Am Grünen Tisch
TV-Fußballrechte – Eine englische Wirtin stellt alles auf den Kopf
| Freitag, 7. Oktober 2011Die Exklusivvermarktung der europäischen Fußball-Ligen verstößt gegen europäisches Recht. Die Presse beschäftigt sich intensiv mit möglichen Auswirkungen nach dem EU-Urteil
Joachim Huber (Tagesspiegel) freut sich für die Fans und Klubs aus der zweiten Reihe: „Erstens spart der Fan Geld, zweitens werden die bösen Klubs aus Spanien und England, die ein Vielfaches aus der TV-Vermarktung herausholen, derart zur Ader gelassen, dass Dortmund oder die Bayern endlich mal wieder die Champions League gewinnen. Europaweit jammern die Fußball-Bosse schon. Wenn ihnen nicht die notwendigen Tricks zur Umgehung des Richterspruchs aus Luxemburg einfallen, werden sie lauthals nach riesengroßen Rettungsschirmen schreien. Das tun sie immer, sobald sie ihre Einnahmen in Gefahr sehen. Der internationale Profifußball ist eine griechische Wirtschaft.“
Christian Spiller (Zeit Online) dämpft die Euphorie: „Doch wahrscheinlich wird sich gar nichts ändern. Die Premier League, auch die Bundesliga, werden alles tun, um ihr Produkt ab der nächsten Rechterunde nicht zu verramschen. Eine Vergabe an mehrere miteinander konkurrierende europäische Sender, die das Produkt dann, wie derzeit, teilweise zu Dumpingpreisen anbieten, werden sie verhindern. Ein mögliches Szenario: Die TV-Rechte für die großen Ligen werden künftig nicht mehr national, sondern im Paket europaweit ausgeschrieben. In dieser Preisklasse könnte es zu einem Bieterwettstreit kommen, bei dem nur die ganz großen TV-Konzerne wie Rubert Murdochs Sky oder Disneys ESPN mitbieten. Ein internationales Monopol würde entstehen. Das würde bedeuten, dass sich das europäische Preisniveau nicht an den günstigen Preisen Griechenlands orientiert, sondern in Griechenland künftig Preise wie in England gezahlt werden müssen. Das Ergebnis: Nur noch wenige Griechen, Malteser, Portugiesen werden sich die Premier League, vielleicht auch die Bundesliga, leisten können. Fußball wird in den kleineren Ländern zum Luxusartikel.“
Am Status quo ändert sich so schnell nichts, glaubt man in England
Boris Hermann und Raphael Honigstein (SZ) beschäftigen sich mit der Stimmung auf der Insel: „Im feudalen Hauptquartier der Premier League am Londoner Gloucester Place wurde der Entscheid allerdings fast ebenso gelassen aufgenommen wie bei der DFL in Frankfurt. Am Status quo ändert sich so schnell nichts, glaubt man dort. Die Zahl der britischen Fans, die ihr Pay-TV-Abo kündigen und dafür ausländische Satellitenanlagen und Decoder installieren würden, sei in der Praxis zu vernachlässigen, meint ein Insider, zumal sich die vermeintlichen Kosteneinsparungen bei genauerer Prüfung schnell als Illusion erweisen. Abonnenten des von Murphy genutzten Nova-Kanals aus Griechenland zahlen derzeit 52 Euro im Monat; bei Sky kostet das Sportpaket 47 Euro. Und falls auf Dauer doch zu viele Kunden abwandern sollten, könnte die Premier League in Zukunft ihre 145 Millionen teuren Europa-Rechte immer noch über einen eigenen Sender selbst vertreiben oder kleinere Märkte gar nicht mehr beliefern. Das grundsätzliche Geschäftsmodell sieht man nicht gefährdet.“
Lukas Rilke (Spiegel Online) will günstig Bundesliga gucken und durchforstet die europäischen Anbieter. Entnervt gibt er irgendwann auf: „Aber dann, Buchstabe M, Malta. Mittlerweile sind Stunden vergangen, ich sehe nur noch verschwommen, kann aber noch das Bundesligalogo und einen Preis von unter zehn Euro erkennen. Inzwischen routiniert, klicke ich mich bis zum Anmeldeformular – und werde stutzig: Kein Warnhinweis, dass ich mich aus dem ‚falschen‘ Land anmelde, auch die Kreditkarte wird anstandslos akzeptiert. Ich fülle die letzten Felder aus und schicke das Formular ab. Zur Bestätigung soll in wenigen Momenten eine E-Mail kommen. Fünf Minuten vergehen, zehn Minuten, nichts passiert. Dann schalte ich den Computer aus. Auch am nächsten Tag noch keine Antwort aus Malta, ich gebe mich vorerst geschlagen. Hat das von vielen gefeierte Urteil für den Fußballfan also vielleicht doch nicht die zunächst angekündigten großen Auswirkungen? Frau Murphy mag mit ihrer Lösung wirklich viel Geld sparen, doch für einen normalen User lohnt der derzeitige Aufwand kaum. Der Service ist gleich Null, die Auswahl bei den Bundesligaspielen gering, von einem deutschen Kommentar ganz zu schweigen – oder haben Sie andere Erfahrungen gemacht?“
Melodien für Millionen
Andre Tauber (Welt Online) macht den TV-Anbietern Mut: „Die Entscheidung aus Luxemburg könnte für die Sender allerdings auch etwas Gutes haben. Immerhin können die Fußballligen künftig einen geringeren Preis verlangen, wenn sie nicht mehr die Exklusivität der Rechte sicherstellen können. Hohe Millionen- oder gar Milliardenbeträge sind dann nicht mehr so leicht zu verlangen. Eine Möglichkeit zu neuen Verhandlungen mit den TV-Sendern bietet sich in Deutschland schon bald: 2012 schreibt die DFL die Bundesliga-Übertragungsrechte ab der Saison 2013/14 neu aus. Einen Trumpf haben die Vereine in diesen Verhandlungen noch im Ärmel. Die Richter bestätigten nämlich, dass die Fußballligen durchaus auch weiterhin die Urheberrechte etwa auf Logos und Hymnen besitzen, die immer wieder bei den Übertragungen gezeigt werden. Bei öffentlichen Vorführungen dürfen die nicht einfach ohne die Erlaubnis der Liga gezeigt werden. Es könnte eine Möglichkeit für die Premier League sein, auch künftig der Barbesitzerin aus Portsmouth das griechische Fernsehen zu verbieten – es könnte etwa reichen, Melodien nach jedem Tor zu spielen.“
Kommentare
2 Kommentare zu “TV-Fußballrechte – Eine englische Wirtin stellt alles auf den Kopf”
Sonntag, 9. Oktober 2011 um 23:29
[…] 23:28 in Presse & PR von Uli De // TV-Fußballrechte – Eine englische Wirtin stellt alles auf den Kopf Die Exklusivvermarktung der europäischen Fußball-Ligen verstößt gegen europäisches Recht. Die Presse beschäftigt sich intensiv mit möglichen Auswirkungen nach dem EU-Urteil Joachim Huber (Tagesspiegel) freut sich für die Fans und Klubs aus der zweiten … Read more on indirekter-freistoss.de […]
Montag, 10. Oktober 2011 um 09:20
Meiner Erfahrung nach ist die Hürde beim Bezahlen für Leistungen eher das „überhaupt bezahlen“ als das „möglichst wenig“ bezahlen. Vermutlich gibt es dann ein paar Studenten-WGs, die sich einen Spaß draus machen 20€ im Monat zu sparen, indem sie sich einen griechischen (maltesischen, oder so) Dekoder besorgen und die entsprechenden Verträge abschließen. Wer sich als „Normalbürger“ aber dazu durchgerungen hat, noch mehr Geld für die Übertragung der Bundesliga zu bezahlen wird imho nicht wegen 20€ im Monat auf ein Billig-Angebot umschwenken, deren Sprache er/sie nicht versteht. Für Kneipen und Großkunden mag dieses Urteil relevant sein, für den Sky-Sofa-Experten aber wohl eher nicht.
Trotz allem sollte sich der geneigte Stadiongänger mal in den Angeboten umschauen, schließlich bekommt der (in meinen Kreisen) beliebte Spruch gegen Meckerwürste im Stadion „Wenn du das so mies findest geh doch nach Hause und guck Sky, da kannste umschalten“ Konkurrenz 😉