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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ascheplatz

England fürchtet Blatters Zorn

Matthias Nedoklan | Freitag, 3. Juni 2011 2 Kommentare

Joseph Blatter ist der alte und neue FIFA-Präsident. Die Medien versuchen den Sumpf der FIFA auszumisten und die Briten fürchten den Zorn der ehrenwerten Fußball-Familie

Claudio Catuogno (SZ) erzählt eine bemerkenswerte Anekdote: „1981 wurde Blatter Generalsekretär des Weltfußballverbands, er löste Helmut Käser ab, einen staubtrockenen, grundsoliden Verbandsbuchhalter, der sich aus dem Amt gemobbt sah, es aber mit Fassung trug. Bis er eines Tages eher zufällig von Blatters Hochzeit erfuhr – mit seiner Tochter, Barbara Käser. Ein schönes Fest soll es gewesen sein, und der Einzige, der verbittert nicht teilnahm, war der Brautvater. Das war der Moment, berichtete Helmut Käsers Witwe später, in dem sie ihren Mann das erste Mal weinen sah. Verrat. Heuchelei. In der Selbstwahrnehmung des inzwischen 75-jährigen Volkswirts aus der Kleinstadt Visp im Oberwallis spielen derlei Aspekte natürlich keine Rolle.“

Jens Weinreich (Blog) klagt an: „Er wird heute einmal mehr zur Einheit der Familie aufrufen, gegen die Teufel von außerhalb und die bösartigen Medien. Kann er gern tun. Wenn, morgen oder übermorgen, die richtigen Dokumente ans Tageslicht befördert werden, ist es vorbei, dann stürzt sein mafioses Gebilde zusammen. Wenn keine wirkliche Enthüllung folgt, dann wird Don Julio Grondona, dann wird der Sepp und der Ricardo, dann werden all die anderen Alteingesessenen noch in hundert Jahren ihre Geschäfte machen. Der 100. Geburtstag von Joao Havelange steht ja ohnehin bald an.“

Technik ist unbestechlich

Claudio Catuogno (SZ) fragt sich, warum Blatter die Torlinien-Technik ablehnt: „Diese Haltung – die Haltung Blatters zum Kern des Spiels, über das er herrscht – erklärt eine Menge, wenn man jetzt Antworten auf die Frage sucht, wie in dieser offenbar korrupten Funktionärsclique namens FIFA Transparenz einziehen könnte. Technik ist unbestechlich, bei Menschen ist alles eine Frage des Preises. Darum geht es.“

Friedhard Teuffel (Tagesspiegel) schaut auf die britische FA: „Die Opposition in der FIFA kommt derzeit von der Insel. Die Engländer wollten nach all den Korruptionsvorwürfen nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen. Punkt 14 wollte der englische Fußballverband FA kippen, Wahl des Präsidenten. FA-Präsident David Bernstein könne diese Wahl nicht gutheißen, in der ein König ohne Gegner bestimmt werde. Das widerspreche seinem Demokratieverständnis.“

Parteitag in Nordkorea

Matt Scott (The Guardian) fürchtet um die Rolle der FA innerhalb der FIFA: „Im Moment des Triumphes nach seiner Wahl zum Präsidenten, die eher an Parteitag in Nordkorea als an eine Demokratie erinnerte, zeigte sich Sepp Blatter nachsichtig mit der FA. FA-Präsident David Bernstein ist gut beraten ihm kein Wort zu glauben.“

Thomas Kistner (SZ) reibt sich die Augen: „Als Blatter aufstand, um für den Wahlprozess den Saal zu verlassen, erhob sich ein Freund aus unbeschwerten Tagen und streifte durch die Tischreihen: Jean-Marie Weber, einst Chefmanager der bankrott gegangenen Sportvermarktungsagentur ISL. Die hatte von 1989 bis 2001 über 100 Millionen Dollar Schmiergelder an Sportfunktionäre ausgeschüttet, das stellte 2008 ein Schweizer Strafgericht fest – und auch, dass Weber der Geldverteiler war. Weber arbeitet weiter im Fußball und war für den Kongress akkreditiert.“
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Jack the Ripper

Carsten Eberts (SZ) sucht nach Gründen für den Sinneswandel von Jack the Ripper: „Die Vermutung liegt nahe, dass  Jack Warner die Zeichen der Zeit erkannt hat. Blatters Wiederwahl war für ihn nicht zu verhindern – also stellte er sich weider auf die Seite des Schweizers. Wer in der FIFA noch etwas werden will, hat als Gegner Blatters eben keine allzu guten Chancen.“

Paul Hayward (The Guardian) begrüßt die Außenseiterrolle, die auf die englische FA nun zuzukommen scheint: „Der englische Fußball zieht sich in seine 757 Mio. Pfund Burg zurück. Nachdem das Warnsignal was man senden wollte, in unsere Kehle gerammt wurde, kommt die Schweiz zur EM-Qualifikation nach Wembley. Wir müssten schon 10:0 verlieren um die Schlappe auf dem FIFA-Kongress akkurat nachzubilden.“

Paul Kelso (The Telegraph) fürchtet um die FA-Privilegien: „Es gab auf dem Kongress Gemunkel, ob man den Briten nicht die Rechte immerhin vier der acht Wächter im Regelboard zu stellen, streitig macht. Und auch die garantierte Vize-Präsidentschaft im Exekutivkomitee kann der wütenden FIFA zum Opfer fallen. Jetzt kommt es auf die Geschlossenheit der UEFA an, ihre Stimmen könnten eine Rache an England verhindern.“

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Kommentare

2 Kommentare zu “England fürchtet Blatters Zorn”

  1. OF
    Freitag, 3. Juni 2011 um 11:43

    Hier noch ein Nachtrag von der Meinungsseite der Berliner Zeitung:
    http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2011/0603/meinung/0013/index.html

  2. Hans Klemm
    Montag, 6. Juni 2011 um 14:22

    FIFA- was kommt denn noch an`s Tageslicht?

    Es war bereits vor seiner erfolgten 4.Wahl zum Präsidenten und Übervater der leider teilweisen mafiösen (nur ohne Waffen)Weltfußball-Familie bekannt:
    einige Senioren dieses Clans schleppen sich mit „einem Krebsgeschwür der Korruption“ aller vier Jahre zur Wahlurne, wo es trotz der längst aufzudeckenden Skandale, ausgerechnet lt. DFB-Präsident Dr.Zwanziger, keine Alternative zu einer anderen Leitperson geben kann. Als Jurist sollte allerdings unser neuaufgenommenes Mitglied des aus 24 Personen bestehenden Exikutivkomitees ganz genau wissen, dass die erst im August 2010 überarbeiteten Statuten exakt einzuhalten sind.
    Werden Verfehlungen einzelner Mitglieder bekannt, sind diese mit allen Mitteln des Gesetzes hart zu bestrafen. Sein Vorgänger, Franz Beckenbauer, wird wohl genau wissen, warum er seinen Platz räumte und damit die sektenähnliche Fußballfamilie mit Inzuchtcharakter verließ. Es wird wohl nicht nur an seinem verhältnismäßig jungen Alter gelegen haben, um sich endlich den Einschüchterungen seiner älteren Kollegen entziehen zu können.
    Immer, wenn von der „Kartarstrophe“ wegen der Vergabe der WM 2022 die Rede ist, wird es im
    Gedächtnis unseres „Kaisers“ zum gleichen Thema, nur 2006, zucken. Bekanntlich soll der damalige DFB-Chef Braun mit dem UEFA-Boss Johannson im Jahr 2000 gegen Mitbewerber England einen Plan geschmiedet haben, um möglichs 2006 die Bewerbung für Deutschland (mit einer Stimme mehr) durchsetzen zu können.

    Die Schwalben pfeifen es auch von den Dächern,
    dass sich Australien rechtzeitig von der Bewerbung der Frauen Fußball-WM zurückziehen sollte, um Deutschland dafür stark zu machen.
    Im Gegenzug wollte Deutschland Australien für
    die Nominierung zur WM der Männer „helfen“.

    Während sich in ein paar Wochen unser Land als tatsächlicher WM-Gastgeber ökonomisch stärken wird und dabei einen riesigen Imagegewinnt erhält, schauen die Freunde aus der Ferne in die Ferne, weil plötzlich Schmiergelder aus anderen Richtungen dieses Ziel durchkreuzten…..

    Das Gefühl lässt mich nicht los, dass die neu
    angestrebte Wahländerung in der FIFA nicht ausreichen wird, um die nun auf J. Blatter angesetzten Journalisten abzuschütteln, die sich für seinen vorzeitigen Rücktritt stark machen werden.

    Übrigens dachte bereits der Autor dieser Zeilen vor einem halben Jahr über den Zustand der FIFA nach:
    :http://www.nnz-line.de/news/news_lang.php?
    ArtNr=82335

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