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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

Bundesliga-Start: Endlich geht´s wieder los

Kai Butterweck | Freitag, 5. August 2011 13 Kommentare

Kurz vor Beginn der neuen Spielzeit geht es um Prognosen, vorzeitige Gratulationen, geschlossene Gesellschaften und Sparmaßnahmen. Außerdem: Hintergründiges über Bayern, Hertha, Wolfsburg, Dortmund und Ausgburg

Der Bundesliga-Start rückt immer näher. Peter Ahrens (Spiegel Online)sendet bereits jetzt Glückwünsche nach München: „Einfacher geht es nicht. Nimmt man das Votum der Bundesliga-Coaches zum Maßstab, kann man sich die kommende Spielzeit eigentlich sparen. 16 von 18 Trainern haben den FC Bayern München zum großen Favoriten auf den Titel des Deutschen Meisters gekürt. So deutlich ist selten vor einer Saison ein Votum ausgefallen. Das mag nicht besonders kreativ sein, ist aber der wahrscheinlichste Fall: Nach einem schwachen Bayern-Jahr wie dem letzten folgt in der Regel eine Meistersaison.“

Experten im Fußball sind unbezahlbar

Jedes Jahr aufs Neue geben sich Experten und Propheten kurz vor Saisonbeginn die Klinke in die Hand. Oskar Beck (Stuttgarter Zeitung) nimmt’s mit Humor: „Man wackelt als Außenstehender mit den Ohren und versteht nur noch Bahnhof, denn ein Sachverständiger widerlegt den anderen, und wenn das nicht aufhört, meldet sich demnächst auch noch Sportsfreund B. als Bahnhofsexperte zu Wort, denn in den 50er Jahren hat er als Bub zum Geburtstag eine Schnellzuglokomotive F 800 von Märklin gekriegt, mit Bahnhof – er kann also mitreden und würde als Experte die Kapelle auf dem Rotenberg umbauen lassen zu einem sechsstöckigen Durchgangsbahnhof, der auf Stelzen steht, so dass keinerlei Grundwasser abgepumpt werden muss, und die Züge sollte man senkrecht ein- und ausfahren lassen, das wäre alles narrensicher. Ein Gutachten wird gerne nachgereicht – und über das Honorar lässt sich reden, obwohl man als Experte ja normalerweise kein billiger Jakob ist. Die teuersten sind die im Fußball. Sie sind im Grunde sogar unbezahlbar, weil sie uns mit ihrem Herrschaftswissen die Abgründe und Hintergründe durchleuchten und uns schon vor der Saison sagen, dass die Bayern Meister werden und der Ball rund und das Gras grün bleibt.“

Die Bundesliga lebt davon, dass sie noch als Allgemeingut wahrgenommen wird

Immer öfter werden Fans bei Trainingseinheiten ihrer Idole ausgesperrt. Frank Hellmann (Zeit Online) kritisiert diese Entwicklung: „Früher waren geheime Trainings die Ausnahme, heute werden sie immer mehr zur Regel. Was der FC Bayern in diesen Tagen mit dem nicht zu bewältigenden Andrang begründet, wird anderswo auch mit der Angst vor Spionage erklärt. Die Bundesliga lebt davon, dass sie noch als Allgemeingut wahrgenommen wird; mit der Übertragung im frei empfangbaren Fernsehen, mit bezahlbaren Eintrittspreisen – und mit frei zugänglichen Trainingseinheiten. Auf all diesen Segmenten hat sich beispielsweise die Premier League in England in gegensätzliche Richtungen entwickelt. Das wissen auch Trainer-Traditionalisten wie Felix Magath oder Thomas Schaaf, die weiterhin kein Problem damit haben, sehen zu lassen und gesehen zu werden. In Wolfsburg soll doch jeder bestaunen, wie Magath seine Mannen quält. In Bremen legt Schaaf auf die Verbindung zum Volke größten Wert. Das ist auch das erklärte Credo des SV Werder, und der Cheftrainer bleibt bei fast jedem jugendlichen Fan stehen, der ihn um ein Autogramm bittet.“

Das momentane Zwischenhoch der Bundesliga wird schon in Kürze vorbei sein

Nik Afanasjew (Tagesspiegel) beschäftigt sich mit den Transferaktivitäten der Bundesliga und fordert mehr Mut zum Risiko: „Qualität setzt such auf Dauer durch, Wunder gibt es auch im Sport nicht. Natürlich hat gerade der Jugendstil für viele Erfolge gesorgt, aber jetzt müsste man den Weg zur europäischen Spitze mit maßvollen, aber mutigen Investitionen flankieren. So aber wird das momentane Zwischenhoch der Bundesliga schon in Kürze vorbei sein, dann werden sich die Manager von der Weser bis zum Rhein verschulden wollen, um wieder nach oben zu kommen. Doch das wird in Zukunft schwerer, das neue Financial Fair Play der UEFA soll finanzielle Hasardeure stoppen. Jetzt wäre noch mal die Chance der Bundesliga-Vereine gewesen, sich zu verstärken und nach oben zu kommen, um langfristig dort zu bleiben. Diese Chance ist vertan.“

Es warten lösbare Aufgaben

Sebastian Krass (Tagesspiegel) prognostiziert den Bayern eine rosige Zukunft: „In sechs, sieben Jahren hat der FC Bayern das Stadion abbezahlt und hätte dann genug Geld, um die Deutsche Bank zu kaufen. Noch wichtiger ist, dass den Bayern bald niemand mehr den Sieg in der Champions League nehmen kann. Den finanziellen Zusammenbruch aller großen Gegner prognostizieren die Bayern-Chefs ja schon seit Jahren. Aber jetzt greift bald das sagenumwobene ‚Financial Fairplay‘ der Uefa. Das werde, sagen die Bayern-Chefs, dann jetzt aber wirklich endgültig und unweigerlich dazu führen, dass einige Klubs keine Zulassung mehr zur Champions League bekommen. Und wenn es dann im Finale gegen Rosenborg Trondheim geht, ist das eine lösbare Aufgabe.“

Mirko Weber (Stuttgarter Zeitung) vertraut auf Jupp Heynckes: „Ohne Jürgen Klinsmanns Scheitern wäre der Bayern-Coach wahrscheinlich nicht mehr an den Rand des Fußballplatzes zurückgekehrt, was er vor zwei Jahren zunächst als Aushilfe in München riskierte, um alsbald wieder aufs Karussell der Trainer zu springen; erst in Leverkusen und jetzt eben doch wieder in Bayern: zwei Jahre mindestens, Verlängerung nicht ausgeschlossen. Jupp Heynckes, so schaut es aus, stellt momentan so etwas wie ein lebendes Pflaster dar, und man hofft, dass sich die Wunde van Gaal darunter so schnell wie möglich schließt. Dessen Egozentrik ist Heynckes wesensfremd, und eben dies wird dem Verein gut tun, dessen gefühltes erstes Statut vorsieht, dass es zuerst um den FC Bayern und dann erst um dessen Angestellte geht.“

Hertha ist in Aufbruchstimmung

Dirk Benninghoff (stern.de) hält große Stücke auf Herthas Offensive: „Die Euphorie ist groß in Berlin. Dauerkartenverkauf, Mitgliederentwicklung – es stimmt im Umfeld der Mannschaft. Hertha ist in Aufbruchstimmung. Ein nüchterner Trainer wie Babbel tut da gut, um Mannschaft und Verein auf dem Teppich zu halten. Mit Kraft im Tor, bislang die Schwachstelle des Teams, machen die Berliner zudem möglicherweise einen ganz großen Sprung nach vorne. Stark ist auch das Sturmduo Adrian Ramos und Pierre-Michel Lasogga. Dass Ramos die Berliner überhaupt in Liga 2 begleiten musste, überraschte, nachdem er in der Bundesliga selbst im Abstiegsjahr überzeugt hatte. Mit dem jungen Lasogga, größtes Talent der Hertha, hat er ein starkes Pendant gefunden. Die beiden zusammen sind das Beste an der Hertha.“

Matthias Wolf (FAS) gratuliert den Berlinern zur Verpflichtung von Maik Franz: „In Berlin hatten sie schon so oft, auch beim Abstieg 2010, ein Problem: Wenn es ernst wurde, waren viele Spieler zu zögerlich, zu brav. Schönspieler halt. Und eines ist den Verantwortlichen auch klar: So spielerisch leicht wie in Liga zwei, aufgrund technischer Dominanz, wird es jetzt nicht mehr. Also brauchen sie Typen, die auch kratzen und beißen können. So wie Franz, dessen Zweikampfqualitäten Babbel immer wieder lobend erwähnt.“

Der Finanzbedarf für den Wolfsburger Fußballbetrieb ist immens

Frank Hellmann (FR) wirft einen kritischen Blick hinter die Wolfsburger Kulissen: „An den VW-Bossen, die Magath bislang fast jeden Wunsch erfüllt haben, würde ein Nachrüsten nicht scheitern. Der VfL-Eigentümer steht vorbehaltlos hinter Magath und seiner Methodik. Wie zuletzt ruchbar wurde, ist der Finanzbedarf für den Fußballbetrieb immens − kolportiert wird mittlerweile eine jährliche Unterstützung von rund 100 Millionen Euro, die mitunter auf verschlungenen Wegen zustande kommen soll. Da würden dann schon mal Lieferanten dazu gedrängt, den Werksklub zu unterstützen, obwohl sie das freiwillig eher nicht tun würden. Und auch die interne Verrechnung wirft Fragen auf, wenn es heißt, dass allein das Trikotsponsoring mit bis zu 70 Millionen Euro veranschlagt werde. Eine Auskunft dazu erteilt beim VfL Wolfsburg allerdings niemand. Und beim Autobauer sind ja gerade Werksferien.“

Der BVB ist in einer gefährlichen Region angelangt

Christof Kneer (SZ) warnt die Dortmunder vor zu viel Euphorie: „Es gibt nicht mal in Fitnessmagazinen belastbare Studien über die Risiken und Nebenwirkungen des Erfolgs. Aber natürlich weiß Klopp, dass die Welt größer und unübersichtlicher geworden ist. Die erste Hiobsbotschaft der Saison ist gerade aus Südamerika eingetroffen, weil Torjäger Barrios ramponierter als gedacht von der Copa América heimkehrte. Gerade auf dieser Position ist der Kader schlanker, als es Klopp lieb sein kann, der einzige Spieler, der auf keinen Fall länger ausfallen darf, fällt länger aus. So könnten schon die ersten Spiele der Saison Aufschluss geben über die wahre Wettbewerbshärte seines verschworenen Haufens. Der BVB ist nun in jener gefährlichen Region angelangt, in der schon Bremen, Schalke und Stuttgart die Luft ausgegangen ist.“

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Das große Fußball-Abenteuer in Augsburg beginnt mit einem Tumult.

Die Suspendierung von Michael Thurk beim FC Augsburg sorgt für reichlich Gesprächsstoff. Wolfgang Hettfleisch (Berliner Zeitung) schüttelt mit dem Kopf: „Es gäbe viel Gutes zu berichten über den FC Augsburg. Die Fußballbegeisterung im bayerischen Teil Schwabens ist vor dem ersten Bundesliga-Auftritt der Klubgeschichte am Samstag in der heimischen Arena gegen den SC Freiburg groß. Der Dauerkartenverkauf wurde gestoppt, nachdem 17500 Saisontickets geordert waren. Die 52 Logen der schmucken Spielstätte an der Bundesstraße 17 waren zehn Tage nach dem Aufstieg ausgebucht. Ein neuer, solventer Partner zahlt mindestens sieben Jahre lang fürs Stadion-Namensrecht. Alles schön, alles uninteressant für eine breite Öffentlichkeit, die sich lieber den immer neuen Details der gescheiterten Zweierbeziehung zwischen dem Aufsteiger und Angreifer Michael Thurk zuwendet. Das große Fußball-Abenteuer am Lech beginnt mit einem Tumult.“

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Kommentare

13 Kommentare zu “Bundesliga-Start: Endlich geht´s wieder los”

  1. Tim
    Freitag, 5. August 2011 um 11:29

    Was würden wir nur ohne die bahnbrechenden Erkentnisse von Peter Ahrens (SPON) machen. So scheint in diesem Jahr erstmals eine Mehrzahl der Bundesliga-Trainer („So deutlich ist selten vor einer Saison ein Votum ausgefallen“) mit Bayern München als zukünftigen Meister zu rechnen. Wow!

  2. Ach du Scheiße, der Armin Veh
    Freitag, 5. August 2011 um 11:55

    In der Tat, herzlichen Glückwunsch, Herr Peter Ahrens: Das gab es ganz sicher noch nie, dass die Mehrzahl der BL-Trainer auf Bayern München tippte. Danke, dass Sie diese Neuigkeit gebührend breit traten!

  3. mustard
    Freitag, 5. August 2011 um 11:58

    Meines wissens haben vor der letzten Saison sogar 18 Trainer auf eine Bayern-Meisterschaft gesetzt. Das ist eigentlich jedes Jahr so, seit die Bayern so dominant die Bundesliga beherrschen.

    Naja, die Spiegel-Interpretation ist eben immer etwas eigen.

  4. breeze
    Freitag, 5. August 2011 um 12:19

    Der Kommentar von Oskar Beck gefällt. Auch der Rest vom Artikel ist lesenswert.

    Die Beweisführung von Nik Afanasjew allerdings ist nur bedingt nachvollziehbar. Wenn man den Rest des Artikels liest, rollen sich einem die Fußnägel hoch.
    Aber nur gut, dass Italien viel mehr in Fußballer investiert hat als die deutschen Klubs. Deswegen kann es ja auch gar nichts werden mit einem internationalen Titel für einen deutschen Klub.

  5. Heffer
    Freitag, 5. August 2011 um 12:46

    Die beiden Tagesspiegel-Artikel machen es sich schon ziemlich leicht. Im Ansatz mögen ja beide nicht ganz falsch sein, aber die Fussballwelt ist halt nicht vorhersehbar. Und Geld alleine gewinnt den Bayern auch noch keinen CL-Titel.

  6. mustard
    Freitag, 5. August 2011 um 12:50

    Der Artikel von Sebastian Krass ist glaube ich eine Satire.

  7. Ach du Scheiße, der Armin Veh
    Freitag, 5. August 2011 um 13:58

    … und immer wieder gut, im Jahr 2011, wie Matthias Wolf in der FAZ tapfer die Neunziger-Jahre-Parolen des deutschen Fußballs hochzuhalten: Wir brauchen Männer! Wir müssen kratzen!
    Wie schön gemütlich ist es doch in den deutschen Redaktionsstuben, wo Gott sei dank alles noch so ist, wie es schon immer war. Bloß nicht aus dem Fenster in die Welt schauen, man könnte dort ja entdecken, dass im Fußball heutzutage taktisch Dinge geschehen, die man als deutscher Sportjournalist gar nicht mehr versteht.

  8. mats
    Freitag, 5. August 2011 um 14:46

    „Der BVB ist nun in jener gefährlichen Region angelangt, in der schon Bremen, Schalke und Stuttgart die Luft ausgegangen ist.“ (kneer, sz)

    Ich will nicht bestreiten, dass die Sturmposition beim BVB, diejenige Position ist, die am wenigsten adäquat kompensiert werden kann. Aber ich meine mich zu erinnern, dass Lewandowski in der vergangenen Saison immerhin acht Buden gemacht hat. Und was hat ein zugegebenermaßen wichtiger Ausfall mit den besagten Vereinen zu tun?

    Das kann ich mir wirklich nicht erklären. Any help? Und von welcher gefährlichen Region wird gesprochen? Rutscht man in diese vor der Saison, weil Barrios ausfällt? Das verstehe ich nicht.

  9. mustard
    Freitag, 5. August 2011 um 14:53

    Also ich finde Spieler, die auch mal dagegenhalten koennen und zweikampfstark sind, haben auch heute noch ihre Berechtigung. Das hat man IMHO z.B. gesehen an der Entwicklung der Bayern nach dem Weggang von van Bommel, oder dem Einbruch der Eintracht nach der Verletzung von Franz.

    Fussball ist halt kein koerperloses Spiel.

  10. Ach du Scheiße, der Armin Veh
    Freitag, 5. August 2011 um 14:57

    @ mustard: Der Einbruch der SGE lag an Franzs Verletzung????
    So einfach ist Fußball??? Wirklich?
    In einer Mannschaft funktioniert gar nichts mehr, sie schießt kein einziges Tor mehr, sie gewinnt kein Spiel mehr – weil sich ein Außenverteidiger verletzt?!?
    Aha.

  11. mustard
    Freitag, 5. August 2011 um 15:05

    nicht, das ich die Eintracht besonders intensiev verfolge, aber ich hatte vom Saisonfinale diesen Eindruck:

    Daum kommt, das Spiel verbessert sich, es gibt erste kleine Erfolge. Auf Blog-g glaubt man wieder an den Klassenerhalt. Dann verletzt sich franz, und dann kam nochmal ein richtiger Einbruch.

    Die ganze Eintrachtmisere habe ich nicht an einem Aussenverteidiger festgemacht, lege mir bitte nichts in den Mund wenn du ernsthaft diskutieren moechtest.

  12. Meinung | Fußball-Bundesliga: Was wären wir ohne den FC Bayern München? – WELT ONLINE » Bayernking
    Samstag, 6. August 2011 um 04:58

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  13. Tim
    Sonntag, 7. August 2011 um 16:17

    Übrigens: Zwei Tage nachdem er Bayern München vorzeitig zum Meister gemacht hat, nennt uns Peter Ahrens (Spiegel Online) nun die Gründe warum sie es doch nicht schaffen.
    http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,778648,00.html

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