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Deutsche Elf

Das Aus für den Capitano – Löw verabschiedet Ballack

Kai Butterweck | Freitag, 17. Juni 2011 52 Kommentare

Michael Ballack spielt in den Planungen von Joachim Löw keine Rolle mehr. Die Presse beschäftigt sich intensiv mit der Entscheidung des Bundestrainers

Michael Horeni (FAZ) zeigt sich keineswegs überrascht: „Der Abschied von Michael Ballack, den Joachim Löw nach ganz vielen Raten per Pressemitteilung verkündete, war längst keine Überraschung mehr. Die Abschiedsmeldung aus dem Hause DFB ist mehr als ein Kommunikationsdesaster zwischen dem ersten Fußballtrainer des Landes und dem lange einzigen deutschen Weltklassespieler. Das Schweigen Ballacks ist auch beredter Beleg eines Kampfes zwischen Kapitän und Bundestrainer, in dem der Stolz auf vergangene Größe einerseits und der Anspruch auf die Teamführung ohne Rücksicht auf alte Verdienste andererseits nicht mehr zueinander fanden.“

Joachim Löw hat lange auf Ballacks sportliche Genesung gewartet

Klaus Hoeltzenbein (SZ) nimm Jogi Löw in Schutz: „Eine Fußball-Nationalelf ist ein Hochleistungsbetrieb junger Männer, der kurzfristig am Resultat beurteilt wird. Gemessen daran hat Joachim Löw lange auf Ballacks sportliche Genesung gewartet. Der Bundestrainer hat die Tür nicht ratzfatz zugeschlagen, als bei der von jugendlichem Elan geprägten WM 2010 in Südafrika offensichtlich wurde, wie sich die Nationalelf von ihrem – damals verletzten – Kapitän nicht nur sportlich emanzipiert. Auch menschlich suchte sie Distanz. Löw räumte Ballack anschließend eine enervierend lange Chance ein, selbst zu erkennen und zu erklären, wann es vorbei ist.“

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Holger Gertz (SZ) blickt wehmütig zurück: „Michael Ballack hat sein letztes Länderspiel gegen Argentinien gemacht. Dann kam die Verletzung, die Weltmeisterschaft ohne ihn, die makellose EM-Qualifikation ohne ihn. Es gab kein Spiel, in dem man Ballack vermisst hätte, mit einer Ausnahme. Das WM-Halbfinale gegen Spanien. Es war ein Spiel in dem man mit Debatten nicht weiterkommt. Es wäre Ballacks Spiel gewesen. Er hätte den Fuß drübergehalten, er hätte dazwischengegrätscht. Er hätte den Spaniern Angst eingejagt, und er hatte ja schon so viele Tore gemacht mit seinem Wuschelkopf. Er hätte geweint. Der alte Ballack führt die Jungs zum Titel, hätte in der Zeitung gestanden. Aber so geht seine Geschichte nicht.“

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Das Schicksal der ungünstigen Geburt.

Thomas Hummel (sueddeutsche.de) erklärt das Schicksal zum Schuldigen: „Der Weltklassespieler Michael Ballack wuchs in eine Zeit des deutschen Fußballs hinein, die ihm einfach die Weltklassemitspieler verweigerte. So musste er im Laufe des folgenden Jahrzehnts viel alleine regeln, was ihm bisweilen erstaunlich gut gelang. Was aber nicht zum ersehnten großen Titel führte, an dem im titelverwöhnten Deutschland so viel gemessen wird. Jetzt ist die Karriere des inzwischen 34-Jährigen in der Nationalmannschaft beendet. Mit dem Ende schließt sich der Kreis: Dieses Ende kommt betrüblich daher, mit einem schalen Beigeschmack, dass hier einer der besten deutschen Fußballer so nebenbei in die Mottenkiste verramscht wird. Dabei ist dieses Ende niemandem wirklich vorzuwerfen. Es ist, wenn man so will, das Schicksal der ungünstigen Geburt.“

Christian Gödecke (Spiegel Online) trauert um den Ex-Capitano: „Für mich werden Sie immer der beste deutsche Spieler der Jahrtausendwende sein. Mit unfassbarem Talent gesegnet, torgefährlich, laufstark, kopfballstark, robust und trotzdem technisch brillant. Ein Spieler mit natürlicher Autorität, klug und umsichtig. Ein Kapitän, der sich nie anbiederte, sondern die Klappe weit aufriss, wenn das Spiel der deutschen Mannschaft mal wieder zu leichtfertig wurde. Einmalig, wenn man so will. Denn wann gab es mal so viele Fähigkeiten vereint in einer Person?“

Niemand wartete auf Michael Ballack

Michael Rosentritt (Tagesspiegel) hat den vermeintlichen Moment des Anfangs vom Ende vor Augen: „Als Ballack während des Turniers nach Südafrika zur Mannschaft flog, musste er feststellen, dass niemand auf ihn wartete. Er fand ein funktionierendes Gebilde vor, in dem jeder seine Aufgabe hatte. Nur er nicht mehr. Ballack blieb außen vor und fühlte sich unwohl.  War das also der Moment, an dem die Zeit über ihn hinweg gegangen war? Und wenn ja, warum hat er es nicht gemerkt? Und wenn nicht, warum hat es ihm niemand gesagt?  Alle spürten es, als die junge Mannschaft in Südafrika erst England und dann Argentinien aufmischte. Alle, Trainer, Spieler, Gegner. Keiner hat es gesagt. Bis heute nicht.“

Martin Henkel (Berliner Zeitung) erzürnt sich über die DFB-Verantwortlichen: „Es steht die Frage im Raum, ob diese Wortleichen tatsächlich auf Löws Konto gehen, oder einer aus der DFB-Pressestube die Tat beging. Aber das ändert nichts am Geist dieses Briefes, der in der Geschichte des DFB und seiner Spielführer ohne Vergleich ist. Noch nie ist ein Kapitän schäbiger verabschiedet worden als Michael Ballack. Das Ende einer honorablen Ära auf einer unansehnlichen Webseite zu verkünden, ist für sich betrachtet schon ein ziemlich fantasieloser Auftritt.“

Viel zu lange hat Löw mit dem finalen Urteil gewartet

Mathias Schneider (stern.de) zeigt mit dem Finger auf Joachim Löw: „Viel zu lange hat Löw mit dem finalen Urteil gewartet. Und raubte so dem stolzen Ballack, der nur durch eine Verletzung als Kapitän um die Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Südafrika gebracht worden war, jede Chance auf ein versöhnliches Finale. Während Akteure wie der Verteidiger Arne Friedrich nach schweren Verletzungen oder Formkrisen zuletzt wieder lautlos in den Kreis der Bundesauswahl integriert wurden, sah sich ausgerechnet der einstige Boss Ballack nach seinen Blessuren mit einem wahren Anforderungskatalog Löws konfrontiert, der nichts Gutes für ihn ahnen ließ. Statt ihm schnell und schmerzlos in einem offenen Gespräch den Verzicht zu erklären, ließ der Bundestrainer Ballack über Monate zappeln – ganz so, als habe der Mittelfeldspieler noch eine Zukunft, wenn er nur wieder groß aufspielen würde. Dabei liegt der Verdacht nahe: Löw plant schon seit Südafrika nicht mehr mit Ballack.“

Stefan Osterhaus (NZZ Online) schließt sich dem Poltern an: „Löw löste das Problem Ballack auf eine für ihn bewährte Art: Er saß es aus. Noch zum letzten Weihnachtsfest hatte er Ballack eine Rückkehr als Captain in Aussicht gestellt. In Anbetracht der Form Ballacks bot Löw damit eine Zukunftsperspektive mit für ihn geringem Risiko. Tatsächlich war eine Rückkehr des Captains schon damals unwahrscheinlich. Und dass Löw die Entscheidung jetzt in der Sommerpause verkündet, wo die öffentliche Aufmerksamkeit nicht so stark wie sonst auf dem Fussball liegt, passt ebenfalls ins Bild.“

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Kommentare

52 Kommentare zu “Das Aus für den Capitano – Löw verabschiedet Ballack”

  1. Thor
    Montag, 20. Juni 2011 um 22:57

    Und Ballack ließ ja auch ausrichten: „In diesem Gespräch [im März] vermittelte er mir, dass er mich nach meinen Verletzungen wieder auf einem guten Weg sieht und durchaus daran glaubt, dass ich es in jedem Fall noch einmal schaffen kann, in die Nationalmannschaft zurückzukehren. Er hat mich motiviert und aufgefordert, nicht hinzuschmeißen“.

    Aha. Und genau deswegen war ja sonnenklar, dass..ach lassen wir ihn selber zu Wort kommen:

    „Es war klar und unmissverständlich von beiden Seiten vereinbart, dass ich meine Entscheidung, zurückzutreten, in Ruhe in der Sommerpause selbst verkünden darf.“

  2. Rob
    Dienstag, 21. Juni 2011 um 18:17

    Ballack erklärt selbst in der Sommerpause seinen Rücktritt und es gibt kein Problem.

    Aber beim DFB geben sie ja so gerne Erklärungen ab.

    Und der Bundestrainer gefällt sich in der Rolle, Telefongespräche erst wochenlang in Zeitungen anzukündigen.
    Wie peinlich ist das eigentlich?

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