Sportchef, dem Dänen Frank Arnesen, einen Trainer verpflichtet – und für die neu aufzustellende Elf diverse Profis anheuert. Nach den Erfahrungen mit diesem Aufsichtsrat ist es ja nicht auszuschließen, dass Gulden oder Hilke ebenso wenig unterschreiben werden wie kürzlich Sammer. Und sogar, dass Arnesen seinen Job trotz schriftlicher Zusage unter den neuen Vorzeichen lieber nicht antritt.“
Kommentare
6 Kommentare zu “Wann verabschiedet sich Louis van Gaal wirklich?”
Dienstag, 8. März 2011 um 19:03
„Die endlose Debatte um die Zukunft von Louis van Gaal hat ein Ende.“
War sie also doch vielleicht nur ein bisschen endlos? 😉
Dienstag, 8. März 2011 um 21:04
Ein bisschen viel Ende in einem Satz, vollkommen richtig erkannt. Mein Fehler, pradon..
Mittwoch, 9. März 2011 um 11:03
Die haben sie in München doch nicht mehr alle Tassen im Schrank!
Mittwoch, 9. März 2011 um 11:38
Nun möchte ich hier mal eine kleine Polemik zur Debatte bringen, in der Hoffnung auf Antwort. 😉
1.) Warum hacken alle auf Micho, van Bommel, Lucio und Co. rum? Warum hatte niemand was dagegen, dass die verkauft wurden?
Warum wird das van Gaal jetzt vorgeworfen?
Liegt das daran, dass hinterher alle schlauer sind?
2.) Warum soll ein Trainer, wenn er Fehler gemacht hat, die nicht wieder korrigieren können? Das Konzept von van Gaal hat doch letzte Saison gestimmt, oder nicht?
Das Leben ist doch nicht zu Ende! Er kann doch in der Sommerpause die fehlenden Bausteine (IV und DM) dazu kaufen. Ich mein, das wird doch sowieso gemacht! Also warum sollte er nicht weiterhin das Amt ausüben? Vor allem, wenn dem FCB-Vorstand sein Stil doch so gefällt, eigentlich.
3.) Der Stil von Herrn van Gaal persönlich und auch der seiner Mannschaften war doch vorher klar. Warum stellt das plötzlich ein Problem dar?
4.) Ist die Formschwäche einiger Spieler seine Schuld? Liegt das an der fehlenden Rotation? Liegt es am fehlenden Druck?
5.) Können der FC Bayern und seine Fans auch Geduld?
Mit Dank
Mittwoch, 9. März 2011 um 13:19
1) Hinterher sind immer nur Hoeneß und Rummenigge schlauer.
2) Wenn bei Bayern (oder Real oder Milan oder …) die CL nicht erreicht wird, dann ist immer die Geduld am Ende.
3) Siehe 2)
4) Wenn überdurchschnittlich viele Spieler außer Form sind, dann kommt man doch automatisch auf den Trainer. Wer kann denn sonst darauf Einfluss nehmen?
Warum diese Formschwäche (Schwäche im Spiel läge also nicht an Taktik/Spielsystem): Kopfsache, aber keine Ahnung warum 🙂
5) Fans eventuell, FC Bayern siehe 2)
Mittwoch, 9. März 2011 um 13:29
1-5) Bei Erfolg ist alles toll und richtig, bei mangelndem Erfolg ist alles falsch und der Trainer ist schuld. War das nicht schon immer so? Ist das nicht auch in anderen Vereinen so? Der einzige Unterschied beim FC Bayern ist wohl dass dort „Erfolg“ anders definiert wird als bei anderen Vereinen.
Abgesehen davon sind Schuldfragen in schlechten Zeiten auch immer die Weckrufe für die Bosse, andere Leute zu opfern um von eigenen Fehlern abzulenken. Ebenfalls nicht Bayern-spezifisch, und auch nicht Sport-spezifisch.