Ball und Buchstabe
Ein leiser Abschied
| Sonntag, 4. März 2012Die Assauer-Biografie von Patrick Strasser ist eine lesenswerte Reminiszenz an den kranken Schalke-Manager, aber man erfährt wenig Neues.
Wie schreibt man eine Biografie, wenn man sich an sein Leben nicht mehr erinnern kann? Wie erreicht man diesen Duktus aus Vermächtnisbildung und Anekdotenüberlieferung, wenn man im schlimmsten Fall nicht mal mehr weiß, wo man den Stift hingelegt hat? Vor genau diesem Problem steht Patrick Strasser mit seiner Assauer-Biografie „Wie ausgewechselt – Verblassende Erinnerungen an mein Leben“.
Rudi Assauer, der ehemalige Profi, Trainer und Manager hat Alzheimer. Und zwar nicht im Anfangsstadium, wo dem Betroffenen mal ein Name nicht mehr einfällt oder man vergisst, ob man den Herd ausgemacht hat. Und deutlich wird auch, dass sich sein Gesundheitszustand während der Entstehung des Buchs deutlich verschlechtert hat.Der Münchener Journalist Strasser, der für die Abendzeitung schreibt, löst dieses Problem recht elegant. Er lässt alte Weggefährten sprechen: Schalke-Trainer Huub Stevens, Ruhrgebietslegende Werner Hansch, Torwart Dieter Burdenski. Korrekt verweist der Ghostwriter darauf, dass es eben kein Buch von Rudi Assauer mehr ist, markiert seine Aussagen bereits optisch durch Kursivschrift.
Gefüllt wird das Buch durch Aussagen, die sich recherchieren ließen – über eben jene Meisterschaft der Herzen 2001, an die sich Assauer trotz Alzheimer noch erinnert, bis hin zu seinen Anfängen als Profi bei Borussia Dortmund. Leider fehlt eben hier genau das, was eine gute Biografie ausmacht: die Nähe zum Protagonisten. Sachen, die man noch nirgendwo gelesen hat. Das ist schade, gerade weil Assauer wohl wie nur wenige andere einen Schatz an Anekdoten und kleinen Bonmots aus dem deutschen Fußball liefern könnte. „Scheiße, Alzheimer“, um es mit den Worten des großen Machos zu sagen. Es bleiben zwei Geschichten, die man noch nicht gehört hat. Olaf Thon, einstiger Ziehsohn des Schalke-Managers, der Assauer bei der Jubiläumsfeier der Schalker Uefa-Cup-Sieger 2007 Gläser an den Kopf warf. Und Andreas Müller, wie er in der Nacht nach der Meisterschaft der Herzen 2001 seinen Führerschein verlor – auf spektakuläre Art. Es sind die Glanzpunkte des Buches, das sonst recht nüchtern erzählt.
Details stören: Der damalige Premiere-Reporter heißt Rollo und nicht Benno Fuhrmann, Markus Merk war im Oktober 2011 und nicht 2010 zum ersten Mal seit der legendären Fehlentscheidung 2001 wieder auf Schalke. Lesenswert ist das Buch trotzdem als Erinnerung an einen, der den deutschen Fußball und insbesondere den FC Schalke 04 geprägt hat, wie nur wenige sonst. Als schmerzhaften Abschied für jemanden, der die Öffentlichkeit geliebt hat und sich jetzt zurückziehen muss. Als Vermächtnis um nie in Vergessenheit zu geraten. Glück auf, Rudi!
Rudi Assauer: Wie ausgewechselt – Verblassende Erinnerungen an mein Leben, riva, 256 Seiten.
Kommentare
1 Kommentar zu “Ein leiser Abschied”
Sonntag, 4. März 2012 um 23:11
Tolle Reszension, vielen Dank, sehr informativ, sehr gute Gedanken, gut auf den Punkt gebracht.