Bundesliga
Die Fehlstarter im Fokus
| Dienstag, 9. August 2011Die Presse beschäftigt sich intensiv mit den Auftaktniederlagen von vermeintlichen Titelaspiranten. Außerdem: Ernüchterung bei der Hertha, Dortmunder Glanz und technische Neuerungen
Peter Heß (FAZ) berauscht sich am Bundesliga-Start: „Aller Anfang ist schwer, nur für die Bundesliga nicht. Der Start in die 49. Saison hätte spektakulärer kaum erfolgen können. Die Favoriten München von Gladbach und Leverkusen von Mainz gestürzt, ein grandioser Meister, ein Freistoßtor des Hannoveraners Schlaudraff – es war alles drin und dran. Der Aufschwung geht weiter. Seit der WM 2010 umgibt den deutschen Fußball die Aura der Jugendlichkeit. Auf die eigenen spielerischen Fähigkeiten vertrauend, leidenschaftlich kämpfend, nicht kalkulierend nach dem Aufwand fragend, sondern unbeirrt in einen möglichen Ertrag investierend, betreiben die deutschen Fußballprofis beste Werbung in eigener Sache. Made in Germany ist wieder ein Qualitätsbegriff, zu dem Meister Borussia Dortmund neben der Nationalmannschaft am meisten beigetragen hat.“
Die Münchner sind mit ihren Sorgen nicht allein
Rafael Buschmann (Spiegel Online) blickt mit Sorge auf die neu besetzten Trainerstühle: „Nach dem 0:1 gegen Borussia Mönchengladbach dürfte Heynckes Gelassenheit ein wenig gelitten haben. Die der Bayern-Verantwortlichen sicherlich auch. Dabei, so demonstrierte es der erste Spieltag eindrucksvoll, sind die Münchner mit ihren Sorgen keineswegs allein. Vielmehr sind sie im Mainstream, wenn es um die Erfolglosigkeit neuverpflichteter Bundesliga-Trainer geht. Denn am ersten Spieltag zeigten alle Trainerzugänge, dass der Wunsch nach einer zu erkennenden Handschrift, einer neuen Spielkultur sowie schnellen Positiv-Ergebnissen kaum in der kurzen Periode einer Saisonvorbereitung zu verwirklichen ist.“
Fünf aussichtsreiche Kandidaten für die oberen Tabellenplätze legten einen Fehlstart hin. Klaus Hoeltzenbein (SZ) reibt sich verwundert die Augen: „Sechs Wochen und mehr hatten sie sich für den Anpfiff gequält, dann aber stiegen einige Klubs derart desorientiert in die Saison ein, dass man meinen könnte, sie hätten eigenmächtig den Urlaub verlängert und das Taktikbuch vergessen. Einen so fahrlässigen Fehlstart in der Masse hat die Liga selten erlebt; verschärft wird das Ganze zudem im Kontrast zum offenbar nimmermüden Zauberfußball von Meister Dortmund. Gut, zunächst wurde nur ein Spiel verloren, aber wer sich die Start-Schläfer anschaut, ahnt, dass dieses Quintett, gemessen an den eigenen Ansprüchen, eine Zeit lang brauchen dürfte, wenn es überhaupt gelingt, die frühen Defizite substanziell zu korrigieren.“
Nach zwei Pflichtspielen ist der Fehlstart bereits perfekt
Christian Paul (Spiegel Online) sorgt sich um Leverkusen: „Dass Bayer schon wieder nach einem (Interims-) Torwart sucht, zeigt, wie nervös die Verantwortlichen sind. Nach nur zwei Pflichtspielen ist der Fehlstart bereits perfekt, der Champions-League-Teilnehmer sucht unter Dutt noch die Ordnung, die das Team unter Vorgänger Jupp Heynckes auszeichnete. Schwere Torwartfehler können sich der neue Trainer und Bayer ab sofort nicht mehr leisten. Nach dem Heimspiel gegen Werder Bremen am zweiten Spieltag muss Leverkusen zum VfB Stuttgart. Dann kommt Meister Dortmund.“
Für André Schürrle war es ein besonderes Spiel. Jan Christian Müller (FR) zeigt sich enttäuscht vom Leverkusener Neuzugang aus Mainz: „Schürrle wollte bescheiden sein, wollte nicht angeben mit dem, was er kann. Das spricht für seinen Charakter, aber es hat den noch immer erst 20 Jahre alten Offensivspieler auch sichtlich gehemmt. Er spielte eine Menge Fehlpässe, er lief sich ein paar Mal fest, ein Schuss ging fünf, sechs Meter drüber, einer wurde abgeblockt, schon zur Pause marschierte er kopfschüttelnd in die Kabine. Erst tief in der zweiten Halbzeit, als Bayer noch schwächer agierte als vor der Pause, zeigte er einmal einen seiner raumgreifenden Sprints mit dem Ball, gefolgt von einem feinen Pass auf Mitspieler Eren Derdiyok. Viel mehr war nicht, nicht bei Schürrle und nicht bei Bayer Leverkusen.“
Wie Fußball aus einer anderen Zeit
Auch die Hertha aus Berlin legte einen klassischen Fehlstart hin. Stefan Hermanns (Tagesspiegel) schüttelt entsetzt den Kopf: „Dass schon nach dem ersten Spieltag ein paar Zweifel an Herthas Erstligatauglichkeit aufgekommen sind, lag vor allem am Zustandekommen der Niederlage. Was am Samstag im Olympiastadion insbesondere in der ersten Halbzeit zu sehen war, wirkte wie Fußball aus einer anderen Zeit. Die Bälle wurden hoch und weit nach vorne gebolzt, den Zuspielen fehlte jegliche Präzision, und der kärgliche Rest von Kombinationsfluss erstickte in einer Orgie von Fouls.“
Michael Jahn (Berliner Zeitung)vermisst die Spritzigkeit im Spiel der Berliner: „Nürnbergs Spieler, die auch nur biederen Fußball anboten, waren meist einen Tick schneller als die Hertha-Profis. Sie waren auf jeden Fall aggressiver und gingen von Beginn an rustikaler zu Werke, als das Team von Babbel. Sie waren gedanklich in der Ersten Liga, Hertha noch nicht.“
Welch Spielfreude! Welch Lebendigkeit!
Oliver Fritsch (Zeit Online) streift sich ein BVB-Trikot über: „Dortmund nach der langen Bundesliga-Sommerpause spielen zu sehen, war, als würde man nach einem harten Winter den ersten Frühlingstag begrüßen. Welch Spielfreude! Welch Lebendigkeit! Nach dem ersten Spieltag ist nicht auszuschließen, dass Jürgen Klopps Elf noch besser geworden ist, als sie es in der Meistersaison war. Und dass sich der Trainer neue Dinge hat einfallen lassen: Vor dem 3:0 legte Kevin Großkreutz einen sehr ungewöhnlichen bogenhaften Laufweg hin. Das sah gewollt aus und schnell. Bei vielen Dortmunder Toren und Chancen vermutet der Zuschauer: Der Schütze könnte den Ball einfach durchlassen, hinter ihm steht eh ein Mitspieler zum Einschuss bereit. Ein sportübergreifender Vergleich drängt sich auf: Den BVB spielen zu sehen, ist so, als drückte man beim Skat einen Buben und gewinnt trotzdem Schneider.“
Wer ist schnell und wer ist langsam unterwegs?
Frank Hellmann (taz) beschäftigt sich mit technischen Neuerungen: „Neu ist seit dieser Saison, dass alle Akteure der Ersten und Zweiten Liga auch von zwei stationären Kameras verfolgt werden, die in allen 35 Stadien des Landes auf Höhe der Mittellinie wettergeschützt unterm Stadiondach angebracht sind. Zudem rollt zu jedem Spiel ein voll geladener Kombi an, indem sich ein transportables Computersystem befindet, das vier Stunden vor Anpfiff mit den Kameras verbunden wird. Wer läuft wohin und wie viel? Wer ist schnell und wer ist langsam unterwegs? Wer gewinnt und verliert die meisten Zweikämpfe? Wer passt am besten? Wer schießt am häufigsten? Mit der neuen Methodik wird nicht nur der einzelne Spieler durchsichtiger, sondern auch Entscheidungen der Trainer sind nachvollziehbarer. Marco Kurz vom 1. FC Kaiserslautern lag etwa sehr richtig damit, Richard Sukuta-Pasu gegen Werder Bremen auszuwechseln: Sein Neuzugang war zwar 6 Kilometer gelaufen, hatte aber nur 12 Ballkontakte und gewann lediglich 2 von 21 Zweikämpfen. So einer durfte nach der Pause natürlich nicht mehr wiederkommen.“
Kommentare
3 Kommentare zu “Die Fehlstarter im Fokus”
Dienstag, 9. August 2011 um 11:15
Hoeltzenbein aus der SZ bezieht sich neben Bayern, Bayer und Schalke auf Hamburg und Köln. Köln (HSV?) ist doch eher kein aussichtsreicher Anwärter auf obere Tabellenplätze, oder?
Dienstag, 9. August 2011 um 11:32
@Dirk: Das sehe ich auch so, daher habe ich in der Einleitung bewusst auf die Nennung einzelner Vereine verzichtet.
Dienstag, 9. August 2011 um 18:21
Was Frank Hellmann als Neuerung preist, ist nicht neu. Spielerdaten werden seit Ewigkeiten gemessen (siehe Christoph Biermann: „Die Fußball-Matrix“). Neu ist das für die Clubs nicht, die ihre Daten von Sportdatenunternehmen beziehen. Neu ist es höchstens für die TV-Sender, die live und unmittelbar auf die Daten zugreifen und somit ihren Zuschauern kommunizieren können.