Deutsche Elf
Applaus für Klose, Pfiffe für Schweinsteiger
| Montag, 28. März 2011Nach dem Sieg gegen Kasachstan stehen zwei Protagonisten im Rampenlicht: Während Miroslav Klose einem Rekord für die Ewigkeit immer näher kommt, büßt Bastian Schweinsteiger Kredit ein
Philipp Selldorf (SZ) zeigt sich enttäuscht über die Anpassungsfähigkeit der deutschen Elf: „Bastian Schweinsteigers Spiel war umständlich, es wirkte eckig und schwerfällig, und weil eben diese Eigenschaften später zu den bestimmenden Merkmalen des gesamten deutschen Auftritts gerieten, richtete sich das Missvergnügen des Publikums namentlich gegen Schweinsteiger.“
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Hinfahren, zahlen, freuen, wegfahren
Andreas Lesch (Berliner Zeitung) wundert sich nicht über das Verhalten auf den Rängen: „ Joachim Löw selbst die Partie als Spektakel angekündigt und so dazu beigetragen, dass die Zuschauer sein Team als nimmermüde Bespaßungsmaschine begreifen, die gefälligst jederzeit defektfrei zu funktionieren habe. Diese Zuschauer sind ja keine Fans im herkömmlichen Sinne, sie haben keine tiefe Bindung zu ihrem Team, und überbordendes Fachwissen fehlt ihnen auch. Sie erwarten von einem Länderspiel die gleichen garantierten Abläufe wie von einem Kinobesuch: hinfahren, zahlen, freuen, wegfahren. Sie sehen nicht das große Ganze, sie interessieren sich nicht für Qualifikationstabellen, sie wollen Unterhaltung, hier und jetzt.“
Thomas Winkler (taz) stellt sich ebenfalls auf die Seite der unzufriedenen Zuschauer auf dem Betzenberg: „Selbst schuld. Hätte die deutsche Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft nicht so prima gespielt und hätte sie dieses Niveau nicht um ein erstaunliches Zutrauen in die eigene Leistungsfähigkeit ergänzt, würde sie seitdem nicht fürchterlich erwartbar jene Spiele gewinnen, die sie gewinnen muss, dann, ja dann würden die Zuschauer in Kaiserslautern vielleicht nicht pfeifen.“
Fehlpässe im Akkord
Peter Ahrens (Spiegel Online) kritisiert Bastian Schweinsteiger: „Für Klose war es ein emotionaler Abend, gut genug für ihn, sich lange daran zu erinnern. Ein anderer Bayern-Spieler sollte den Abend von Kaiserslautern dagegen am besten schleunigst abhaken: Bastian Schweinsteiger. Der Mittelfeldspieler steckt in der Krise, und jeder der knapp 48.000 Zuschauer auf dem Betzenberg konnte das sehen. 2010 war der Münchner der überragende Mann der Nationalelf gewesen. Gegen Kasachstan produzierte er Fehlpässe im Akkord. Der deutsche Führungsspieler schlechthin, er war am Samstag der schwächste DFB-Akteur.“
Jan Christian Müller (FR) fordert den Blick in den Spiegel von Bastian Schweinsteiger: „Er besitzt das Potenzial zum Weltklassemann. Daran wird er Woche für Woche gemessen, dafür wird er entsprechend üppig entlohnt. Es steht Schweinsteiger natürlich dennoch zu, auch mal schwach zu spielen, sogar unterirdisch, erst recht angesichts des umfangreichen Terminkalenders, den er seit Jahren zwischen den Strafräumen abzuarbeiten hat. Am Samstagabend hat er es jedoch verpasst, nach dem Spiel souveräner zu agieren als während des Spiels: ein paar Worte mehr der Selbstkritik, ein paar weniger der Kritik. Das wäre genauso angemessen gewesen, wie es die Pfiffe bei seiner Auswechslung waren.“
Miroslav Klose ist noch lange nicht am Ende
Klaus Bellstedt (stern.de) freut sich für Miroslav Klose und stichelt gegen Louis van Gaal: „Miroslav Klose ist ein Phänomen. Wann immer er Nationaltrikot überstreift, erfindet er sich als Stürmer neu. Bei den Bayern verkommt er auf der Bank. Seine Freude über die Kurzzeiteinsätze hält sich in Grenzen. Anders beim DFB: Es ist der Respekt, den man ihm in der Nationalmannschaft entgegen bringt, der Klose so aufblühen lässt; der Respekt und das besondere Vertrauensverhältnis zu Joachim Löw. Dieser Stürmer ist noch lange nicht am Ende seiner Karriere. Mit dem richtigen Trainer kann er immer noch auf höchstem Niveau Fußball spielen.“
Carsten Eberts (sueddeutsche.de) bedankt sich im Namen von Miroslav Klose bei Bundestrainer Jogi Löw: „Sollte Klose bis zur EM 2012 deutscher Rekordtorschütze werden, liegt das gewiss nicht nur an Mannschaften wie Kasachstan oder Aserbaidschan. Es liegt vor allem an Bundestrainer Joachim Löw und dessen notorischer Verweigerungshaltung, offensive Tendenzen aus der Bundesliga automatisch in die Nationalmannschaft zu übertragen.“
Dröges Gekicke
Michael Ashelm (FAZ.net) erwartet mehr Einsatz vom deutschen Team: „Pfiffe gegen die deutsche Mannschaft kamen auf, weil das Engagement auf dem Platz zu Wünschen übrig ließ. Statt mehr Tempo gab’s zu viele Ruhephasen auf dem Platz, scheinbar befinden sich die Nationalspieler gedanklich eher in der Saisonendphase bei ihren Klubs. Machtlos musste Löw das dröge Gekicke am Spielfeldrand über sich ergehen lassen. Er konnte seine Spieler nicht anleiten zu mehr Engagement.“
Auf der Suche nach ihrem Fußball
Christof Kneer (SZ) beschäftigt sich mit dem „Seelenzustand“ europäischer Nationalteams: „Während Spanien, die Niederlande und Deutschland stil- und selbstsicher in einer eigenen Umlaufbahn kreisen, befinden sich ruhmreiche Nationen wie Frankreich, Italien und England auf der Suche nach ihrem Fußball und sich selbst – ganz zu schweigen von Portugal, Tschechien oder gar Rumänien, die schwer damit beschäftigt sind, die Reste ihrer selbsternannten goldenen Generationen zusammenzufegen.“
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Kommentare
3 Kommentare zu “Applaus für Klose, Pfiffe für Schweinsteiger”
Montag, 28. März 2011 um 12:57
Ich empfand Schweinsteiger und einige andere am Samstag nicht nur als schlecht, sondern teilweise auch als arrogant. Wie Schweinsteiger da im Mittelfeld versuchte den Ball aus dem Fußgelenk über den Gegner zu lupfen – das war einfach nur peinlich. So sollte ein Profispieler nicht mit seinem Gegner umgehen. Ebenso waren einige Szenen im Zusammenspiel so dermaßen durchschaubar, dass offensichtlich wurde wie wenig Respekt die Spieler vor dem Gegner hatten – viele stümperhafte Doppelpassversuche durch die Mitte, bei denen man schon beim Abspiel erkannte wo der Ball in der übernächsten Station sein soll.
Ich habe mich dann für die Kasachen gefreut dass viele der Aktionen schief gegangen sind. Spielerisch mit guten Aktionen den Gegner auszuspielen ist ja vollkommen in Ordnung und hätte mir Spaß gemacht, Aber mit arroganter und respektloser Spielweise zu versuchen den Gegner zu demütigen sollte man im Sport nicht machen.
Montag, 28. März 2011 um 15:28
Andreas Lesch beschreibt das Phänomen der Pfiffe vollkommen richtig: Das deutsche Länderspiel-Heimpublikum sieht in den Spielen einen Event wie jeden anderen. Heute DSDS, morgen Jungesellenabschied, zum Abschluss dann ein Länderspiel.
Das die grossspurigen Ankündigungen von Löw solche Pfeifkonzerte befeuern, wenn es dann spielerisch einmal nicht so läuft, steht außer Frage.
Montag, 28. März 2011 um 18:16
Wenn sich Löw vor dem Spiel hingestellt und von einer lästigen Pflichtaufgaben gesprochen hätte, die es irgendwie hinter sich zu bringen gilt, wärs auch nicht recht gewesen.
Ich würde seine Vorgehensweise nicht als Großmäuligkeit werten, sondern als Aufforderung an seine Spieler.