indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

EM 2012

Von wegen wundgelegen

Kai Butterweck | Donnerstag, 14. Juni 2012 5 Kommentare

Mario Gomez trifft beim Sieg gegen Holland und verpasst damit allen seinen Kritikern einen vorläufigen Maulkorb

Mit seinen beiden Toren gegen Holland gibt Mario Gomez die passende Antwort auf die zuletzt aufkommende Kritik an seiner Spielweise. Stefan Hermanns (Tagesspiegel) klopft dem Stürmer anerkennend auf die Schultern: „Eigentlich hätte er schon ausgewechselt werden sollen gegen Portugal, durch Glück und einer abgefälschten Flanke aber sei der Ball dann auf seinem Kopf und von da im Tor gelandet. Am Mittwochabend aber waren weder Glück noch abgefälschte Flanken nötig. Es reichten zwei gute Pässe von Bastian Schweinsteiger, und Gomez zeigte, dass er Top-Qualitäten im humorlosen Abschluss hat. Und warum er seit sechs Jahren der beste Stürmer der Bundesliga und in der Champions League nur Messi besser ist.“

Eine besondere Pikanterie

Peter Ahrens (Spiegel Online) freut sich besonders für zwei Protagonisten des Abends: „Es war eine besondere Pikanterie, dass der Klassiker gegen die Niederlande ausgerechnet von jenen beiden Spielern entschieden wurde, die nach dem Portugal-Spiel am meisten in der Kritik standen. Neben Gomez gelang auch seinem Münchner Teamkollegen Bastian Schweinsteiger eindrucksvoll die Rückkehr zu alter Stärke.“

Auch Stefan Osterhaus (NZZ Online) erkennt: „Es gab noch einen anderen im DFB-Team, dessen Leistung derjenigen von Gomez ebenbürtig war: Bastian Schweinsteiger, Gomez‘ Arbeitskollege aus München, der ihm den Ball mit zauberhaften Pässen millimetergenau servierte. Zuspiele solcher Art hievten den Münchner in die Weltklasse. Doch es war die Art, wie er den Rhythmus vorgab, die den Deutschen den Schlüssel zum Sieg in die Hand gab.“

Fehlende Unterstützung

Michael Ashelm (FAZ) erfreut sich vor allem am deutschen Teamgeist: „Nach und nach ging der Schwung beim Gegner verloren, zu starr hielten die Individualisten bei Oranje ihre Positionen in ihrem hergebrachten 4-4-3-System. Dagegen stand die deutsche Elf ideal gestaffelt, zwang den Gegner durch eine frühzeitige, enge Deckung zu Fehlabspielen. Wenn mal ein Ball verloren ging, halfen gleich zwei, drei andere Spieler aus, um die Situation doch noch zu retten.“

Johannes Aumüller (SZ) weiß woran es bei den Holländern haperte: „Holland war gefordert. Doch es zeigte sich einmal mehr die Schwachstelle ihres Systems: Da stand zwar das formidabelste holländische Offensiv-Quartett seit dem 24. April 1910 auf dem Platz, doch dieses formidable Offensiv-Quartett erhielt kaum Unterstützung – weil es sich bei den möglichen Unterstützern eben nicht um kreative Mittelfeldakteure handelte, sondern um Mark van Bommel und Nigel de Jong.“

Thomas Hummel (SZ) nimmt Arjen Robben tröstend in die Arme: „Acht Minuten vor Schluss erlöste van Marwijk den Bayern-Stürmer endgültig von allen Lahms und Boatengs und Badstubers. Er wechselte ihn aus. Dabei sah man immer noch das rote Rinnsal an seinem Kopf von Badstubers Kopfstoß. Wenn das der Abgang des Arjen Robben bei dieser Europameisterschaft war, dann war es ein trauriger.“

freistoss des tages

 

Kommentare

5 Kommentare zu “Von wegen wundgelegen”

  1. Manfred
    Donnerstag, 14. Juni 2012 um 12:56

    Ich mag den Spieler Gomez nicht sonderlich, weil für mich seine Art ziemlich sehr antiquiert daherkommt (jaja, ich weiß, es ist egal, wie einer die Mittelstürmerrolle spielt, solange er Tore schießt, ich mag seine ‚Interpretation‘ trotzdem nicht) und ich fand und finde das, was Scholl gesagt hat (und was natürlich wie üblich allüberall aus dem Zusammenhang gerissen wurde), richtig und wichtig. Es hat ja sogar geholfen, Trotzreaktion und so, aber wieso geht es mittlerweile nie mehr grau, sondern immer nur pechschwarz oder blütenweiß? Sollte derselbe Gomz im Spiel gegen die Dänen zwei sogenannte todsichere Chancen verballern wie damals bei der letzten Europameisterschaft, dann ist er wieder der letzte Arsch (sorry, aber so ist es doch fast immer im deutschen Qualitätsboulevardsportjournalismussurrogat).
    Himmel oder Hölle, dazwischen ist nichts, das finde ich erbärmlich.

  2. Frosch
    Donnerstag, 14. Juni 2012 um 21:55

    Sehe ich ähnlich, Manfred: Gomez gebührt viel Lob. Man könnte aber vielleicht trotzdem sachlich erwähnen, dass er gerade in den ersten zwanzig Minuten zweimal Scholls Kritik bestätigte, als er sehr ungenaue Kurzpässe spielte, die zu gefährlichen Kontern der Holländer führten. Aber vermutlich würden in der Himmel-oder-Hölle-, Für-oder-Gegen-Gomez-Stimmung solche dezenten Hinweise gleich wieder als Anti-Gomez-Stimmungsmache empört zurückgewiesen.

  3. Manfred
    Donnerstag, 14. Juni 2012 um 22:16

    Ich schau mir die Spiele grundsätzlich erst später an, wenn ich die englische Version habe, da bei mir jedweder deutsche Kommentator Brechreiz verursacht (ich weiß, das ist jetzt pechschwarz). Morgen weiß ich dann, was du da meinst.

  4. Daniel
    Freitag, 15. Juni 2012 um 10:50

    @ meine Vorredner:

    Ganz euer Meinung. Vielen Dank, ziemlich genau das Gleiche wollte ich auch zum Ausdruck bringen.

  5. thorfabrik
    Sonntag, 17. Juni 2012 um 19:39

    4-4-3 ist natürlich auch eine Art, „Überzahl in Ballnähe“ herzustellen..

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