Am Grünen Tisch | Internationaler Fußball
Das Affen-Theater in Leverkusen und Schalke sucht sein unrühmliches Ende
| Freitag, 11. März 2011Chaos in Leverkusen: die Mannschaft steht vor dem Aus in der Europa-League; Michael Ballack sitzt auf der Tribüne; Heynckes mit ungewissen Zukunftsplänen. Chaos auf Schalke: das unrühmliche Ende des „Quälix“ Felix Magath, der nur noch pro forma das Schalke-Schiff lenkt. Außerdem: Im Kurzporträt Cohen
Hat Leverkusen zu viel gewollt? Andreas Morbach (Tagesspiegel) erinnert an die letzte Spielminute: „Alle im Stadion hatten sich auf ein Unentschieden eingerichtet, […] Die Spanier erzielten das 3:2, Nilmar versetzte die Zuschauer und die Bayer-Profis in einen Schockzustand. Im Achtelfinal-Rückspiel stehen die Leverkusener auswärts nun enorm unter Druck.“
Großes Chancenplus – die Hoffnung stirbt zuletzt
Peter Penders (FAZ) spricht von einem Nackenschlag in letzter Sekunde: „Was soll man machen, wenn man seinem Kind rät, nicht die heiße Herdplatte anzufassen, der Nachwuchs aber kurz darauf mit einer knallroten Hand schreiend aus der Küche gelaufen kommt? Schimpfen oder trösten? […] ‚Hinten sicher stehen, kompakt spielen’ – das hatte Heynckes auch wegen des Fehlens der beiden erstbesten Innenverteidiger Hyypiä und Manuel Friedrich seiner Mannschaft mitgegeben. Es klang erst einmal wie eine lösbare Aufgabe. Die Vorgabe aber setzten seine Spieler äußerst ungenügend um“.
Realistisch betrachtet hat sich Leverkusen gestern durch die 2:3 Heimniederlage gegen das selbstbewusste, heimstarke spanische Team aus Villareal bereits die Chance auf das Viertelfinale verspielt.
Jürgen Schmieder (Sueddeutsche) befasst sich mit der erschreckenden Bilanz der Chancenausbeute und sieht einen Bayer-Leitwolf wieder nur auf der Tribüne: „Der Wirbel um Heynckes und Michael Ballack […] hat offenbar Spuren hinterlassen. Ballack schüttelte vor dem Anpfiff auf der Tribüne zahlreiche Hände und sah danach seinen Kollegen zu, wie sie die Partie dominierten, wie sie 16 Torschüsse mehr verbuchten als der Gegner – und wie sie am Ende doch verlor. […]“ Noch aber scheint selbst Schmieder optimistisch zu sein: „Jupp Heynckes schloss sich nach der kurzzeitigen Ratlosigkeit der Meinung seiner Kapitäns an: ‚Warum sollen wir dort nicht zwei Tore schießen?’ Und vielleicht reichen den Leverkusenern zwei Torschüsse dafür. Wie das geht, das zeigte der FC Villareal an diesem Abend.“
Und doch fiel auch etwas auf: Bayer trug sein Angriffsspiel häufig sehr mechanisch vor; es fehlte der Spielwitz. Zudem wirkte René Adler bei den Gegentreffern nicht immer souverän. Gerade beim Herauslaufen schien ihm oft die letzte Entschlossenheit zu fehlen.
Verliert Bayer Leverkusen durch das heillose Gerangel um Michael Ballack am Ende sogar seinen Trainer und den lange ersehnten Champions-League-Platz?
Nach einem klärenden Gespräch zwischen Trainer und Spieler nimmt Michael Ballack künftig auf der Tribüne Platz, solange, bis ihn Jupp Heynckes wieder in die Startelf beruft. Christine Mitatselis (Tagesspiegel) verdeutlicht die Brisanz der Person Ballack in Leverkusen: „Es begann damit, dass Ballack im Sommer nicht auf Heynckes’ Wunsch nach Leverkusen zurückkehrte, wo er schon Anfang des Jahrtausends gespielt hatte. Der 98-malige Nationalspieler ist eine Art Trophäe der Konzern-Manager. Begeistert vom Werbepotenzial des ‚Capitano’ verpflichteten sie ihn aus Imagegründen. Dafür stockten sie den Spieleretat auf, Ballacks Zweijahresvertrag ist mit etwa zehn Millionen Euro dotiert. Heynckes hätte für das viele Geld lieber zwei, drei junge Profis engagiert. Heynckes mag junge, lernwillige Spieler, keine Diven. Seine Devise: Alle Profis werden gleich behandelt.“
Wie entscheidet sich Heynckes? Für die Rente, Bayern oder Bayer?
Drei Wochen will sich Jupp Heynckes die Entscheidung noch offen halten. Verunsichert die vakante Peronalie des Trainers womöglich so manchen Spieler?
Christiane Mitatselis (Tagesspiegel) stellt die Frage, weshalb sich der ‚rüstige Trainer und attraktive ältere Herr’, wie sie ihn nennt, die Mammut-Aufgabe Bayern München überhaupt antun sollte: „Dass er ein neues Angebot seines guten Freundes Uli Hoeneß annehmen könnte, ist eher unwahrscheinlich. Vor seinem Rettungsjob war er schon von 1987 bis 1991 Trainer des FC Bayern. Er weiß, wie anstrengend und nervenaufreibend die Arbeit beim glamourösen Rekordmeister sein kann. Im stillen Leverkusen hat er dagegen ein Idyll gefunden: Er kann dort in Ruhe wirken und sich seiner liebsten Aufgabe widmen: der Ausbildung von jungen, talentierten Spielern. Die Arbeit mit Diven, die sich traditionell beim FC Bayern tummeln, war noch nie Heynckes’ Sache. […] Ein weiteres Argument dafür, dass Heynckes in Leverkusen verlängern könnte, ist dies: Zum Abschluss seiner Karriere würde der Trainer gern noch einmal in der Champions League spielen, die er 1998 mit Real Madrid gewann. Bayer Leverkusen liegt zurzeit auf dem zweiten Tabellenplatz und hat beste Chancen, sich auf diese Art direkt zu qualifizieren. Die Bayern dagegen liegen sieben Punkte hinter Platz zwei zurück.“
Felix Magath blickt seiner Entlassung am Montag entgegen
Robert Peters und Martin Beils (Rp online) deuten die Entlassungs-Signale auf Schalke: „Beim Gelsenkirchener Erstligisten steht die Ablösung des Fußballlehrers bevor. […] Schalke 04 habe Rolf Dittrich entlassen, meldeten verschiedene Kanäle. Der Pressesprecher gilt als einer der engsten Vertrauten des umstrittenen Fußballlehrers. Magath hatte ihn als Bestandteil seines üppigen Stabs vom VfL Wolfsburg 2009 mit ins Ruhrgebiet gebracht. […] Am Samstag spielt das Team gegen Frankfurt, am Sonntag treffen sich der Aufsichtsratschef und der Trainer, und am Montag tagt das Kontrollgremium. […] Als Aufsichtsrat kann der oberste Kontrolleur [..] nicht einfach in die Kabine gehen und Magath feuern. Die Satzung sieht vor, dass der Aufsichtsrat Magath zu einer Anhörung laden muss, weil der Trainer gleichzeitig Manager ist und einen Sitz im Vorstand hat. Für diese Einladung gilt eine Frist von drei Tagen. Angeblich ist Magath das Schreiben gestern zugegangen, möglicherweise bekommt er am Montag bei der Sitzung des Aufsichtsrats die Papiere.“
Lars Wallrodt (Welt) entrüstet die Art und Weise seiner Entlassung: „Mit Felix Magath hatte niemand gesprochen, und vielleicht ist das das Perfideste an seinem Rauswurf auf Raten. Während sich Regionalzeitungen, Agenturen und Nachrichtensender bereits darin überboten, anonyme Quellen aus höchsten Vereinskreisen bestätigen zu lassen, dass der Trainer des FC Schalke 04 spätestens am Saisonende seines Amtes enthoben wird, saß der Geschasste im Hotel und wusste von nichts.“
Almog Cohen – ein Israeli in der Bundesliga erobert die Herzen der Nürnberger Fans
Mit seinem Nachnamen verbinden wohl viele noch zuerst den genialen kanadischen Musiker Leonard Cohen. Im Franken- und Bayernland begeistert jedoch gerade mehr ein anderes Spiel: das des Almog Cohen. Auch Jonas Beckenkamp (Sueddeutsche) schwärmt vom 22jährigen, 1,69m kleinen Kämpfer und wagt einen Blick 66 Jahre zurück: „Einen wie Cohen könnten die Münchner derzeit gut gebrauchen. Er beackert das defensive Mittelfeld, als gäbe es dort Bonuspunkte für jeden gelaufenen Meter. Gerne grätscht er auch mal gattusomäßig dazwischen. Vergleiche mit der kalabrischen Kneifzange vom AC Mailand hört Cohen auch wegen seiner Zottelfrisur und der kurzen Beine häufig. Er nimmt sie als Kompliment. […] Israels Gattuso […] ist der einzige jüdische Profi der Bundesliga – und das in Nürnberg, der einstigen Stadt der Reichsparteitage. […] Hier […] wurden die Rassengesetze verabschiedet. […] Heute hängen bei Heimspielen israelische Fahnen in der Fankurve. Almog Cohen ist der erste Israeli beim ‚Club’, und er fühlt sich wohl.“
Kommentare
2 Kommentare zu “Das Affen-Theater in Leverkusen und Schalke sucht sein unrühmliches Ende”
Freitag, 11. März 2011 um 14:23
Wieso Druck, mit einer solchen unlösbaren Aufgabe wie es die Medienlandschaft schon den ganzen Tag verkündet, kann Leverkusen doch locker und befreit spielen, gibt doch eh nix zu verlieren!
Sonntag, 13. März 2011 um 16:35
Veh hat gewonnen, er wurde als Erster entlassen.