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Bundesliga

Neues vom Trainermarkt

Kai Butterweck | Dienstag, 22. März 2011 2 Kommentare

Die halbe Liga versinkt derzeit im Trainer-Chaos; die Presse bemüht sich den Überblick zu behalten

Tobias Schall (Stuttgarter Zeitung) amüsiert sich über die derzeitigen Zustände: „Wer als Fan dieser Tage nicht aufpasst, läuft Gefahr, den Rauswurf eines Trainers zu fordern, der kurzfristig schon andernorts angeheuert hat. Es ist das Superwechseljahr mit einer Wahlbeteiligung von fast der kompletten Liga und mit kolportierten Namen von so ziemlich jedem, der in Besitz einer Trainerlizenz ist. Wer hat noch nicht, wer will noch mal? Am Montag nun war Wahltag in Schalke, Freiburg, Leverkusen.“

Heynckes hatte schon immer Probleme mit divenhaften Profis

Christiane Mitatselis (taz) rät Jupp Heynckes von einer Rückkehr nach München ab: „Man muss die Gründe für Heynckes Entscheidung also in Leverkusen suchen. Und natürlich liegt es nahe, darauf zu tippen, dass Heynckes der Wirbel um Michael Ballack nachhaltig verstimmt hat. Jugendförderer Heynckes, der mit divenhaften Profis schon immer seine Probleme hatte, war von Beginn an nicht begeistert.  Ballacks Vertrag läuft bis 2012, wahrscheinlich wollte sich Heynckes nicht weiter mit dem Theater um den Star belasten. Wie der Trainer allerdings beim FC Bayern bestehen will, bei dem sich die launischen Diven traditionell tummeln, ist eine interessante Frage. Möglicherweise stimmt es ja tatsächlich, dass Heynckes den Münchnern noch keine Zusage gegeben hat.“

Helmut Schümann (Tagesspiegel) rührt die Werbetrommel pro Bayern: „Sinnvoll ist der Transfer allemal. Es wäre eine Heimkehr nach langer Wanderschaft. Und nach einem Reifungsprozess. Heynckes in der ersten Phase bei den Bayern, das war ein akribischer Arbeiter, der mitunter einen schon fast verdrucksten Umgang mit der lokalen Presse hatte und dadurch nicht immer souverän wirkte. Und nun kommt Jupp Heynckes als Weltmann zurück, der in Madrid gearbeitet hat und mit Real die Champions League gewann, und der in Bilbao bei Athletic ein fußballerisches Biotop zur Blüte brachte. Die Auslandserfahrung hat ihn offensichtlich gelassener werden lassen.“

Die Chance zur Wiedergutmachung

Stefan Osterhaus (NZZ Online) empfindet die Rückkehr von Jupp Heynckes vor allem als Chance für Uli Hoeneß: „Für die Bayern hieße das: zurück in die Vergangenheit. Neben dem Intermezzo 2009 trainierte Heynckes die Bayern schon von 1987 bis 1991, Hoeness bezeichnet dessen Entlassung im Rückblick als Fehler. Nun bietet sich die Chance zur Wiedergutmachung. Und wie der VfL Wolfsburg, der sich auf die Rettung seines Meistertrainers Magath verlegte, und der FC Schalke, der mit Rangnick einen alten Bekannten verpflichtete, suchen die Bayern mit Heynckes offenbar das Glück im Gestern. Und ganz anders als der widerborstige Niederländer van Gaal ist Heynckes stets ein treuer Gefolgsmann gewesen.“

Die beiden folgenden Beiträge wurden bearbeitet, bevor sich auch in Frankfurt die Ereignisse überschlugen:

Heribert Bruchhagen als standhafter Gallier

Michael Horeni (FAZ) lobt Heribert Bruchhagen: „Ein von einem unbeugsamen Vorstandsvorsitzenden geführter Klub hört nicht auf, den Einflüsterungen zu widerstehen. Heribert Bruchhagen darf man in diesen sogenannten Chaoswochen das vielleicht größte Kompliment machen. Die Entscheidung, nach nur einem Tor und zwei Punkten aus sieben Spielen weiter Trainer Skibbe zu vertrauen, hat sich nicht nur nach den üblichen Liga-Maßstäben mit einem 2:1 im Abstiegskampf gegen St. Pauli gelohnt; eher noch hat der Klub zur politischen Hygiene in einem Geschäft beigetragen, dass die Grenzen zur Ehrlosigkeit derzeit streift.“

Thomas Kilchenstein (FR) stapelt tief: „Sollte die Reise mit Michael Skibbe weitergehen, spricht nicht viel dafür, dass sich das Spiel der Mannschaft dramatisch verbessert. Immerhin ist das Gros des Eintracht-Teams so selbstkritisch und auch einsichtig genug, den Sieg über St. Pauli richtig einzuordnen. Ein Befreiungsschlag war er ganz sicher nicht. Nimmt man die bisherigen Vorstellungen der Eintracht in der Rückrunde zum Maßstab, geht es realistischerweise für die Frankfurter in den letzten sieben Spielen vornehmlich darum, den drittletzten Tabellenplatz zu sichern.“

Juristische Dribbeleien zum Vorteil für beide Seiten

Hans Leyendecker (SZ) wundert sich über die vergleichsweise geringe finanzielle Ausbeute für Felix Magath und begibt sich auf Spurensuche: „Noch Mitte voriger Woche hatte der Schalker Aufsichtsratschef Clemens Tönnies erklärt, man habe bei der Revision der Bücher Verhältnisse vorgefunden, die dem Verein keine andere Wahl als die Trennung von Magath gelassen hätten. Dieser hatte gekontert, er habe sich `nichts zuschulden kommen lassen`. Ende der Woche gab es dann den Kompromiss, dass angebliche Vergehen Magaths, die von diesem bestritten werden, im Nachhinein durch den Aufsichtsrat legalisiert worden seien. Juristische Dribbeleien zum Vorteil für beide Seiten.“

Oliver Trust (Tagesspiegel) skizziert den zukünftigen Wolfsburger Trainings-Alltag: „Man kann sich die Trainingspläne der kommenden Tage buchstäblich vorstellen, und Magath selbst scheint vergnügt zu registrieren, dass schon wieder über Medizinbälle und den `Hügel der Leiden` neben dem Wolfsburger Trainingsplatz geschrieben wird, jene von Magath selbst initiierte Erdanhäufung mit Treppen und Sprintrampen. Manchmal trat in den Hintergrund, ob es derzeit mehr darum geht, den vom Abstieg bedrohten VfL zu retten oder dem ehemaligen Arbeitgeber Schalke nachzuweisen, dass es sehr wohl läuft, wenn man ihn nur ungestört machen lässt.“

Robin Dutt überzeugt durch eine moderne Spielphilosophie

Christoph Ruf (Berliner Zeitung) beglückwünscht Leverkusen zum Nachfolger von Jupp Heynckes: „Dem Vernehmen nach haben in den vergangenen Jahren so viele Top-Vereine beim SC Freiburg um Robin Dutt nachgesucht, dass Bayer seine Wertschätzung des Heynckes-Nachfolgers nicht exklusiv hat. Tatsächlich hat Dutt in den vergangenen Jahren nachgewiesen, dass er mit bescheidenen Mitteln eine Mannschaft mit moderner Spielphilosophie und Entwicklungspotenzial formen kann. Mit mehr Geld könnte das also auch klappen.“

Thomas Gaber (spox.com) begrüßt den Wechsel Dutts von Freiburg nach Leverkusen: „Robin Dutt ist kein Lückenbüßer für Heynckes, der Bayer aus freien Stücken verlässt, weil seine alte Liebe FC Bayern ruft. Dutt ist der richtige Mann am richtigen Ort. Leverkusen bedeutet für ihn den Umzug von einem `Paradies`, wie Dutt Freiburg nannte, ins nächste. Bayer ist seriös aufgestellt. Erfolgsorientiert, aber kein Klub, der dabei über Leichen geht. Die Chefs Wolfgang Holzhäuser und Rudi Völler sind auf ihrem jeweiligen Gebiet kompetent und kommunikativ. Dutt hat in Freiburg gänzlich anders gearbeitet als der allmächtige Finke zuvor. Er setzte auf Kommunikation statt auf Alleinherrschaft.“

Beste Voraussetzungen auf Schalke

Daniel Theweleit (Berliner Zeitung) wünscht der neuen sportlichen Leitung auf Schalke viel Glück: „Gelänge die Vertragsverlängerung mit Neuer, wäre das eine Art Meisterstück von Heldt und Rangnick, die sich vielleicht als Führungsduo entpuppen, das diesem fiebernden Klub gewachsen ist. Sie haben ähnliche Vorstellungen von Fußball, außerdem ist keiner der beiden bekannt dafür, indiskret zu sein. Bessere Voraussetzungen gab es lange nicht in Gelsenkirchen.“

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Kommentare

2 Kommentare zu “Neues vom Trainermarkt”

  1. Arne
    Dienstag, 22. März 2011 um 13:38

    Vor allem die Horeni-Analyse liest sich im Anbetracht der heutigen Schlagzeilen sehr amüsant. Soviel zur Haltbarkeit solcher journalistischen Bestandsaufnahmen…

  2. Tam Tam
    Dienstag, 22. März 2011 um 15:45

    Der Artikel basierte dann wohl doch eher auf Wunschdenken vom FAZ-Horeni als auf tiefgehender Recherche. Wobei der Journalist mir dadurch ja durchaus sympathisch wird: Dass er von einer Bundesliga träumt, in der an einem Trainer wie Skibbe auch bei Niederlagen festgehalten wird statt Daum zu holen, stößt auf meine Zustimmung.
    Übrigens hat sich Daum ja heute auch sofort selbst zum Konzept-Trainer erklärt, damit die Trends- und Thesenschreiber ihn problemlos bei Klopp, Tuchel, Dutt einreihen können.

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