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Frauenfußball – Wohin damit?
| Dienstag, 28. Juni 2011Die Presse schwankt: Soll sie Frauenfußball ernst nehmen, mit normalen Spielberichten abbilden und schwache Leistungen kritisieren? Oder geht es doch eher um die tränenrührigen Geschichten der Amateure, Integrierten und Außenseiter?
Kathrin Steinbichler (SZ) erweist den Frauen vielleicht die größte Ehre, in dem sie, anders als Viele, einfach nüchtern einen Spielbericht des Auftakts gegen Kanada abliefert, fernab der großen Botschaften von Integration, Gleichberechtigung und liebevoller Bewunderung: „Soll bloß keine glauben, so ein am Ende umkämpfter Auftaktsieg genüge für das große Ziel, den dritten Weltmeistertitel nacheinander. Noch vor der Abreise des deutschen Nationalteams am späten Montagmittag zum nächsten Spielort Frankfurt am Main setzte sich Neid deshalb mit Assistenztrainerin Ulrike Ballweg für die Spielanalyse an den Laptop. Schon am Donnerstag geht es gegen Afrikameister Nigeria, das vermeintlich schwächste Team in der Vorrundengruppe A. Doch beim Wort Schwäche rümpfte Neid nur kurz die Nase, es erinnerte sie an die Fehler, zu denen sich ihre Elf in diesem ‚verrückten Spiel hatte hinreißen lassen.“
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Ulrich Hartmann (SZ) freut sich über das Zuschaueraufkommen bei einem eher exotischeren WM-Spiel zwischen Japan und Neuseeland: „Beim dritten Spiel dieser WM hätte ein signalgebender Eindruck davon entstehen können, wie viele Menschen sich in Deutschland wirklich für ein Frauenfußballspiel zweier auf der anderen Seite des Globus beheimateter Mannschaften interessieren. Aber weil Bochum bloß eine halbe Autostunde von Düsseldorf entfernt ist, wo mit sechseinhalbtausend Japanern die größte japanische Gemeinde Deutschlands lebt, hatten die Asiatinnen am Montag im sonnendurchfluteten Stadion eine Art Heimspiel. Überall flatterten Fähnchen mit rotem Punkt auf weißem Grund, gewedelt von fröhlichen Menschen aus Fernost, sehr viele von ihnen Kinder.
Thomas Klemm (FAZ) greift zur Lyrik: „Ihre WM-Mission haben die japanischen Fußballfrauen am Montag doppelt erfüllt. Zum einen kam Nippons Nationalteam erfolgreich dem Auftrag nach, sich im Namen der Landsleute für die internationale Unterstützung nach Tsunami und Atomkatastrophe von Fukushima zu bedanken. Zum anderen schickten die Japanerinnen eine frohe Botschaft in die Heimat. Im Auftaktspiel der Gruppe B wurden sie ihrer Rolle als Geheimfavorit gerecht und starteten mit einem 2:1-Erfolg über Außenseiter Neuseeland in ihre sechste WM. Damit zeigte die Mannschaft, zuhause Nadeshiko (Prachtnelke) genannt, dass Japans Frauenfußball im deutschen WM-Sommer vollends erblühen könnte.“
Sven Goldmann (Tagesspiegel) schimpft: „Bei den Japanerinnen soll es sich ja um einen Geheimfavoriten handeln, aber sie sind ein so geheimer Favorit, dass davon am Montag nicht viel zu sehen war. Von taktischer Grundordnung war wenig zu sehen, und die permanente Feldüberlegenheit verpuffte zumeist in technischen und gedanklichen Fehlern. Da half auch das frühe 1:0 nichts, eingeleitet von einem grausamen Fehlpass der Neuseeländerin Katie Hoyle, in deren Folge Yuki Nagasato schon nach sechs Minuten ganz allein aufs Tor zukaufen durfte. Die Potsdamerin hob den Ball mit dem linken Fuß elegant über die zögernde Torfrau Jenny Bindon.Neuseeland hat noch nie ein WM-Spiel gewinnen können, und eine große Wende dürfte es in den nächsten Spielen gegen Mexiko und England kaum geben.“
Englische Torhüter sind schlecht – egal ob Mann oder Frau
Boris Herrmann (SZ) sieht ein Klischee des Weltfußballs auch bei der Partie zwischen Mexiko und England bestätigt: „Englands Torhüterin Karen Bardsley hat gerade in einem Gastbeitrag dargelegt, weshalb es ein Klischee sei, dass der Frauenfußball ein Torwartproblem habe. Falls das zutrifft, dann hat Bardsley bei Ocampos Ausgleichstor allerdings ein anderes Klischee bestätigt: England hat ein Torwartproblem.“
Lars Spannagel (Tagesspiegel) schlägt in dieselbe Kerbe: „Es gibt anscheinend Gewissheiten im Fußball, die über Geschlechtergrenzen hinaus gelten. Menschen aus Brasilien – egal ob männlich oder weiblich – haben eine besonders innige Beziehung zum Ball, deutsche Mannschaften beiderlei Geschlechts sind kampstark und gut organisiert. Der Montag brachte eine weitere Gewissheit: Wer auch immer im Tor einer englischen Nationalmannschaft steht, ist immer für einen kleinen Patzer gut. Im WM-Vorrundenspiel der Gruppe B half die englische Keeperin Karen Bardsley den bis dahin hilflosen Mexikanerinnen ins Spiel, indem sie an einem Fernschuss vorbei sprang, der sich zum 1:1 ins Netz senkte.“
Klaus Hoeltzenbein (SZ) gerät ins Schwärmen: „Natürlich hatte Zwanziger, der in seiner Amtszeit als DFB-Präsident onkelhaft über seine Fußballfrauen wacht, Druck ventilieren, Erwartungen dämpfen wollen. Er hat die Frauen-Nationalelf vor dem Duell mit der Männer-Nationalelf schützen wollen, vor dem direkten Vergleich in öffentlicher Wahrnehmung.Und dann diese Zahlen: 18 Millionen Zuschauer in der Spitze, trotz Sommersonnenwetters bundesweit, 15,37 im Schnitt, 60,1 Prozent Marktanteil für die ARD beim Auftaktsieg gegen Kanada. Rekorde, Rekorde, damit sind die Frauen sogar den 2010er WM-Quoten der Löw-Jungs nicht mehr fern.“
Claudio Catuogno (SZ) reizt gerade das Andersartige und Besondere im Frauenfußball; nicht der ewig hinkende Vergleich zu den männlichen Millionären: „Früher hat Kerstin Garefrekes Sozialhilfe-Anträge bearbeitet, da lernt man schon eine Menge über das Leben. Inzwischen arbeitet sie in Teilzeit in der Stadtkämmerei, im Controlling. Sie hat zwei WM-Titel, zwei EM-Titel und zwei olympische Bronzemedaillen gewonnen, dazu den Uefa-Cup, die Meisterschaft und den DFB-Pokal. Sie lebt für ihren Sport. Aber das Vollprofitum, nach dem nun viele streben im Frauenfußball, hat Kerstin Garefrekes nie gereizt.Man darf das durchaus eine interessante Geschichte finden: dass die Spielerin, die am wenigsten nach materiellen Werten strebt, für ihr Team gerade am wertvollsten ist.“
Die politisch überkorrekte WM
Carsten Eberts (SZ) stellt Celia Okoyino da Mbabi in die lange Reihe der gelungen integrierten Nationalspieler: „Célia Okoyino da Mbabi ist eine Figur, wie sie zu dieser politisch überkorrekten WM perfekt passt. Sie ist französisch-kamerunischer Herkunft, nahm als Jugendliche die deutsche Staatsbürgerschaft an; sie hat Abitur, studiert in Koblenz Kulturwissenschaften, engagiert sich zusammen mit Sami Khedira und Cacau beim DFB als Integrationshelfer.“
Auch Daniel Meuren (FAZ) bejubelt den weiblichen, gefühlten Mesut Özil: „Diese Lockerheit bewies sie auch bei ihrem Treffer in der 42. Minute, als sie von der Mittellinie aus unbedrängt auf Torhüterin Erin McLeod loszog. Manche Stürmerin kommt dabei allzu sehr ins Nachdenken, vor allem vor einer so ungewohnten Kulisse. Kurz vor der ersten WM mit der A-Nationalmannschaft endete der steile Aufstieg des Sturmtalents freilich nach einem Schienbeinbruch im Sommer 2007. Celia Okoyino da Mbabi verpasste das Turnier und musste sich wieder herankämpfenNeben ihren Verdiensten auf dem Platz leistet sie noch an einer zweiten Front wichtige Arbeit im Auftrag des DFB: Als ehrenamtliche Integrationsbotschafterin soll sie mit ihrem Lebensweg als glaubwürdiges Vorbild für andere Mädchen mit Migrationshintergrund dienen.“
Holger Gertz (SZ) interpretiert den Zeitgeist der Fußballsammelbilder – schließlich hat Panini eine nordkoreanische Spielerin im offiziellen Sammelalbum vertausch: „Fußballbilder-Alben sind immer Dokumentationen ihrer Zeit. Früher standen die deutschen Nationalspieler wie Soldaten, Hand an der Hosennaht. In den Siebzigern ähnelten die Porträts der Fußballer denen, die auf dem Terroristenfahndungsplakat in der Hauptpost hingen. Die Nordkoreanerinnen sehen aus, wie Ostblocksportlerinnen zu Zeiten des Kalten Krieges ausgesehen haben. Kein Lächeln, kein Schmuck. Keine Freude, aber – im Gegensatz zu den Sowjetkämpferinnen früher – auch keine Spur von Bedrohlichkeit. Als wären Tischfußball- Figuren kurz von den Eisenstangen genommen worden, für ein Porträt in Nahaufnahme.“
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Daniel Meuren (FAZ) wagt den Angriff auf eine Institution des Fußballjournalismus, die sich weiterhin dem medialen Sommermärchen um ‚unsere Mädels‘ verschließt: „Man muss einfach davon ausgehen, dass die Blattmacher beim Kicker sich ins Fäustchen gelacht haben bei der Gestaltung der Titelseite ihrer Montagsausgabe. Am Abend vorher hatten die deutschen Frauen ihr erstes WM-Spiel bestritten. Zu spät, um das Ergebnis des Spiels auf die erste Seite der recht früh produzierten Hochglanzseite zu hieven. Aber eine Frau hätte dem Cover ausnahmsweise mal ganz gut gestanden. Stattdessen strahlen den Leser sogar in der Sommerpause wie üblich Männergesichter an, dieses Mal jene von Mario Götze und Julian Draxler. Und darunter steht die Zeile ‚Starke Jungs‘. Respekt! Soviel Distanz zum Frauenfußball muss man als Fachmagazin in diesen Tagen erst einmal hinbekommen.“
Kommentare
6 Kommentare zu “Frauenfußball – Wohin damit?”
Dienstag, 28. Juni 2011 um 17:35
Von den hier aufgeführten und zitierten Artikeln ist nur eine weibliche Schreiberin dabei, von 12 Artikeln insgesamt. Da fragt man sich doch, wie es wahrlich um den Stellenwert und der medialen Darstellung des Frauenfußballs in D-Land steht.
Dienstag, 28. Juni 2011 um 18:14
Ich bin für normale sachliche Berichte mit sachlicher Spielberichterstattung und Kritik statt peinlichen Macho-Sprüchen, Palaver über das Aussehen der Nationalspielerinnen und Interviewfragen a la „Wer schminkt sich vor dem Spiel?“ etc.. Schließlich geht es hier um einen sportlichen Wettkampf, das haben aber leider 2/3 der männlichen Sportreporter inklusive der ARD-Fussball-Moderatoren noch nicht begriffen…
Dienstag, 28. Juni 2011 um 18:21
Das Problem ist nur, kritisiert man den Frauenfußball (und die Spiele sind ja durch die Bank leider grottig), dann wird man gleich an den Pranger gestellt und eine Millionen Feministen prügeln auf einen ein.
Was anderes ist, wenn eine Frau, die schon einmal gespielt hat die Spielweise kritisiert, da ist alles eitel Sonnenschein.
Die Berichterstattung im Fernsehn ist auf jeden Fall grausam, alles war super, exzellent usw usf. selten traut sich mal der Moderator zu sagen, dass die Pässe nicht ankommen, die Tore von nem F-Jugend Torwart verhinder worden wären etc… aus Angst vor der moralischen Keule, oder weil sie es nicht besser können?!
Dienstag, 28. Juni 2011 um 22:36
…Daniel Meuren, seines zeichens FSV-Mainz-Anhänger und Eintracht-Hasser, ist definitiv einer der größten Dummbabbler, in den Sportredaktionen dieses Landes.
Was der sich eigentlich immer rausnimmt, schleimiger Schnösel, dummbabbelnder.
Den Kicker kann man sicher für vieles kritisieren – dafür, dass er sich diesem Event-Hype (um Fußball gehts da doch den allermeisten gar nicht…) verschließt, ist in meinen Augen (habe mein Abo aus anderen Gründen im Vorjahr gekündigt) ein absoluter Pluspunkt für dieses Magazin.
Frauenfußball? Bockt mich nicht großartig; kann aber auch dieses Klischee-beladende Geschwätz nicht mehr hören – weder von den Machismo-Anhängern und, noch viel schlimmer, dieses politisch überkorrekte Gesäusel, welches dieser Tage die Medienlandschaft beherrscht.
Habe allerdings auch von der EM2008 oder der WM 2010 keine Minute bewusst wahrgenommen – wie ich allgemein keinen Fußball mehr im TV schaue.
Hm, fällt mir ein… – eigentlich schau ich gar keinen TV mehr. Muss wohl daran liegen, dass dieses Verdummungsmedium in meinem Leben keinen Platz mehr hat.
Fußball? Bis 2005 den Kicker rauf- und runtergelesen – bis 2010 (mehr aus Tradition…)im Abo gehabt.
Es ist doch alles nur noch manipulierender Tand.
Ich fahr in jedem Jahr im Schnitt zu 50-60 Spielen meiner favorisierten Mannschaft –
das ist Fußball (auch wenn es da an den Spieltagen in den oberen Klassen auch zunehmend nervt – solange noch genug „Asoziale zum Fußball fahren und einen Rest von echtem Fußballodem hinterlassen.
Nicht diese Eventkacke.
18 Millionen schauen sich im TV dieses Kreisklassengekicke – nicht, dass ich den „echten Fraußenfußballfans“ etwas absprechen möchte – jede Sportart hat sicher ihre „wahren Fans“ – aber DAS stellt dem „deutschen Volk“ (oder wie auch immer man das nennen mag) kein gutes Zeugnis aus…
Mittwoch, 29. Juni 2011 um 10:07
Ich bin seit meinem 7. Lebensjahr geistig und körperlich abhängig von Fußball. Ich liebe Fußball. Und ich gucke mir im Fernsehen fast jeden Quatsch an, egal welche Liga, egal welches Land. „In echt“ gebe ich’s mir auch noch. Und ob da Frauen, Männer, Kinder, Hunde oder Katzen kicken, ist mir egal. Hauptsache es unterhält mich gut.
Ich habe mir ein paar Sachen der Frauen-WM angeguckt. Das werde ich im Laufe des Turniers nur noch selten tun. Diesess Niveau bekomme ich um die Ecke in unterklassigen Ligen geboten.
Das ist nicht political correct, es ist aber auch nicht frauenfeindlich. Es ist einfach so, wie ich es empfinde.
Nixwisser
Mittwoch, 29. Juni 2011 um 14:30
@nixwisser: so seh ich das auch.
Bin im übrigen nicht die Lena von oben, wer sich da meinen Nick geschnappt hat…
Obwohl meine Nichte dieses Jahr fast deutsche Meisterin beim Nachwuchs geworden wäre, empfinde ich Frauen-Fußball als eine andere Sportart. Insbesondere am Fernsehen, wer also ManU-Barcelona oder andere geniale Spiele angeschaut hat, der fühlt sich schon bisschen an Jugendfussball erinnert. Hatte mir schon überlegt, die Spiele aufzunehmen und per 1.2 fast forward anzuschauen. Alles sonst so langsam und soviel Zeit an den gefährlichsten (Männerfußball) Orten, wobei hier kaum was bei rumkommt.
Naja, vielleicht wirds ab dem Halbfinale doch ganz nett, in Südafrika gabs ja auch ein paar grottige Spiele… ganz aufgegeben hab ich nicht…