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Bundesliga

Otto Rehhagel macht der Hertha Beine – jetzt ist Schluss mit Kokolores

Kai Butterweck | Montag, 20. Februar 2012 5 Kommentare

Nach zwölfjähriger Bundesliga-Abstinenz übernimmt Otto Rehhagel erstmals wieder einen hiesigen Klub als Chef-Trainer. Die Amtsübernahme bei Hertha BSC teilt die Presse in zwei Lager

Hertha BSC zieht auch zu Hause gegen Borussia Dortmund den Kürzeren. Für die Berliner ist es das elfte sieglose Spiel in Folge. Doch mehr als über die fortlaufende Negativserie der Hauptstädter beschäftigt sich Fußball-Deutschland mit dem Mann, der am kommenden Spieltag in Augsburg auf der Berliner Trainerbank Platz nehmen wird: Otto Rehhagel. Michael Horeni (FAZ) legt der Trainer-Ikone einen roten Teppich aus: „Rehhagels neue Mission ist nicht weniger als das spektakulärste und überraschendste Comeback, der an Kapriolen nicht gerade armen Bundesliga in den vergangenen Jahren, vergleichbar vielleicht nur mit der Rückkehr Udo Latteks aus dem Trainer-Ruhestand vor rund zehn Jahren in Dortmund. Der Wiedereinstieg von Rehhagel in Berlin hat die Hertha jedenfalls schlagartig im ganzen Fußball-Land wieder ins Gespräch gebracht. Es ist, als würde der Hauptstadtklub den berühmten Berlin-Slogan des Regierenden Bürgermeisters Wowereits nun mit der neuen sportlichen Lösung Rehhagel auf seine Weise mit neuem Leben füllen: alt, aber sexy.“

Eine sinnvolle Verzweiflungstat

Jan Christian Müller (FR) gratuliert Michael Preetz: „Bei näherem Hinsehen erweist sich der Scherz als sinnvolle Verzweiflungstat von Michael Preetz, eine Saison nicht im Desaster enden zu lassen. Im Schatten der Überfigur Rehhagel hat sich der Sportdirektor zugleich selbst aus den Negativschlagzeilen gebracht. Preetz hatte schon schlechtere Ideen. Gibt es Grund, daran zu zweifeln, dass Rehhagel dieses Kerngeschäft nach wie vor beherrscht? Eher nicht: Sein Umgang mit Spielern ist ebenso legendär wie der mit ungeliebten Pressevertretern. Er kann durch pure Anwesenheit Aufmerksamkeit auf sich lenken und so den Profis Druck nehmen, ihnen dank seiner kraftvollen Rhetorik Selbstvertrauen geben.“

Uli Borowka (11Freunde) schwelgt in Erinnerungen: „Ein Wort zu den Vorwürfen, Rehhagel sei ein Trainer von gestern. Das mag auf sein Alter zutreffen, aber als Fußball-Fachmann können ihm nur sehr wenige Kollegen das Wasser reichen. Ich erinnere mich, wie in der Saison 1994/95 Volker Finke vom SC Freiburg als der moderne Trainer der Zukunft abgefeiert und erfahrene Routiniers wie Otto als Ewiggestrige abgekanzelt wurden. Das hat ihn damals tief getroffen. Am 4. Spieltag mussten wir in Freiburg antreten und Otto erlaubte sich ein ganz besonderes Ding: Erst kurz vor dem Anstoß gab er die offizielle Werder-Aufstellung bekannt: Reck, Borowka, Votava, Eilts, Rufer, Bode, Basler, Neubarth, Bestchastnykh, Herzog, Hobsch. Ein Torwart, drei Defensivspieler, sieben Stürmer! Wir gewannen mit 3:1. Ein Triumphzug!“

Rettungsschirm aus Griechenland

Cristof Kneer (SZ) amüsiert sich über Rehhagels ersten Auftritt in der Hauptstadt: „Otto Rehhagel, 73, Fußballtrainer und Gelegenheitsgott, saß dort oben auf dem Podium und strahlte nur diese eine Botschaft aus: Leute, was für euch hier im Saal so aufregend ist, hab‘ ich schon tausendmal erlebt. Mir kann keiner was. Wer Augenzeuge dieser Pressekonferenz war, hat schon mal eine Ahnung davon bekommen, warum sie bei Hertha BSC die schrullige Idee hatten, sich unter einen Rettungsschirm aus Griechenland zu flüchten. Man kann sich nach dieser Pressekonferenz sehr gut vorstellen, wie Rehhagel in der Kabine zum Spieler Christian Lell geht, ihm den Arm um die Schultern legt und sagt: ‚Christian, Sie sind mein Mann, Sie müssen mir helfen, den Bock umzustoßen.‘ Und wie die Spieler, die vielleicht gestern noch Rehhagel-Witze erzählten, mit leuchtenden Augen aus der Kabine treten und mal eben Europameister oder irgendsowas werden.“

Marcel Reif (Tagesspiegel) hegt Zweifel an der Allround-Lösung Rehhagel: „Hertha ist mit dieser überraschenden Personalie und trotz dem gestrigen Aufbäumen noch lange nicht aus dem Schlamassel. Mit einem Sportdirektor, der mehr oder weniger offen erklärt, seinen Job nicht zu können und auf die Hilfe eines Rentiers angewiesen zu sein, wird die Befreiung aus diesem Schlamassel nicht leicht sein. Noch einmal die Frage, was es Positives zur Hertha zu sagen gibt: Der Sportdirektor hat jetzt einen vor ihm sitzen, nicht neben ihm, von dem er viel, sehr viel lernen kann. Allerdings, schafft Rehhagel das Ziel auch nicht, dürfte dem Sportdirektor diese Lehrzeit auch nichts mehr nutzen.“

Ein großer Name allein reicht nicht

Martin Volkmar (sport1.de) setzt Manager Michael Preetz unter Druck: „Ob Rehhagel allerdings noch die Kraft und das Feuer hat, bei den nun schon seit elf sieglosen Spielen der Zweitklassigkeit entgegen taumelnden Berlinern für die Wende zu sorgen, darf man zumindest bezweifeln. Dass ein großer Name allein nicht reicht, musste in der vergangenen Saison schon der spätere Absteiger Frankfurt mit Christoph Daum schmerzlich zur Kenntnis nehmen. Nicht unbedingt ein gutes Omen für Preetz, schließlich hat er zuletzt ausgerechnet mit den beiden Ex-Eintracht-Trainern Friedhelm Funkel und Michael Skibbe Schiffbruch erlitten. Sollte die Talfahrt auch mit Rehhagel weitergehen, wird sich Herthas Manager wohl ein anderes Betätigungsfeld suchen müssen. Vielleicht ist dann für den eloquenten Preetz in der Politik noch ein Plätzchen frei.“

Daniel Stolpe (Berliner Morgenpost) freut sich über neue Luft zum Atmen für die Berliner Verantwortlichen: „Ob es nun also der große Wurf war des geschäftsführenden Managers Preetz und seines Präsidenten Gegenbauer oder ein Akt ihrer zunehmenden Verzweiflung – für den Augenblick haben Herthas Bosse sich in erster Linie erworben, was sie am dringendsten brauchten: einen Startrainer, der mit seiner Aura von allen anderen Brandherden ablenkt. Und noch etwas haben Preetz und Gegenbauer erworben: Zeit. Zeit, die sie dazu nutzen können, eine über das Saisonende hinaus zukunftsfähige Lösung auf dem Trainerposten zu finden – so die ihnen überantwortete Mission Klassenerhalt denn einen für sie günstigen Ausgang nimmt.“

Ein Ausdruck von Panik

Michael Jahn (FR) kann den Berliner Angstschweiß förmlich riechen: „Mancher mag die Personalie als starken Coup feiern, doch ist eine Verpflichtung des kantigen Trainers, der schon seinen Ruhestand mit seiner Frau Beate genoss, eher ein Ausdruck von Panik, der das Berliner Management befallen hat. Besonders kreativ erscheint diese Lösung nicht. Aber Berlins verunsicherter Anhang wird sich natürlich gern eines Besseren belehren lassen.“

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Kommentare

5 Kommentare zu “Otto Rehhagel macht der Hertha Beine – jetzt ist Schluss mit Kokolores”

  1. Pumukel
    Montag, 20. Februar 2012 um 10:41

    Brillant in Text und Form 🙂

  2. Kai Butterweck
    Montag, 20. Februar 2012 um 19:39

    😉

  3. juwie
    Dienstag, 21. Februar 2012 um 00:58

    Der bester Freistoß seit langem! 🙂

  4. mustard
    Dienstag, 21. Februar 2012 um 23:44

    Kokolores

  5. Hukl
    Samstag, 25. Februar 2012 um 00:39

    Otto Rehakles wird Berlin spalten!

    Die oben genannten Journalisten-Experten werden nach der ungeahnten Kurzzeitverpflichtung dieser Person auch in den nächsten Wochen genügend unterschiedlichen Gesprächsstoff anbieten können, der mit Sicherheit entsprechend kommentiert wird. Nach dieser Neuvorstellung schien es allerdings den Lesern aber regelrecht die Sprache verschlagen zu haben, weil kaum zwei Sätze pro Meldung dazu folgten.

    Nach fast 50 (!) Jahren ist er wieder da, der halbgriechische Neuberliner. Doch dieser 73- jährige „Dino“ als Trainerfuchs wird gleich auf zwei Hochzeiten tanzen und die Berliner Mauer wieder in das rechte Licht setzen, wenn es gilt, ab sofort möglichst weitere entscheidende Gegentore zu verhindern..
    Er muss als verantwortlicher sportlicher Leiter erstmals bei dem richtungsweisenden Auswärtsspiel in Augsburg von der Bank aus die Geschicke seiner verunsicherten und gefährlich abgerutschten Truppe lenken und wird dabei möglichst oft seine vor vielen Jahren selbst entwickelte „kontrollierte Offensive, mit gleichzeitiger Orientierung nach hinten“ anordnen, die mit einem echten Libero abzusichern gilt. Das war bekanntlich auch bei seinem letzten Arbeitgeber das Erfolgsrezept!

    In der Hoffnung, dass das kurzfristige Primärziel, Klassenerhalt, erreicht wird, fiebert der Mann aus dem Ruhrpott aber bereits einem ganz besonderen politischen Event mit bisher von ihm nicht gekannter Aufregung entgegen. Einen Tag nach dem brisanten Duell gegen seine ehemaligen Münchener Bayern wird er am 18.03.2012 als einer der 620 „besonderen Menschen des öffentlichen Lebens“, zusammen mit den ebenfalls 620 Delegierten des Bundestages den schon fast feststehenden neuen Bundespräsidenten, J. Gauck, in der Bundesversammlung offiziell wählen! Es wäre natürlich günstig, wenn bis dahin der sportliche Leiter auch ein paar Pünktchen aufzuweisen hätte, was bei seinem Vorgänger leider überhaupt nicht klappte.

    Bei der Quartiersuche dürften die Organisatoren der Hertha –Führung deshalb keine große Mühe haben, weil sich ein Nebengelass im z.Z. herrenlosen „Schloss Bellevue“ für ihn und seine Cheffin Beate, mit der er fast 50 Jahre schon einen Trauschein besitzt und diesen auch nachweisen kann, regelrecht anbieten. Ein späterer Wachschutz ist nach einer kleinen verordneten Urlaubspause des Dienstpersonals in Kürze auch wieder abgesichert, während die dortigen Mietkosten bestimmt niedriger liegen, als in einem 5-Sterne-Hotel inmitten der Weltstadt. Da auch die Mietzeit schon jetzt völlig überschaubar ist, kann sich das Ehepaar Rehakle bereits am 08.03.2012 in dem Schlossgarten vor Ort anschauen, wie toll der diesmal noch für den dort gerade ausgezogenen Hauptmieter organisierte „Zapfenstreich“ zelebriert wird. Die musikalischen Jungs in Uniform und brennenden Fackeln könnten nach dieser Saison in ein paar Wochen wieder dort auftauchen, wenn der „Patriarch“ mit seiner Expertin an seiner Seite Berlin wieder verlässt, nachdem der alte Hertha-Dampfer mit seiner jungen Kapitänverpflichtung den rettenden Bundesligahafen geradeso erreichte.

    Bleibt abschließend nur noch zu hoffen, dass das Interesse der Besucherströme in den zukünftigen jeweiligen Pressekonferenzräumen nicht wesentlich höher sein wird, als das Geschehen auf dem Rasen.

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