indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

Klopp schimpft, Heynckes geht, Dutt kommt

Matthias Nedoklan | Montag, 21. März 2011 8 Kommentare

Ins Aus spielen oder nicht ins Aus spielen? Die Frage nach Fairplay bewegt die Presse nach dem Spiel zwischen Dortmund und Mainz. Außerdem: Robin Dutt folgt auf Jupp Heynckes der auf Louis van Gaal folgt.

Richard Leipold (FAZ) sucht neue Antworten auf alte Fragen : „Wenn Jürgen Klopp auf seine alte Liebe aus Mainz trifft, scheint eine Frage unvermeidlich: Ist es ein besonderes Spiel? Der Fußball-Lehrer, der im dritten Jahr für Borussia Dortmund arbeitet, hatte die Mainzer Gemeinschaft, wie sie kickt und lacht, lange mitgeprägt. Aber die immer wiederkehrende Frage kann er vermutlich nicht mehr hören. Dennoch dachte Klopp sich für die neueste Auflage eine originelle Antwort aus.“

Oskar Beck (Welt) schimpft: „Die Dortmunder sind dieses Jahr nicht nur die Besten, sie sind, wie wir jetzt wissen, auch die Anständigsten – denn im Umkehrfall, wenn die Mainzer 1:0 geführt hätten und deren Abwehrchef Noveski den Ball zwischen die Beine gekriegt und sich im Gras gewälzt hätte, hätten die Dortmunder ihren letzten Angriff auf Klopps Befehl sofort abgebrochen, das Spiel vorbildlich verloren, und auf der Tribüne hätte der Watzke gelassen geschmunzelt: ‚Meister können wir auch nächstes Jahr noch werden.‘ Bei so viel Ritterlichkeit wagen wir uns kaum noch die pingelige Frage, wem die Dortmunder in ihrer Aufregung mehr gedient haben – der Streitkultur oder der Scheinheiligkeit? Oder sagen wir es so: In der Hinrunde bekamen sie gegen Hoffenheim in der letzten Minute einen Freistoß, der keiner war, und schossen den Ausgleich – aber weder hat Watzke damals das Geschenk entsetzt abgelehnt noch Klopp den Schiedsrichter beschämt um eine Rücknahme des Tores gebeten.“

Kultur des Täuschens

Christian Hönicke (Tagesspiegel) philosophiert über Ethik im Fußball: „Nun würde man Subotic Unrecht tun, wenn man ihn als notorischen Schauspieler bezeichnete. Man darf aber durchaus behaupten, dass in keiner anderen Sportart das vorsätzliche Täuschen und Manipulieren derart fest in der Spielkultur verankert ist, mit teilweise grotesken Auswüchsen. Schuld daran sind nicht nur die Spieler, es sind auch die Trainer, die um jeden Preis gewinnen wollen und müssen, und es sind die Fans und auch die Medien, die das alltägliche Theater inzwischen als Teil des Spiels akzeptieren.“

Stefan Hermanns (Tagesspiegel) schlägt in dieselbe Kerbe: „In den deutschen Fußball hat sich über die Jahre eine Kultur des Schummelns eingeschlichen. Es geht gar nicht um den großen Betrug, es sind die vielen kleinen Betrügereien, die sich zu einem Sittengemälde fügen. Wenn nach einer Verletzungsunterbrechung der Ball zum eigentlichen Besitzer zurückgespielt wird, dann ganz bestimmt nicht dorthin, wo er herkam. Im WM-Finale droschen die Holländer in einem solchen Fall den Ball weit in die Hälfte der Spanier – und stellten beim folgenden Einwurf alle Anspielstationen zu. Aus der fairen Geste der Spanier, die die Behandlung eines holländischen Spielers erst ermöglicht hatte, wurde letztlich ein klarer Nachteil.“

Intensives Spiel

Felix Meininghaus (Tagesspiegel) konzentriert sich lieber auf das Spiel: „Der Exkurs über Moral und Ethik im Profifußball überlagerte den Umstand, dass auch vor der ominösen 89. Minute schon Fußball gespielt worden war. Und zwar ziemlich intensiv. Das Spiel begann exakt so, wie das zu erwarten ist, wenn die beiden Mannschaften die Klinge kreuzen, die in der Liga die meisten Zweikämpfe bestreiten: Die beiden Kontrahenten bearbeiteten sich mit einer Laufbereitschaft, die es den Offensivkräften schwer machte, sich in Position zu bringen.“

Freddie Röckenhaus (SZ) spürt Nervosität beim BVB: „Der betont unfreundschaftliche verbale In-Fight, den sich Klopp und sein Mainzer Nach-Nachfolger Tuchel erst am Spielfeldrand lieferten und dann vor den Kameras fortsetzten, wollte erst eine halbe Stunde nach Spielschluss der pragmatischen Diplomatie weichen.“
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Heynckes zu Bayern, Dutt zu Bayer

Philipp Selldorf (SZ) feiert Richtfest im Tollhaus Bundesliga: „Während aus München längst die Nachrichten kamen, dass der FC Bayern aus guten Gründen darauf vertraut, zum dritten Mal ein Engagement mit Heynckes einzugehen, haben sie ihrem Trainer geduldig Avancen gemacht, den Vertrag mit Bayer 04 um ein weiteres Jahr zu verlängern. Spätestens in der vorigen Woche verloren die Leverkusener jedoch den Glauben an die Fortsetzung der Zusammenarbeit, und so haben auch sie ihrerseits einen Beitrag dazu geleistet, den Ruf der Liga als Tollhaus zu untermauern: Sie überredeten Robin Dutt, 46, seinen bis 2012 laufenden Vertrag mit dem SC Freiburg aufzugeben, damit er ins Rheinland umziehen kann. Der Sportclub soll mit einer schönen Ablöse abgefunden werden.“

Richard Leipold (FAZ) findet Schalke auch ohne Magath schlecht: „Während in Freiburg, Leverkusen und München noch eine Nacht vergehen dürfte, bis aus begründeten Vermutungen Gewissheit wird, hat der Tabellenzehnte in der Trainerfrage schon Planungssicherheit. An diesem Montag wird Ralf Rangnick in Gelsenkirchen als neuer Cheftrainer vorgestellt – zum zweiten Mal in seiner Karriere. Die Partie in der BayArena zeigte, dass reichlich Arbeit auf ihn zukommt. Die Profis des FC Schalke mögen sich vom Trainerdespoten Magath befreit fühlen, wirkten aber nicht im Geringsten wie entfesselt.“

Bayern duseln wieder

Moritz Kielbassa (SZ) sieht alte Wahrheiten bestätigt: „Selbst in einem pechschwarzen Tunnel kann schon hinter der nächsten Kurve wieder Licht kommen. Sich steigernde Bayern zwangen gegen nachlassende Freiburger das Wettkampfglück zu sich zurück, zuletzt war ihnen ja auch die traditionelle Fähigkeit zu solch schmeichelhaften Siegen abhanden gekommen“

Maik Rosner (Tagesspiegel) lacht mit den Bayern: „Franck Ribéry lachte, lief und feixte, als habe er gerade Kirschen aus dem Garten des ungeliebten Nachbarn gestohlen, während der mit seiner angesägten Sonnenliege zusammengeklappt war und sich hoffnungslos in ihr verkeilt hatte. In Sachen Pennälerscherze von verknoteten Schnürsenkeln bis zu kurzen Busfahrereinsätzen hat sich der Franzose schon vieles einfallen lassen. Doch in Freiburg sorgte der mit 27 Jahren vermutlich älteste Klassenclown der Welt für sportliche Pointen, an die sie sich im Klub vielleicht noch einmal besonders gerne erinnern werden.“

Hannover erfindet sich neu

Boris Herrmann (SZ) jubelt Hannover 96 zu: „Neidisch beobachtet man im Rest des Landes, mit welcher Selbstverständlichkeit diese Mannschaft ihre Torchancen verwertet. Mirko Slomka (der Trainer) und Jörg Schmadtke (der Sportdirektor) haben beide ihre Macht ausgebaut und eine Art Frieden geschlossen. Das Stadion ist selbst gegen Hoffenheim voll. Die Zukunft könnte kaum besser aussehen. Hannover 96 hat sich neu erfunden.“

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Kommentare

8 Kommentare zu “Klopp schimpft, Heynckes geht, Dutt kommt”

  1. Ulfert
    Montag, 21. März 2011 um 15:09

    Nie fand ich den Spruch der Dusel-Bayern unpassender. In den letzten Wochen kam es in den letzten Spielminuten häufig zu Ausgleichs- oder Siegtoren, aber nur bei den Bayern wird von „Dusel“ geredet. Das empfinde ich als unfair.

    Hat nach dem CL-Spiel jemand von den Undusel-Bayern gesprochen? Oder von den Dusel-Stuttgartern, den Dusel-Gladbachern, den Dusel-Bremern (usw usf)? In den letzten Minuten noch ein entscheidendes Tor zu schießen hat auch etwas mit Kampfeswillen und Qualität zu tun. Da empfinde ich (auch als Bremer) den Werder-Sieg in Nürnberg dank 2 klarer Fehlentscheidungen schon eher als „Dusel“ als ein erkämpftes und damit auch verdientes Tor.

  2. Rainer St.
    Montag, 21. März 2011 um 16:16

    Zum Artikel von Oskar Beck (Welt):

    Ich habe selten einen dümmeren Kommentar gelesen. Hier ging es am Samstag nicht um eine
    Schiedsrichterentscheidung, sondern um einen
    Spieler, welcher angeschlagen auf dem Boden
    lag. Es war aus meiner sicht mehr als grob unsportlich in dieser Situtation weiter zu spielen.

  3. Matthias Nedoklan
    Montag, 21. März 2011 um 19:53

    Was in Vergessenheit gerät ist, dass Dortmund am Samstag nach der Subotic Verletzung zu erst in Ballbesitz war. Zidan hätte den Ball ins Aus schlagen können, will aber einen Konter versuchen und verliert sofort den Ball. Und erst daraus resultiert das Tor.

  4. Heffer
    Dienstag, 22. März 2011 um 12:11

    Ich habs mir nochmal angeschaut und Zidan sieht nicht, dass Subotic liegenbleibt. Er mag gesehen haben, dass er zu boden geht, vielleicht auch warum, aber er sieht nicht, dass er nicht mehr auf die Füße kommt. Und das ist doch das entscheidende

  5. Manfred
    Dienstag, 22. März 2011 um 12:23

    Unterbrechung ist, wenn der Schiedsrichter pfeift. Jetzt hat sich Mainz genau an die Regeln gehalten und es ist natürlich falsch.

  6. Ulfert
    Dienstag, 22. März 2011 um 14:33

    @Manfred: Es geht nicht um die frage ob das Tor regelwidrig war, sondern ob es dem Fairplay widerspricht in so einer Situation weiter zu spielen.

    @Heffer: Ohne die Szene gesehen zu haben kann ich mir gut vorstellen, dass es den Mitspielern (und dem Trainer) von Zidan durchaus möglich gewesen wäre ihn aufzufordern den Ball ins Aus zu spielen. Selbst wenn er dann den Ball verlieren würde, könnten diese Spieler (und der Trainer) sich mit Recht hinstellen und meckern – wenn das aber vorher ausgeblieben ist gibts dann hinterher beim Gegner nix zu jammern.

  7. Heffer
    Dienstag, 22. März 2011 um 23:00

    @ulfert: Für sowas ist die Zeit viel zu kurz gewesen, Zidan hat sich gleich in ein Dribbling gestürzt, wobei er ja den Ball recht schnell wieder verloren hat. Bei dem darauffolgenden Konter hatten die Mainzer Subotic ja eher im Blickfeld. Schau dirs einfach an, auf sky.de gibts die Zusammenfassung.

    Aber es ist natürlich sehr schwierig nachher klarzustellen, wie und ob die Mainzer das alles wahrgenommen haben.

  8. Nixwisser
    Mittwoch, 23. März 2011 um 11:51

    Ich hab mir’s auch noch mal angesehen. Nach meiner Auffassung kann man den Mainzern keinen Vorwurf machen. Ich glaube nicht, daß sie das wahrgenommen haben und ich glaube auch nicht, daß man das – so wie es auf den Bildern aussieht – sehen muß.

    Klopps Aufregung ist verständlich und resultiert aus dem Frust, kurz vor Schluß den Ausgleich gefangen zu haben. Das rechtfertigt dennoch nicht seinen Vorwurf und das wird er auch wissen. Er kann’s halt nur nicht sagen. 🙂

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