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Champions League | Nachschuss

Pokert der FC Bayern zu hoch in der Torwart-Frage?

Martin Hauptmann | Freitag, 6. Mai 2011 10 Kommentare

Kraft verlässt den FC Bayern, Butt bleibt ein weiteres Jahr. Nun warten sie auf Neuer. Aber: was, wenn er nicht kommt? Zudem: internationale Stimmen zum CL-Halbfinale Manchester-Schalke.

Der Spiegel veröffentlicht einige klangvolle internationale Pressestimmen zum Ausscheiden von Schalke 04. Hier eine Auswahl:

„Nach den beiden schlimmen Auftritten gegen ManU ist es eines der großen Rätsel des Fußballs, wie Schalke so weit kommen konnte, geschweige denn, wie Inter Mailand gegen Schalke im Viertelfinale sieben Tore bekommen konnte. United spaziert so leicht ins Finale, dass es beinahe lächerlich ist.“
Daily Mail/England

„Man stelle sich nur vor, was Manchesters erste Elf mit Schalke gemacht hätte. Es gab keine Spannung, niemals, und – um die Wahrheit zu sagen – nicht einen einzigen Moment des Zweifels an Uniteds Erfolg.“
Daily Mirror/England

„Freilos ins Finale.“
Daily Telegraph/England

„Was für eine Show, Manchester United überrollt und zerstört Schalke. Super-United steht zum dritten Mal in vier Jahren im Finale. Das Endspiel Manchester gegen Barcelona ist das Beste, was der Fußball zu bieten hat.“
La Gazzetta dello Sport / Italien

„Manchester United bekräftigte mit dem 4:1-Sieg seinen Einzug ins Finale. Schalke stand auf verlorenem Posten, obwohl es auf ein mutiges 4-3-3-System gesetzt hatte.
AS/Spanien

„Manchester United gewinnt immer. Es interessiert nicht die Methode, sondern das Resultat. Schalke hielt das Duell offen. Viel Qualität brachte Escudero auf der linken Seite und die effiziente Ballführung des Bubis Draxler.“
El Pais/Spanien


Der Auftritt von Schalke enttäuscht die deutsche Presse nachhaltig 

Philipp Selldorf (Sueddeutsche) verbirgt sein Gesicht vor den Auftritten von Schalke 04: „Doch im Vergleich mit Manchester United hat die Mannschaft aus Gelsenkirchen für manchen unkundigen Zuschauer ausgesehen, als sei sie geradewegs aus der Republik Tatarstan eingereist. Dieser Eindruck, nicht das Verfehlen des sportlichen Ziels, war die eigentlich schmerzliche Erfahrung der beiden Halbfinals. Nach den Siegen gegen Inter Mailand war Schalke noch stolz und glücklich, die größte Fußballbühne der Erde betreten zu dürfen, an der Seite der am meisten leuchtenden Vereine Europas […], doch jetzt wären alle froh gewesen, wenn diese beiden Spiele an einem geheimen Ort ohne Zeugen stattgefunden hätten. Es ist eine hinterhältige Pointe, dass das Erreichen des Champions-League-Halbfinales irgendwie in einen Imageverlust statt einen Imagegewinn führte.“

Roland Zorn (FAZ) beschreibt Schalkes Konzeptlosigkeit: „Irgendwie fehlten den Schalkern in den für sie zu schweren Halbfinalprüfungen der Esprit, die Spiellust, das taktische Rüstzeug, das Selbstvertrauen, also eigentlich alles, um selbst Akzente setzen zu können. ‚Der Gegner‘, gab Innenverteidiger Christoph Metzelder zu, ‚hat uns in beiden Spielen immer das Gefühl gegeben, nie richtig anzukommen.‘ Und so irrten die ‚Königsblauen‘, die in der Runde davor Titelverteidiger Inter Mailand einen krachenden Knockout versetzt hatten, gegen Manchesters erste und zweite Wahl ziel- und mittellos umher.“

Manchester United nun gewappnet fürs Finale

Andreas Morbach (Spiegel) freut sich schon jetzt aufs Finale: „Mit dieser speziellen Qualität wird Manchester in gut drei Wochen auch dem FC Barcelona die Stirn bieten. Dem Club, der als das Maß der Dinge im Vereinsfußball gilt. Der Fußball zelebriert, nicht nur spielt. In der mittlerweile 25-jährigen Ära Ferguson hat der Club in der Champions League bereits zweimal triumphiert (1999, 2008) – und nun können die Engländer die spielerische Überlegenheit der Spanier mit ihrer exzellenten Athletik, ihrer außerordentlichen Präzision im Passspiel, einem bei Bedarf mörderischen Tempo und mit einem auch in der zweiten Reihe bestens bestückten und beim Finale zudem wohl kompletten Kader kontern.“

Wohin geht Kraft? Nach Schalke oder zur Hertha?

Ein Torwarttausch mit dem FC Schalke könnte im Poker um eine möglichst rasche und günstige Verpflichtung Manuel Neuers eine Frieden stiftende Funktion zwischen den Verhandlungspartnern einnehmen. Derweil buhlt die Hertha kräftig um den jungen Schlussmann. Uwe Bremer (Berliner Morgenpost) sondiert die Lage: „Trainer Markus Babbel hatte einen Laktattest angesetzt. […] Nicht dabei bei der anstrengenden Einheit war ein Quartett. Torwarttrainer Christian Fiedler übte in einer anderen Ecke des großen Trainingsareals mit seinen Schlussleuten Maikel Aerts, Sascha Burchert und Marco Sejna. Das Torwart-Trio absolviert seine vorletzte Übungswoche in der bekannten Konstellation. […] Der Hauptstadt-Klub arbeitet mit Hochdruck daran, seinen Zeitvorsprung durch den frühzeitigen Aufstieg zu nutzen. So will Hertha die Frage der Nr.1 geklärt haben, ehe das sich abzeichnende Torwart-Karussell in Schwung kommt. […] Bei Herthas Aufstiegstorwart Maikel Aerts (34) stellt sich die sportliche Frage, ob er gut genug für die Bundesliga ist. Und jeder weiß, dass der Niederländer mit seinem angerissenen Kreuzband im Knie ein wandelndes Risiko darstellt. […] Die Chancen stehen gut, dass Thomas Kraft (22) im Sommer zu Hertha BSC wechseln wird. Der Torwart des FC Bayern hat seinen im Sommer auslaufenden Vertrag in München fristgerecht gekündigt.“

Bayern fehlt das Bekenntnis zu ihrem Torwart Kraft 

Maik Rosner (Financial Times Deutschland) zitiert einen emotionslosen Christian Nerlinger: Ein unbedingter Zwang zur Verpflichtung Neuers besteht nun nicht mehr – so könnte man die Botschaft des verschobenen Karriereendes auch deuten. Butt sollte eigentlich ab Sommer als Jugendkoordinator der Münchner arbeiten. Das muss nun warten. Thomas Kraft, 22, von Ex-Trainer Louis van Gaal in der Winterpause zur Nummer eins befördert und zuletzt wieder zurückgestuft, darf den Verein dagegen verlassen. ‚Thomas Krafts verständliches Ziel ist es, die Nummer eins zu sein. Dies können wir ihm nicht garantieren’, sagte Sportdirektor Christian Nerlinger: ‚Wir wünschen Thomas für seine sportliche und private Zukunft alles Gute und viel Erfolg.’“

Beispiel Kraft: der FC Bayern betreibt eine unvernünftige Personal-Politik

Was für eine riesige, wenngleich ungenügend funktionierende Scouting-Abteilung muss der FC Bayern haben, wenn er seine eigenen Talente nicht mehr erkennt! Nach den bedauerlichen Verkäufen von Hummels, Jansen, Podolski, Zé Roberto, Lucio, Demichelis und auch van Bommel steht nun der Abgang von Thomas Kraft bevor. Der FC Bayern gibt seit einiger Zeit mit einer locker-leicht, etwas arrogant wirkenden Haltung seine aufstrebenden und besten Spieler ab. Die Bosse haben in ihrer zunehmenden Gier nach Erfolgen nichts gelernt.

Im Tor des FC Bayern sollte allein aufgrund des vorherrschenden öffentlichen Drucks ein absoluter Weltklasse-Torwart stehen. Ein Kahn oder ein Neuer. Das stimmt, doch da fehlt gleichzeitig etwas: die differenzierte Beurteilung der Situation! Man fragt sich: Wie kann der FC Bayern sein großes Torwarttalent zum jetzigen Zeitpunkt, noch vor der sicheren Verpflichtung Manuel Neuers, davonziehen lassen? Selbst der FC Bayern kann sich das nicht leisten.

Kraft ein verkanntes Juwel

Einige Kritiker vergleichen den jungen Torwart nach seinen Patzern bereits mit Michael Rensing und zweifeln an seiner Bayern-Tauglichkeit. Doch zu unrecht! Denn sie vergessen womöglich einen wichtigen Fakt: Ein junger Torwart, der keine volle Rückendeckung von seinem Verein spürt, wird niemals fehlerfrei bleiben, schon gar nicht beim FC Bayern – Rensing bekam diese Rückendeckung zu anfangs von allen Seiten! Was dieser junge Thomas Kraft nach seiner Geburtstunde in der damals doch bedrohlichen Tabellensituation auf Knopfdruck geleistet hat, war phänomenal und stark. Wirkliche Fehler lieferte er nämlich erst, als ihn Louis van Gaal in der Öffentlichkeit auf inkonsequente, unsensible Weise lautstark und rücksichtslos bloßstellte und die Verpflichtung Manuel Neuers begrüßte. Der FC Bayern wird ihm noch nachweinen!

Zusätzlich irritiert da auch, dass man sich um einen Nils Petersen aus Cottbus bemüht, der zweifelsohne Torjägerqualitäten besitzt, aber doch auch erst langfristig zum europäischen Spitzenspieler aufgebaut werden muss! So ein Spieler braucht Spielpraxis. Das passt alles nicht zusammen. Und außerdem: Sieht denn Keiner, wie steif und eingerostet der Jörg Butt da mittlerweile schon zwischen den Pfosten steht? Bei all den hohen Champions-League-Ambitionen scheint man an der Säbener Straße sogar schon Gefallen an dem Gedanken zu finden, den ehemaligen Bayern-Jugendspieler Gerhard Tremmel als zweiten Mann hinter Butt zu holen. Da muss man schon mal die Transferpolitik hinterfragen!

Wenn man intelligent gewesen wäre, hätte man mit Kraft zusammen eine Vision entwickelt, ihm systematisch Einsätze gegeben und ihn stark geredet. Obwohl Neuer im Moment noch der bessere Torwart ist, wäre auch der FC Bayern gut beraten, wenn er bei all seinen gigantischen Möglichkeiten den Faktor Geld und den Wert von guten Identifikationsfiguren bei kommenden Transfers wieder stärker in seine Überlegungen einbezieht.

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Kommentare

10 Kommentare zu “Pokert der FC Bayern zu hoch in der Torwart-Frage?”

  1. reflexo
    Freitag, 6. Mai 2011 um 14:24

    „Nach den bedauerlichen Verkäufen von Hummels, Jansen, Podolski, Zé Roberto, Lucio, Demichelis und auch van Bommel steht nun auch der Abgang von Thomas Kraft bevor.“

    Es ist wirklich tragisch dass Prinz Pussy nicht mehr bei Bayern spielt! Bei Demichelis kann ich mich an eine gute Saison erinnern. Bayern hat übrigens schon die Abgänge von Trochowski, Jarolim, Santa Cruz, Guerrero und Schlaudraff verkraftet. Die sind jetzt zweifelsohne internationale Topspieler.

  2. Heinz Gründel lebt!
    Freitag, 6. Mai 2011 um 14:36

    Oder sind Jarolim und Santa Cruz nicht gar wie Demichelis und van Bommel Weltklasse?! Auf einem Niveau mit Piqué und Xavi, nein, ganz sicher, darüber hinaus!

  3. Der General
    Freitag, 6. Mai 2011 um 14:51

    > „Nach den bedauerlichen Verkäufen von Hummels, Jansen,
    > Podolski, Zé Roberto, Lucio, Demichelis und auch van Bommel
    > steht nun auch der Abgang von Thomas Kraft“

    Wo ist Schlaudfraff? 🙂

    Von den oben Spielern waren zum Zeitpunkt der Abgabe vier jenseits der 30 und zwei haben nicht gepasst. Bleibt Hummels, dessen Abgabe jedoch gewiss nicht als Muster herhalten darf. Zumal der Verbleib „bester Spieler“ wie Demichelis und Lucio dessen Perspektive ja eingetrübt hätte.

    Eine „unvernünftige Personal-Politik“? Die halbe Start-Elf kommt aus der eigenen Jugend und ist langfristig gebunden.

  4. reflexo
    Freitag, 6. Mai 2011 um 17:21

    @Heinz Gründel Lebt!
    Ich hätte gedacht die Ironie wäre bei den Namen ersichtlich. Hätte doch Karimi oder Dos Santos schreiben sollen.

  5. Zizous Erbe
    Freitag, 6. Mai 2011 um 18:55

    Da werden dem Martin Hauptmann aber mal gründlich die Leviten gelesen…
    Grundsätzlich begrüße ich es, dass die neue Autorengenereation des Indirekten Freistosses Meinungen kundtut. Ich vermisse aber eine klarere Abgrenzung zwischen Presseschau und Kommentar.

  6. Martin Hauptmann
    Freitag, 6. Mai 2011 um 21:55

    Kann es denn tatsächlich als Erfolg gewertet werden, wenn man Spieler wie Schweinsteiger oder Lahm, die 10 Mio im Jahr verdienen, im Grunde aber durch die vielen Spielzeiten auf höchstem Niveau satt sind, langfristig über Jahre bindet? Das ist durchaus nachvollziehbar, erfordert in meinen Augen aber wenig Mut. Ich wünsche mir mehr Rückendeckung und Vertrauen gegenüber jungen Spielern, damit sie ihr ganzes Können aufbieten können.

    Eine klarere Abgrenzung zwischen Presseschau und Kommentar wird es in Zukunft geben.

  7. Der General
    Sonntag, 8. Mai 2011 um 10:37

    Was denn nun?
    Oben war es unvernünftig, ein Altherren-Quartett abzugeben (was überhaupt erst Platz gemacht hat für die junge Generation).

    Hier wird jetzt kritisiert, mit Identifikationsfiguren verlängert zu haben.

    Jaja, darunter leiden die CL-Finalteilnehmer bis heute (Puyol, Xavi, Scholes, Giggs usw.).

  8. Heinz Gründel lebt!
    Sonntag, 8. Mai 2011 um 21:21

    Der General – Sie haben schon alles gesagt, was ich gerade sagen wollte. Mist. Dann sage ich, lieber Herr Hauptmann, nur noch: Das nächste Mal nicht nur zwischen Presseschau und Kommentar abgrenzen, sondern auch zwischen Meinung und Irrsinn.

  9. Joan Micoud
    Montag, 9. Mai 2011 um 10:58

    General, Sie sprechen von den schuldenstärksten Teams Europas. Fußball auf Schuldenbasis ist im Moment vielleicht erfolgreicher, – man sollte ihn aber absolut nicht unterstützen, sondern auch ein paar Jahre voraus blicken. Ein bisschen mehr Differenzierung und Tiefgeist könnte Ihrer Argumentation nicht schaden. Ich erinnere an den Meister Dortmund, der auf gesunder Finanzbasis arbeitet. Man kann die Worte eines Autors immer auch zu seinen eigenen Gunsten fehlinterpretieren. Bei allem Respekt! In dieser Form ist das keine Kunst.

  10. Der General
    Montag, 9. Mai 2011 um 11:22

    @Micoud:

    Wenn Differenzierung hier bedeutet, die Argumentation stets in eine neue Ebene auszuweiten, kommen wir hier zu keinem vernünftigen Ergebnis. Financial Fairplay und Dortmund sind in einem anderen Thread besser aufgehoben.

    Hier ging es um bayerische Personalplanung und es ist doch überhaupt keine Frage, dass die Presse einen Verkauf von Leistungsträgern wie Lahm, Schweinsteiger etc. im Falle ausbleibenden Erfolges dem Management als schwersten Fehler angekreidet hätten.

    Wo langfristiges Denken eingefordert wird, dürfen Weltklassespieler in Leistungskurvenwellentälern nicht gleich als „satt“ abgeschrieben werden.

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