Bundesliga
Daums Rückzieher schlägt hohe Wellen
| Mittwoch, 11. Mai 2011Die Presse wundert sich über Christoph Daum und seine Ankündigung mit Frankfurt notfalls auch in die zweite Liga zu gehen. Außerdem: Appelle an die Fans und ein gesprächiger Philipp Lahm
Ingo Durstewitz (FR) spricht sich für einen Neuanfang aus: „Die Eintracht, da herrscht Einigkeit auf fast allen Ebenen, braucht dringend eine Blutauffrischung, eine Verjüngung. Da ist Daum, gerade mit seiner Bilanz, nicht vermittelbar. Daum hat keine Zukunft in Frankfurt. Und womöglich wird der neue Trainer ja auch schon in Absprache mit dem neu zu installierenden Sportdirektor verpflichtet.“
Über Daum ist die Zeit hinweggefegt
Thomas Kilchenstein (FR) setzt Christoph Daum vor die Tür: „Und jetzt? Ist die zweite Liga plötzlich attraktiv geworden. Warum nun die Rolle rückwärts? Vielleicht weil der Mann inzwischen spürt, dass der Abstieg der Eintracht auch sein persönlicher Abstieg geworden ist? Weil sich die Anfragen aus der Bundesliga gerade nicht stapeln? Weil er merkt, dass er wieder in der Versenkung verschwinden würde nach dem Reinfall von Frankfurt, zumindest in Deutschland? Dann doch lieber Liga zwei − frei nach Adenauer, was kümmert mich mein Geschwätz von gestern. Doch das wird es nicht geben. Die Liaison Daum/Eintracht ist beendet, in erster wie zweiter Liga. Sie gründete ohnehin − das offenbarten die letzten Wochen − auf einem Missverständnis. Über Daum, den Starkredner und Einpeitscher, ist die Zeit hinweggefegt.“
Noch ist nichts von einer Selbstreinigung zu sehen
Uwe Marx (FAZ) fordert mehr Initiative seitens der Gewaltfreien Fans der Eintracht: „Die Eintracht ist zwar um einiges seriöser geworden, aber diese Entwicklung hat auch sie nicht stoppen können. Am Ende muss immer die Polizei herhalten, um Fangruppen zurückzudrängen, durch Innenstädte zu eskortieren oder Spieler zu schützen. Auch durch die Arbeit von Fanprojekten hat sich wenig gebessert. Sie fordern mehr Respekt, Kommunikation, Freiräume, wirken aber auch überfordert. Bliebe noch eine Selbstreinigung, eine entschlossene Distanzierung der vielen gewaltfreien von den gewaltbereiten Fans. Noch ist nichts davon zu sehen.“
Udo Muras (Welt Online)macht sich Luft: „Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Text die Richtigen erreicht, ist nicht allzu hoch. Er geht raus an alle Spinner dieser Welt, die glauben den Fußball besser zu machen, indem sie ihn kaputt machen. Worum geht es im Fußball, warum wird er überhaupt gespielt? Es ist, auch wenn es angesichts der Gehälter und Etats weltfremd und naiv klingen mag, immer noch ein Spiel. Ein wunderbares Instrument der Unterhaltung, faszinierendes Freizeitvergnügen, das Milliarden in den Bann zieht, ehe sie sich wieder den eigentlich wichtigen Dingen des Lebens zuwenden müssen. Sieg und Niederlage sind systemimmanent, und deshalb muss auch dem dümmsten Fan begreiflich gemacht werden, dass es kein Recht auf Siege gibt. Wer im Fußball von Katastrophen spricht, hat noch keine erlebt. Es gibt so viel Schlimmeres als eine Niederlage im Fußball. Jeder weiß es, aber vielleicht musste es einfach mal wieder gesagt werden. Auf die Spinner, die nicht dazu lernen wollen, kann der Fußball gut verzichten. Auf die, denen es gar nicht um Fußball geht, sowieso.“
Der Klubfußball gibt im Frühjahr den Takt vor
Markus Lotter (Berliner Zeitung) schmunzelt über Philipp Lahm: „In der schon fast vergangenen Spielzeit hatte Philipp Lahm seine besten Szenen in der Nachbereitung der Partien, also beim Frage-Antwort-Duell in Mixed-Zone oder Fernsehstudio. Dann kam der Rechtsverteidiger, der entgegen seiner Überzeugung ein besserer Linksverteidiger ist und bleibt, geradezu beispielhaft seinen Pflichten als Klassensprecher nach. Seinen Saisonhöhepunkt hatte Lahm also am Montagabend, als Gast in Blickpunkt Sport, einer Sendung des Bayerischen Fernsehens. Da ein bisschen Fazit mit Gruß an Robben. Dort ein bisschen Ausblick auf die EM-Qualifikationsspiele. Lahm meckerte über den Fifa-Kalender. Was Lahm in seiner tiefgreifenden Kalenderanalyse leider außer Acht gelassen hat, ist die Tatsache, dass es für diese Länderspieltermine einfach keine Alternative gab. Der Klubfußball gibt im Frühjahr den Takt vor, will keine Rhythmusstörung, wenn in den Disziplinen Meisterschaft und Abstieg die Entscheidungen fallen. Die Chance, den Kalender etwas lahmfreundlicher zu gestalten, hat die Deutsche Fußball-Liga vergeben. Ein DFB-Pokalfinale zwischen den letzten beiden Bundesligaspieltagen hätte jedenfalls kaum jemanden gestört.“
Kommentare
4 Kommentare zu “Daums Rückzieher schlägt hohe Wellen”
Mittwoch, 11. Mai 2011 um 13:00
Der letzte Beweis, falls es noch eines bedurfte, dass Daum die Realität nicht erkennt. Besser, ihn noch vor dem Spiel in Dortmund am Samstag rauszuwerfen, statt in nächstes Jahr weiter seine Hobby-Motivationskurse am Waldstadion abhalten zu lassen.
Alex Schur for president!
Mittwoch, 11. Mai 2011 um 15:29
Full Ack für Udo Murras, Widerspruch gegen Uwe Marx: Man kann nicht von friedlichen und friedliebenden Fans fordern Gewalt auszuüben. Selbstreinigungen funktionieren nur wenn es eine gemäßigte Gruppe gibt, die einerseits über die (körperlichen) Mittel verfügt sich dazwischen zu stellen, andererseits über das Verständnis dass Gewalt prinzipiell dem eigenen Verein und/oder dem Sport an sich schadet. Solche Gruppen gibt es in einigen Vereinen, aber nicht in allen. Einfach mal alle Fans in Gruppenhaft zu nehmen ist genauso falsch wie nach einem Becherwurf alle Besucher auszuschließen.
Mittwoch, 11. Mai 2011 um 15:49
Du willst Gewalt gegen gewalttätige einsetzen? Selbst wenn die friedlichen Fans das tun würden, hätte das keine „Selbstreinigung“ sondern viel mehr eine unglaubliche Eskalation zur Folge.
Gewaltlose Konfliktlösung wäre der Ansatz, um eine Eskalation der Gewalt unter den Fans zu verhindern.
Und Udo Muras verzapft auch Schwachsinn.
„Sieg und Niederlage sind systemimmanent, und deshalb muss auch dem dümmsten Fan begreiflich gemacht werden, dass es kein Recht auf Siege gibt.“
Wiederholte Niederlagen erzeugen halt Frust, selbst wenn sie systemimmanent sind. Und ne Menge Leute können mit dem Frust nicht vernünftig umgehen.
Mittwoch, 11. Mai 2011 um 16:03
„Du willst Gewalt gegen gewalttätige einsetzen? Selbst wenn die friedlichen Fans das tun würden, hätte das keine „Selbstreinigung“ sondern viel mehr eine unglaubliche Eskalation zur Folge.
Gewaltlose Konfliktlösung wäre der Ansatz, um eine Eskalation der Gewalt unter den Fans zu verhindern.“
Nein, aber um sich dazwischen zu stellen (wie ich es auch formulierte) gehört eine entsprechende Robustheit. Neben der Möglichkeit mit Gewalt abzuschrecken gehört dazu auch der Mut diese Abschreckung zu verkörpern.
„Wiederholte Niederlagen erzeugen halt Frust, selbst wenn sie systemimmanent sind. Und ne Menge Leute können mit dem Frust nicht vernünftig umgehen.“
Genau deshalb muss man es diesen Leuten ja auch beibringen. Wer all seine Hoffnungen auf etwas projiziert, das immer auch Niederlagen liefern MUSS, und dann diese Niederlagen in Frust und Gewalt umsetzt, hat Fußball nicht (oder falsch) verstanden.