Bundesliga
Freud und Leid im Norden – Werder im Aufwind, der HSV am Abgrund
| Montag, 12. September 2011Während sich die Bremer nach dem Sieg beim Nordderby wieder gefestigt zeigen, sehnt man sich in Hamburg weiterhin nach einem Erfolgserlebnis. Außerdem: Ernüchterung in Dortmund, Freude in Berlin und breite Brüste in München und Mönchengladbach
Roland Zorn (FAZ.net) gratuliert den Mannen von Thomas Schaaf: „Werder Bremen ist nach einem Jahr des Rückschritts wieder die Nummer eins im Norden. Das belegte die Mannschaft von Trainer Thomas Schaaf am Samstagabend im Nordderby gegen den Hamburger SV kämpferisch wie spielerisch eindrucksvoll. 41.000 Zuschauer im ausverkauften neuen Weserstadion, soweit Bremer Anhänger, feierten den punktgleich mit Tabellenführer Bayern München platzierten Tabellenzweiten der Fußball-Bundesliga. Zu dem rassigen Spiel trug aber auch der noch immer sieglose Tabellenletzte aus Hamburg bei, der zwar am Ende deutlich verlor, sich aber gleichwohl stark formverbessert zeigte. Der Druck, der auf dem HSV und seinem Trainer Michael Oenning lastet, ist aber am Samstag um kein bisschen geringer geworden.“
Ralf Lorenzen (taz) freut sich für die Defensivabteilung der Bremer: „Auf der rationalen Ebene dürfte Thomas Schaaf nach dem überzeugenden Sieg durch zwei Pizarro-Tore über verbesserte Hamburger eine andere Erkenntnis wichtiger sein: Mit Naldo als Chef und den am Samstag überzeugenden Sokratis, Andreas Wolf, Aleksandar Ignjovski und Sebastian Prödl kann er auch ohne Per Mertesacker endlich wieder auf eine stabile Abwehr bauen.“
HSV-Präsident Carl-Edgar Jarchow ist ein Kaufmann. Mehr nicht
Markus Lotter (Berliner Zeitung) hält nicht viel vom HSV-Personal abseits des Rasens: „Beim Trainer, Michael Oenning, handelt es sich um einen Fachmann, das steht außer Frage, doch ist der sympathische Fußballlehrer offensichtlich der Aufgabe, einen Umbruch zu denken und lenken, nicht gewachsen. Der Sportdirektor, Frank Arnesen, hat die Qualität des Kaders über Wochen hinweg falsch eingeschätzt, was sich an den zahlreichen, von der Panik geleiteten Nachverpflichtungen festmachen lässt. Und Präsident Carl-Edgar Jarchow ist ein typischer Hamburger Kaufmann. Mehr nicht.“
Jörg Marwedel (SZ) sendet dem HSV eine Warnung zu: „Doch was, bitte, ist im Profifußball eine Übergangssaison? Eine Spielzeit, in der es keine richtigen Ziele gibt, außer dem, nicht abzusteigen? Dieses Wort dient dazu, den HSV-Fans klarzumachen, dass eine neue, bescheidenere Politik Einzug gehalten hat. Aber dient es nicht auch den Profis als eine Art Alibi? Es kann dazu führen, dass plötzlich in einer Mannschaft die innere Spannung fehlt. Die Kunst besteht vermutlich darin, ein Team zu reparieren, ohne Ausreden zur Verfügung zu stellen. Man muss gewissermaßen am lebenden, am laufenden Objekt operieren. Eigentlich scheint der HSV noch zu gute Spieler im Kader zu haben, um abzusteigen. Doch wenn das Gebilde erst einmal ins Rutschen gerät, wird es gefährlich.“
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Der Bremer Profikader hat sich zusammengerauft
Frank Hellmann (Spiegel Online) wundert sich in Bremen über grobe Arbeiten feinfüßiger Künstler: „Werder Bremen, in der Vorsaison in eine tiefe Sinnkrise gestürzt, ist auf bestem Wege, sich wieder als Spitzenmannschaft zu etablieren. Der Profikader hat sich zusammengerauft. Plötzlich stellt sein oft für mangelnden Einsatz gescholtenes Aufgebot sogar das laufstärkste Ensemble eines Spieltags. Schöngeister wie Marko Marin oder Aaron Hunt sind sich für die Grätsche in der Defensivarbeit oder den Sprint in die eigene Hälfte nicht zu schade.“
Die Leichtigkeit und die ungetrübte Spielfreude beim BVB sind vorerst dahin
Felix Meininghaus (taz) sucht beim BVB verzweifelt nach einem roten Faden: „Der Meister tut sich schwer, seine Linie zu finden. Das liegt nicht am mangelnden Willen oder gar an Selbstzufriedenheit. Auch gegen den Aufsteiger aus der Hauptstadt erledigte die Borussia ihre Hausaufgaben mit großem läuferischem Engagement. Die Folge waren 60 Prozent Ballbesitz und 27 Torabschlüsse. Was der Mannschaft derzeit abgeht, ist das Vermögen, die Angriffsbemühungen auf den Punkt zu bringen. Die Leichtigkeit und die ungetrübte Spielfreude sind vorerst dahin.“
Stefan Hermanns (Tagesspiegel) zollt den Berlinern Respekt: „Der Sieg in Dortmund hat ein paar Dinge zurechtgerückt, die die Mannschaft und ihren Trainer Markus Babbel seit Saisonbeginn und vielleicht sogar noch ein bisschen länger begleiten. Von Babbel heißt es immer wieder, dass seine Herangehensweise wenig konzeptionell sei. Das Spiel am Samstag bewies das Gegenteil. Hertha gewann nicht aus Zufall, sondern weil die Mannschaft mit einem perfekten Plan in die Begegnung gegangen war, und das nicht zum ersten Mal in dieser Saison.“
Hertha siegte nicht durch einen glücklichen Zufall, sondern wegen einer taktisch ungemein reifen Leistung
Michael Jahn (Berliner Zeitung) lobt vor allem den taktischen Auftritt der alten Dame aus Berlin: „Das Kuriose am Sieg von Hertha aber war, dass er am Ende von allen Beteiligten und den Augenzeugen gar nicht mehr als sensationell empfunden wurde. Hertha siegte nicht durch einen glücklichen Zufall, sondern wegen einer taktisch ungemein reifen Leistung. Der Aufsteiger hatte versucht, schon in der Spielvorbereitung die Schwächen der Dortmunder exakt zu analysieren und wollte mit ungeheurer Laufbereitschaft und hoher Konzentration das im ersten Moment schier Unmögliche möglich machen. Auch andere Mannschaften, an denen sich Hertha BSC orientieren konnte, haben gemerkt, dass dem in der Vorsaison so bewunderten Dortmunder Hochgeschwindigkeitsfußball in dieser frühen Phase der neuen Spielzeit noch beizukommen ist.“
Ribery verlieh dem Spiel die Note einer Kleinkunstveranstaltung
Neben dem vierfachen Torschützen Mario Gomez, brillierte vor allem ein kleiner Franzose beim Rekordmeister. Maik Rosner (sueddeutsche.de) erstaunt sich immer wieder an Franck Ribery: „Es war ein weiteres Kunststück Riberys, aus dem höchsten Saisonsieg des Tabellenführers und dem höchsten seit dem 7:0 gegen Hannover 96 im Mai 2010 als Mann des Tages hervorzugehen, obwohl Mario Gomez gar viermal getroffen hatte. Doch es war vor allem Ribery, der diesem Spiel der überbordenden, aber stets kontrollierten Offensivlust, mit zwei Toren und zwei Vorlagen die Note einer Kleinkunstveranstaltung verliehen hatte.“
Favre ist spröde bis zum Geht-nicht-mehr
Nach dem gelungenen Saisonstart träumen die Fans in Gladbach wieder von alten Zeiten. Marcel Reif (Tagesspiegel) klopft Lucien Favre anerkennend auf die Schultern: „Er ist spröde bis zum Geht-nicht-mehr, er versteckt sich listig hinter seinem französischen Akzent, er hat einen Plan. Und dass er einen solchen Plan auch umzusetzen versteht, das hat er anfangs auch in Berlin gezeigt. Vielleicht hat auch er erst einmal lernen müssen, wie es zugeht in der großen, weiten Welt der Bundesliga, die dann doch noch eine andere Baustelle ist als der Schweizer Fußball. Wie geht man mit Erfolg um, wie mit Übermut, das muss man wohl wirklich erst erfahren. Die Spieler, und das soll Favres Leistung nicht schmälern, machen es ihm allerdings auch leicht.“
Kommentare
1 Kommentar zu “Freud und Leid im Norden – Werder im Aufwind, der HSV am Abgrund”
Mittwoch, 14. September 2011 um 13:52
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