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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Champions League

Bayern-K.o. – im Tal der Tränen

Kai Butterweck | Montag, 21. Mai 2012 2 Kommentare

Auch bei der letzten Titelvergabe dieser Saison ziehen die Bayern den Kürzeren. Die Presse sucht nach Gründen

Klaus Hoeltzenbein (SZ) findet tröstende Worte: „Wer Fußball spielt, muss mit einem solchen Schicksal leben lernen. Er muss irgendwann begreifen, wenn auch nicht akzeptieren, dass eine Horrorshow kein Happyend hat. Die Frage ist nach solchen Tragödien stets, ob sich eine Mannschaft davon erholt. Die Elf des FC Bayern ist jung, sie hat weiterhin Perspektive, und wenn sie irgendwo einen Trost sucht, dann in der eigenen Geschichte. Und in der Hoffnung, dass auch die sich wiederholt.“

Man hatte das Gefühl, sie hätten 100 Eckstöße schießen können

Peter Hess (FAZ) weiß, warum die Münchener leer ausgingen: „Die Bayern investierten viel, um dieses Spiel gewinnen zu können. Aber für den Champions-League-Triumph fehlten die entscheidenden Qualitätsmerkmale: Präzision beim Torschuss und Durchsetzungsvermögen. Alle 20 Eckbälle der Bayern verpufften, man hatte das Gefühl, sie hätten 100 Eckstöße schießen können, ohne dass Torgefahr entstanden wäre. Chelsea genügte ein einziger Eckstoß zum Torerfolg.“

Klaus Brinkbäumer (Spiegel Online) findet viele Kritikpunkte: „Die bessere Mannschaft hat das Champions-League-Finale im Elfmeterschießen verloren. Das ist gemein. Aber die bessere Mannschaft hat sich nicht gut bewegt, war eher langsam oder jedenfalls stets im selben Tempo unterwegs und überraschte niemanden. Was hätte da Borussia Dortmund der Rückrunde mit diesem zaghaften FC Chelsea gemacht? Das funktioniert nicht, wenn sechs Spieler stehen. Die bessere Mannschaft hatte am Samstag zwar meistens den Ball, aber vor dem Tor ging sie ungenau mit ihm um. Dass Chelsea so atemberaubend verteidigt habe, ist nicht wahr; es hielten sich nur viele Verteidiger im Strafraum auf. Wie viele Torchancen haben die Bayern herausgespielt?“

Bayern ist kein Trainer-, sondern ein Spielerverein

Oliver Fritsch (Zeit Online) fordert mehr Macht auf der bayerischen Trainerbank: „Der FC Bayern hat seinen eigenen, selbstbewussten Charakter, Trainer sind unter Hoeneß, Rummenigge und Beckenbauer immer Übergangslösungen. Es ist kein Trainer-, sondern ein Spielerverein. Zwei erfolgreiche Wettbewerber Bayerns hingegen haben erkannt, dass der wichtigste Posten in einem Fußballverein der des Trainer ist. Sowohl der nationale Konkurrent Dortmund als auch der internationale – nein, nicht Chelsea – Barcelona glauben an Trainerfußball. An beiden Orten waren die vergangenen vier Jahre Akribiker mit eigener Spielidee am Werk.“

René Kübler (Badische Zeitung) erzürnt sich über das Verhalten einiger Bayern-Akteure: „Dass sich vor dem Elfmeterschießen gleich mehrere potenzielle Schützen aus der Verantwortung stehlen, ist auf höchstem internationalem Niveau nicht entschuldbar. Fehlende Courage führt außerdem dazu, dass Akteure mit egoistischem Naturell wie Arjen Robben in wichtigen Momenten ungehindert ihren übertriebenen Ehrgeiz ausleben dürfen – und ungebremst übers Ziel hinausschießen.“

Es mangelt an einer frischen Fußballidee

Carlos Ubina (Stuttgarter Zeitung) vermisst ein zündendes Konzept bei den Bayern: „Den Münchner fehlt es – auch im Vergleich mit Europas Edelvereinen – nicht an Geld. Sie können sich fast jeden Spieler leisten. Nur wen sollen sie holen? Die Best-of-Bundesliga-Einkaufstour bringt sie nicht mehr weiter. Vielmehr mangelt es an einer frischen Fußballidee, wie sie Borussia Dortmund hat, um den FC Bayern mit Lahm und Schweinsteiger national wie international wieder zum Erstrahlen zu bringen.“

Helmut Schümann (Tagesspiegel) fragt sich folgendes: „Warum? Warum gab Trainer Heynckes die offensive Orientierung auf und beorderte stattdessen den gerade erst genesenen Innenverteidiger Daniel van Buyten in die Defensive? Müller habe signalisiert, dass er raus wolle, sagte Heynckes hinterher, Wadenprobleme plagten ihn schon des Öfteren. Und die waren so groß, dass sie nicht noch drei Minuten auszuhalten gewesen wären? Drei Minuten, in denen Müllers Brust zur Heldenbrust angeschwollen sein musste des Tores wegen, drei Minuten, in denen ihm das Adrenalin durch den gewiss geschundenen Körper geschossen sein muss?“

Hatte man ihnen vielleicht zu viel aufgebürdet?

Auch bei den Eidgenossen sucht man nach Gründen für die Niederlage der Bayern. Nach Ansicht von Stefan Osterhaus (NZZ)war zu viel Druck im Spiel: „Es war ein energischer Auftritt der Bayern. Doch in den entscheidenden Augenblicken wirkte es so, als sperre sich etwas gegen den Titelgewinn, als beschleiche sie Angst vor der eigenen Courage. Hatte man ihnen vielleicht zu viel aufgebürdet? Schon Wochen vor dem Final hatte es den Anschein, als sei dieser Titelgewinn nicht einmal durch höhere Gewalt zu vermeiden. Eine Niederlage war in der Münchner Gedankenwelt nicht vorgesehen, nicht nur in der der Klubchefs.“

Raf Sanchez und James Kirkup (telegraph.uk) amüsieren sich über die Reaktionen von Angela Merkel und David Cameron beim gemeinsam erlebten Dolchstoß der Engländer: „Vor zwei Jahren, bei der demütigenden WM-Schlappe gegen Deutschland saßen die beiden schon einmal nebeneinander. Demnach sei es David Cameron verziehen, dass er seiner unbändigen Freude in Gegenwart der deutschen Kanzlerin freien Lauf lässt.“

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Kommentare

2 Kommentare zu “Bayern-K.o. – im Tal der Tränen”

  1. Pressestimmen zu Bayern München + ein erster Sieg in Moskau bei der Schach-WM zwischen Anand-Gelfand | sportinsider
    Montag, 21. Mai 2012 um 11:35

    […] Bayern München mit dem Alptraum in Serie. Auf indirekter-freistoss gibt es unter dem Titel Bayern-K.o. – im Tal der Tränen eine Sammlung von Pressestimmen zur Niederlage des Jahres […]

  2. HUKL
    Montag, 21. Mai 2012 um 13:00

    Bayern – ein Schock!
    Zugegeben, nur wer selbst einmal Fußball gespielt hat, weiß, wie schmerzlich eine Niederlage besonders in einem entscheidenden bzw. echten Endspiel ist, die unmittelbar kurz vor Schluss entstand und schon alle verinnerlichten eigene Freudenszenen niederschmetternd und erbarmungslos zerstört hat.
    Das gilt für die Kreisklasse, wie – in München soeben geschehen – auch auf höchster internationaler Ebene! Hier gibt es den kleinen Unterschied, dass dabei das verflixte Geld in richtig selten hoher Größenordnung neben dem moralischen Knick auch liegengelassen werden musste.

    In diesem Endspiel haben es aber allein die Bayern nach überlegenem Spiel selbst verzapft und konnten somit auch nach dem letzten Versuch in diesem Jahr, wie von mir schon am 18.04.2012 hier vermutet, sich nicht wenigstens einmal vom Rathausbalkon feiern lassen. Das tut schon weh!

    Es ist schon komisch:
    Als der Fernsehreporter bereits sein Resümee vorbereitete, sprach er von einer sehr schwachen Mannschaft aus Chelsea, wobei Drogba besonders keinen Stich sah. Ob dieser Spieler das gehört hat?

    Die sehr schmerzliche Niederlage war für solche Persönlichkeiten, wie Schweinsteiger und vor allem Trainer Heynckes, leider auch Anlass, den nicht alltäglich angebotenen Handschlag zur Gratulation unseres Bundespräsidenten zu ignorieren!

    Die oben genannten Pressemeinungen sind in Ordnung.

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