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Deutschland nach dem WM-Aus – Wie geht es jetzt weiter?
| Mittwoch, 13. Juli 2011Die Presse beschäftigt sich nach dem WM-Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft mit der Zukunft des Teams von Silvia Neid. Außerdem: Freude an allgemeinen Entwicklungen und die Magie der Spannung
Peter Ahrens (Spiegel Online) blickt zuversichtlich in die Zukunft: „An der Qualität des Kaders gibt es relativ wenig Zweifel. Im WM-Aufgebot standen, selbst wenn man Prinz und Hingst herausrechnet, 15 Europameisterinnen von 2009 . Elf von ihnen waren auch schon beim WM-Triumph 2007 in China dabei. Das Durchschnittsalter der Mannschaft liegt derzeit bei rund 26 Jahren. Von Überalterung kann man daher nicht sprechen. Im Gegenteil: Leistungsträgerinnen wie Melanie Behringer (25), Simone Laudehr (24) oder Linda Bresonik (27) sind 2013 quasi im besten Fußballerinnenalter. Und jetzt haben sie auch noch die Erfahrung, wie es ist, unter maximalem Erwartungsdruck ein Turnier zu absolvieren. 2011 waren sie diesem Druck nicht gewachsen. In zwei Jahren in Schweden oder bei der kommenden WM 2015 in Kanada werden sie wieder unter deutlich geringerer medialer Aufmerksamkeit aufspielen. Man darf davon ausgehen, dass ihnen das gut tun wird.“
Grund genug eine Reformierung des Teams und des Stils anzumahnen
Matti Lieske (Berliner Zeitung) fordert hingegen einen Umbruch: „Unter dem Strich war das 0:1 gegen Japan eine etwas unglückliche Niederlage gegen ein ungefähr gleichwertiges Team bei einem hervorragend besetzten Turnier. Kein Grund, die sofortige Entlassung der Bundestrainerin zu fordern, deren Vertrag gerade ohne Not und ein bisschen üppig bis 2016 verlängert wurde. Grund genug jedoch, eine Reformierung des Teams und des Stils anzumahnen. Der Trend geht auch im Frauen-Fußball dahin, auf jeder Position Leute zu haben, die technisch guten Kombinationsfußball spielen können. Dafür ist bis zur EM 2013 eine weitere Verjüngung erforderlich, und das betrifft nicht nur die über 30-Jährigen. Frauen-Fußball ist junger Fußball, mit einem Altersschnitt von knapp über 26 war der deutsche Kader bereits der viertälteste dieser WM. Die entsprechenden Talente sind vorhanden. Immerhin ist Deutschland amtierender U20-Weltmeister.“
Keine Nachwuchsprobleme beim DFB
Lars Spannagel (Tagesspiegel)beschäftigt sich bereits mit der nächsten Generation: „Nachwuchsprobleme hat der Deutsche Fußball-Bund jedenfalls nicht. Die deutsche U-19-Auswahl wurde in Italien gerade Europameister, im Finale gab es dabei sogar ein überdeutliches 8:1 gegen Norwegen. Die deutsche U-19-Kapitänin Ramona Petzelberger ist in der Bundesliga längst Stammspielerin beim SC Bad Neuenahr 07, ihr könnte schon bald der Sprung in den Kader der A-Nationalmannschaft gelingen. DFB-Nachwuchstrainerin Maren Meinert jedenfalls hat einen kurzen Draht zu Silvia Neid: Die 37 Jahre alte langjährige Nationalspielerin gehörte auch bei der A-Weltmeisterschaft zum deutschen Betreuerstab und half im Training sogar als Spielerin aus, wenn der Kader aufgrund von Verletzungen ausgedünnt war.“
Christian Kamp (FAZ) entzieht der deutschen Mannschaft die Vormachtstellung im Frauenfußball: „Was diese WM in überraschender Deutlichkeit gezeigt hat, ist, dass es den Vorsprung, den der deutsche Frauenfußball gegenüber einem Großteil der Konkurrenz stets innehatte, so nicht mehr gibt. Nicht technisch, da waren die Japanerinnen eine Klasse besser. Nicht taktisch, das zeigten sowohl die Defensivstrategien, an denen sich das DFB-Team die Zähne ausbiss, als auch die eigene Unfähigkeit, das Spiel zu gestalten. Und auch nicht physisch, womit den Deutschen der letzte bislang so verlässliche Trumpf abhanden gekommen ist. Für den Frauenfußball insgesamt mag das eine erfreuliche Entwicklung sein, für Silvia Neid und ihr Team bedeutet das aber jede Menge Arbeit – unter erschwerten Bedingungen.“
Wer will so etwas sehen?
Deniz Yücel (taz) freut sich über die allgemeine Entwicklung: „Was war das für eine Weltmeisterschaft: Zum Auftakt schlägt Deutschland Argentinien mit 11:0, im Finale Brasilien mit 2:0. Mit der unglaublichen Bilanz von 21:0 Toren werden die Deutschen 2007 Weltmeisterinnen. Wie schön. Wie öde. Denn, Hand aufs Herz: Wer will so etwas sehen? Ein paar Knallchargen vielleicht, denen Deutschland am Herzen liegt, denen der Fußball aber herzlich egal ist. Groß war die Befürchtung, es könnte wieder so werden. Man dachte, die Deutschen hätten zwei halbwegs ernste Gegnerinnen, insgesamt sei das Leistungsgefälle zu groß, der dritte WM-Titel in Folge sei eine vielleicht zu leichte Sache. Zum Glück erleben wir nun ein ganz anderes Turnier: Noch kann zwar nicht jedes Frauenteam jedes schlagen, aber die Zahl derer, die um den Titel mitspielen oder mitgespielt haben, ist beachtlich groß.“
Die große Depression der Fernsehzuschauer ist bislang nicht eingetreten
Carsten Eberts (SZ) fürchtet keinen Interessen-Einbruch nach dem Ausscheiden der deutschen Nationalelf: „Die Zuschauer sind nicht nur deprimiert über das vorzeitige Turnier-Aus. Sie haben auch noch diese WM an der Backe, deren Finale erst am Sonntag stattfindet. Die große Frage ist: Was fangen die Deutschen mit diesem Turnier noch an? Die WM-Organisatoren sind entsprechend bemüht, den Betrieb mit aller Macht am Laufen zu halten. Die ganz große Depression der Fernsehzuschauer ist bislang jedenfalls nicht eingetreten: Im Schnitt 6,08 Millionen Zuschauer verfolgten am Sonntagabend den Elfmetersieg der US-Amerikanerinnen gegen Brasilien; fast so viele wie die Formel 1 mit Sebastian Vettel in Silverstone. Die Weltmeisterschaft ist immer noch ein Event; und Events betrachtet der Deutsche schließlich gerne. Wenn auch nicht mit 17 Millionen Fernsehzuschauern wie bei Deutschland gegen Japan.“
Es geht um das eine Tor mehr
Jan Veddersen (taz) lüftet das „Geheimnis des Fußballs“: „Bei der Partie der Deutschen erloschen alle Wünsche auf Erlösung mit dem Schlusspfiff. Es wollte nicht nur kein Tor fallen, es waren auch keine Chancen zu erkennen. Anders im Spiel am Sonntagabend: Wambach erfüllte das Sehnen des Stadionvolks, das auf den Ausgleich zum 2:2 hoffte. Der Treffer der nachgerade orgiastisch sich freuenden Torschützin fiel so knapp vor dem Schlusspfiff, war so perfekt in die Inszenierung der Zeit gelegt, dass auf den Rängen der Rudolf-Harbig-Arena so etwas wie Euphorie fühlbar wurde. In diesem Jubel war endlich alle pädagogische Last von dieser WM genommen: Frauenfußball – super, oder? In diesem Treffer, der aus einer zerfahrenen Semifinalbegegnung eine packende Erzählung machte, weil alle Spielerinnen sichtlich den Eindruck machten, als sei ihnen nichts gleichgültig, und die Amerikanerinnen wirklich ihre Angriffslust lebten, lag das Geheimnis des Fußballs selbst enthalten. Es geht nicht um Männer und oder Frauen. Es braucht nicht den gutwilligen Ton der FrauenfußballbeförderInnen. Es geht nicht um Schönheit, Kraft und Athletik. Sondern um das eine Tor mehr.“
Kommentare
4 Kommentare zu “Deutschland nach dem WM-Aus – Wie geht es jetzt weiter?”
Mittwoch, 13. Juli 2011 um 11:39
ich bin müde von all diesen Peter-Ahrens-und-Jan-Vedersen-Zeitungstexten, die nur das Offensichtliche wiederkauen.
Gibt es wirklich keine Texte mit einer detailierten, tieferen Analyse, aus denen man noch etwas lernen kann?
Oder findet Ihr die Texte nur nicht, weil ihr nicht tief genug wühlt?
Mittwoch, 13. Juli 2011 um 11:55
Ich vermisse irgendwie eine Auseinandersetzung mit den Gruenden den Scheiterns. Hat es in der Presse nichts weiter gegeben?
Der Verweis auf die gewachsene Staerke der Konkurrenz im Frauenfussball ist mal wieder Schoenfaerberei. Die deutsche Mannschaft hat nicht verloren, weil die Konkurrenz staerker war. Die deutsche Mannschaft hat verloren weil sie zu viele Fehler gemacht hat.
Mittwoch, 13. Juli 2011 um 12:29
welcome to the new world order kann man da nur sagen. Die Frage ist, ob Silvia Neid das Potential hat, die Mannschaft flexibler zu machen und damit spielfreudiger als bei dieser WM. Und ob sie das Potential aus den Spielerinnen rausholen kann.
Mittwoch, 13. Juli 2011 um 13:09
>>What are you reading? <>“Great Expectations“. <>Is it any good? <>It’s not what I‘d hoped for. <<
(aus: „Hot Shots! Der 2. Versuch“)