Bundesliga
Köln steigt ab – kein Land in Sicht
| Montag, 7. Mai 2012Der 1. FC Köln folgt dem 1. FC Kaiserslautern in die zweite Liga. Die Presse zweifelt an einer sofortigen Rückkehr der Rheinländer ins Oberhaus. Außerdem: Freude in Berlin, Rekorde in Dortmund und Tristesse in Hamburg
In Köln herrscht tiefe Trauer. Nach der Heimschlappe gegen die Bayern und Herthas Sieg gegen Hoffenheim müssen die Domstädter den Gang in Richtung zweite Liga antreten. Philipp Selldorf (SZ) erinnert an einen Mitschuldigen: „An Stale Solbakken führt kein Weg vorbei, wenn man die sportlichen Probleme des Teams besieht. Der Norweger kam mit dem Renommee, in Kopenhagen drei Meister- titel gewonnen zu haben. Aber den Alltag und den Kraftfußball der Bundesliga hat er nicht verstanden. Theorie und Praxis fanden bei ihm nie zusammen. Solbakken vertraute auf die Überlegenheit seiner Strategie, Konditionsarbeit hielt er für nebensächlich, Kompromisse lehnte er ab.“
Keine guten Bedingungen
Daniel Theweleit (taz) wartet mit beunruhigenden Zahlen auf: „Die konkreten Ausmaße des Desasters sind noch nicht wirklich absehbar. Auf dem Klub lasten 30 Millionen Euro Verbindlichkeiten. Längst wurden Anteile an den Transferrechten der besten Spieler zu Geld gemacht, und die angeblich 12 Millionen Euro, die der Transfer des vor dem Spiel unter Tränen verabschiedeten Lukas Podolski zum FC Arsenal in die Kassen spült, können nur zum Teil reinvestiert werden. Denn um die Lizenz für die zweite Liga zu erhalten, sind strenge Auflagen zu erfüllen. Das sind keine guten Bedingungen für die laufende Suche nach einem neuen Sportdirektor und einem neuen Trainer.“
Michael Krämer (FR) blickt zurück auf die vorerst letzten neunzig Bundesliga-Minuten des 1. FC Köln: „Die Mannschaft zeigt zu Beginn, was sie zu leisten vermag: Schnelle Kombinationen, gewonnene Zweikämpfe und Laufbereitschaft. Deutlich wird aber auch der Mangel an Klasse, sich für gezeigten Einsatz zu belohnen. Gepaart mit dem gravierenden Mangel an mentaler Stärke entsteht eine fatale Mixtur für diese in ihren Strukturen verkrustete Mannschaft: Ein falsch gemixter Zaubertrank, der schwach macht und bei Negativerlebnissen jegliche Leidenschaft erlöschen lässt. Der Zusammenbruch gegen München war die Kurzform des 17-Spiele-Untergangs in der Rückrunde.“
Der FC krankt an Haupt und allen Gliedern
Martin Beils (RP Online) sieht kein Licht am Ende des Tunnels: „Der FC krankt an Haupt und allen Gliedern. Lukas Podolski ist weg, die Mannschaft zerrüttet, die Fanszene auch, die Finanzen bereiten große Sorgen. Welcher qualifizierte Manager und welcher Trainer von Klasse wagt sich in diese Schlangengrube? Köln braucht einen Neuanfang, heißt es allenthalben. Ja klar, der ist unausweichlich. Doch viermal hatten die Kölner schon die Chance zur Selbstreinigung nach einem Abstieg, genutzt wurde sie nie. Auch dieses Mal gibt es keine Anzeichen für eine grundsätzliche Wende.“
Nach Ansicht von Frank Lamers (derwesten.de) ist der 1. FC Köln abgestiegen, „weil es zwar einen Lukas Podolski gab, weil es aber ansonsten nichts, wirklich gar nichts gab, was positiv hätte auffallen können. Und weil es am Ende, im Letzte-Chance-oder-sofort-runter-Spiel, das Pech eben wollte, dass man nicht gegen ein Trüppchen anzutreten hatte, das die Hoffnung schon im Namen trägt. Wäre die Konstellation anders gewesen, wäre Kölle den Hoffenheimern, wäre die Hertha den Bayern begegnet: Wie hätte es dann nach dem Schlusspfiff wohl ausgesehen?“
Das Team folgte seinem schrulligen Coach
Während in Köln dicke Tränen kullern, jubelt man in Berlin über das Erreichen des Relegationsplatzes. Klaus Bellstedt (stern.de) nennt den Vater des Erfolges beim Namen: „Rehhagels Erfahrung und seine vielen Erfolge als Trainer können eine neue Mannschaft schon mal einschüchtern, aber in Berlin war das nicht so. Das Team folgte seinem schrulligen Coach, durchschritt dabei zwar manches Tal, schaffte aber tatsächlich am letzten Spieltag den vielleicht sogar entscheidenden Turnaround. Die Hertha kämpfte wie noch nie in dieser Saison. Sie hatte dank Rehhagel verstanden, welches Stündlein ihr geschlagen hatte.“
Wer Fußball spielt, hat sich entschieden, Teil einer Mannschaft sein zu wollen
Im oberen Tabellendrittel freute man sich erwartungsgemäß in Dortmund am lautstärksten. Freddie Röckenhaus (SZ) geht adelnd in die Knie: „Wer je Fußball gespielt hat, weiß, dass es das höchste aller Triumphgefühle ist, wenn gemeinsam Spielzüge gelingen, deren Perfektion und Schönheit man selbst kaum glauben kann. Wer Fußball spielt, hat sich entschieden, Teil einer Mannschaft sein zu wollen. Wer Dortmund deshalb immer noch unterschätzt, hat das Spiel nicht verstanden.“
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Der HSV irrlichterte durch die Saison
Wesentlich kleinere Freudensprünge machen hingegen die Fans des HSV, der sich erst im Schlussspurt vor dem drohenden Absturz in die Zweitklassigkeit retten konnte. Lukas Rilke und Christian Paul (Spiegel Online) knöpfen sich die Schuldigen nochmal vor: „Selbstüberschätzung. Das ist das Wort, das die Saison des Hamburger SV am besten beschreibt. Als die im Vergleich zum Vorjahr massiv veränderte – und deutlich geschwächte – Mannschaft der Hanseaten gleich zu Beginn ans Tabellenende rutschte, glaubte man in Trainer Michael Oenning den Schuldigen gefunden zu haben. Nachfolger Thorsten Fink verglich sich erst mit Dortmunds Meistertrainer Jürgen Klopp und gab dann realitätsferne Parolen aus (Stichwort: Europapokal). Währenddessen irrlichterte eine Elf durch die Liga, deren Abwehr hanebüchene Fehler machte und im Sturm gänzlich harmlos war.“
Freiburg und Augsburg machen Mut
Peter Penders (FAZ) befasst sich mit grundsätzlichen Eindrücken der abgelaufenen Spielzeit und klopft vor allem den Underdogs auf die Schultern: „Der Zusammenhang zwischen Geld und Leistung im Fußball besteht unbestritten, lässt sich sogar an den Zuschauerzahlen ablesen. Doch dass immer noch mit wenig Geld ganz viel zu erreichen ist, zeigen die Beispiele Freiburg und Augsburg, die jedem kleinen Verein der zweiten Liga Mut machen müssten. Unter den gegebenen Voraussetzungen ist der Klassenverbleib dieser Klubs eine noch größere Überraschung als der ebenfalls nicht erwartete Aufschwung von Borussia Mönchengladbach.“
Kommentare
5 Kommentare zu “Köln steigt ab – kein Land in Sicht”
Montag, 7. Mai 2012 um 11:23
Der Text von Klaus Bellstedt von stern.de ist unerträglich. Jetzt jazzt er Rehhagel hoch, als ob alles seit Wochen auf dieses (Halb)-Rettung hinausliefe. Mit derselben Überzeugung wird er Rehhagel als Schuldigen verdammen, wenn Hertha BSC gegen Düsseldorf doch noch absteigt. Das ist Primitiv-Journalismus und hat im Freistoss nichts zu suchen.
Montag, 7. Mai 2012 um 11:50
@Matze: Vielleicht gerade deswegen, weil der Bellstedt’sche Beitrag so ein Schrott ist, gehört er auch hier hin.
Wenn sich der indirekte freistoss nur auf die Perlen des deutschen (Fußball-)Sportjournalismus konzentrieren würde, gäb’s nach mE nicht viel zu berichten bzw. zusammenzufassen …
Montag, 7. Mai 2012 um 14:04
Als Stolbaken sich vor der Saison und ohne Not mit Poloski anlegte, war klar, dass die Sache mit dem lustigen Dänen-Newcomer und dem Schlangennest Kölle schief geht. Damals fanden sich unkundige Pseudo-Modernisten, die was von Systemfußball schwafelten und prognostizierten, dass der Stolbaken ein ganz Großer ist oder wird. Heute muss man sehen, dass er in Mannschaftsführung, Taktik und Physis auf ganzer Linie versagt hat. Die Schreiber vom Sommer sind indes froh, dass ihre Zeilen längst vergessen sind. Genauso wie die Prognosen zum „Auslaufmodell“ Huub Stevens, der mit Schalke – für die gleiche Schreibercrew unerwartet – eine sehr gute Saison gespielt hat. Schwamm drüber, bald ist Sommerpause. Bis die Wahrheit aufm Platz wieder durchschimmert, kann man ab sofort wieder was Neues schreiben.
Montag, 7. Mai 2012 um 21:27
Da sind ja wirklich keine besonders spannenden
Beiträge der schreibenden Experten nachzulesen. Es tut mir sehr leid, doch K. Bellstedt, (Stern.de), hat mit O. Rehagel die wirklich total falsche Person als Retter der „Alten Dame“ in Berlin herausgefunden.
Allein die äußerliche Anteilnahme auf der Bank am Seitenrand während der letzten Spiele war doch gegenüber früherer Jahre eher mit einer feststellbaren Narkosierung einer vorzubereitenden Operation zu vergleichen, statt der Nutzung der nur jeweils kurzzeitigen Erholungsmöglichkeit von den mit Trippelschritten begleiteten Dauerläufen seines kleinen begrenzten Trainerraumes, von dem aus der gute O.R. in den vergangenen großen Zeiten die Befehle an seine Spieler so lautstark losschmetterte, dass auch diese von den Spaziergängern der angrenzenden Parkanlagen der Stadien ausgewertet werden konnten. Der zukünftige Trainer des FC Bundestag ist eigentlich ein Schatten seiner selbst.
Herthas Erreichen der „Verlängerung“ war in Wirklichkeit das Ergebnis mehrerer Glücksfälle, so blöd das klingt:
– mit dem „Dorf“, wie sie es sagten, kam
der genau richtige Gegner, der sich
bereits eigentlich ohne Not nur auf
seinen Urlaub vorbereiten wollte.
– dessen Trainer, der zuletzt bei den
Berlinern angestellt war, formulierte
allerdings aus der Ferne im Vorfeld der
letzten Begegnung ein paar Sätze, die zum
nochmaligen Luftschnappen der sich bereits
aufgegebenen Spieler animierten und auch
die bis dahin völlig enttäuschten
Zuschauer plötzlich nochmals aufrappelten
und mobilisierten
– ein Teil der Hertheraner Aktiven
wollte nochmals beweisen, dass der ständig
angefeindete Manager, M. Preetz, mit
seinen Einkäufen vielleicht doch nicht so
falsch lag
– Feststellen einiger spielentscheidender
Fehler in der Leitung dieser Begegnung
– der für Unruhe sorgende beginnende
Neuanfang in der Vorstandsebene (ein sehr
unglücklich gewählter Termin) bei dem
anderen Wackelkandidaten im Kölner
Fernduell
– mit einem besonders motivierten Gegner,
Bayern München, der dieses Treffen als
letzte Vorbereitung seiner beiden
wichtigen Endspiele nutzen wollte
– sowie das frühzeitige Aufgeben des Kölner
Alleinunterhalters, L. Podolski, bei
seinem Abschlussspiel zuhause.
Wie man hört, haben die Buchhalter des DFB allerdings demnächst besonders in Köln und Berlin (auch woanders noch) genügend zu tun, um evtl. die Wiederinstandsetzung der dort restlos versiegten Geldquellen mit den erforderlichen Lizenzpapieren zu prämiieren, egal in welcher zukünftigen Klasse.
Was man allerdings in Köln unmittelbar nach dem Spiel ansehen musste, waren Bilder wie in einem Krieg, einfach schrecklich! Wie soll das nur weitergehen?
Zum Abschluss hätte ich mir gewünscht, dass die ansprechenden Leistungen der bereits im Vorfeld vermeintlich als Absteiger feststehenden Freiburger oder Augsburger (außer P.Penders (FAZ) nochmals allgemein hervorgehoben werden, neben der Wahnsinnsserie der Dortmunder. Das ist leider kaum passiert!
Montag, 21. Mai 2012 um 09:46
Hat Klaus „Ich weiß alles“ Bellstedt denn nun schon den „Otto Rehhagel war schuld an Herthas Abstieg“ Artikel veröffentlicht oder wartet er noch auf den DFB-Entscheid, ob es eine Wiederholung des Relegationsspiels gibt?