Deutsche Elf
Joachim Löw ergreift das Wort – Ruhe im Karton
| Dienstag, 14. August 2012Vor dem Testspiel gegen Argentinien tritt Bundestrainer Joachim Löw vor die Mikrofone und lässt seinem Ärger freien Lauf
Philipp Selldorf (SZ) steht weiterhin im Dunkeln: „Warum er nach dem Scheitern der EM-Mission so lange und so demonstrativ und so beredt geschwiegen hatte – das hat er auch bei seinem Auftritt am Montag nicht verraten. Über etwaige Zweifel an seiner eigenen Trainerkunst wegen des missratenen Spiels gegen Italien hat er nicht gesprochen; die neuralgischen Punkte, die dieser seltsame Abend in Warschau aufgeworfen hatte, sparte er mit vielen Worten aus. Nach diesen 45 Pressekonferenz-Minuten, in denen er sich als Autorität der Nationalmannschaft offiziell zurückmeldete, weiß man immer noch nicht, wie er nun darüber denkt, dass er seiner Nationalmannschaft im Halbfinale eine Strategie verordnete, die nicht funktionierte.“
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Eine vertane Chance
Jan Christian Müller (FR) lobt und rügt zugleich: „Es gibt nur ganz wenige Trainer, die eigene Irrtümer eingestehen und konkret benennen, der Mainzer Thomas Tuchel ist eine der seltenen Ausnahmen. Dabei würde derartige Selbstkritik, wenn sie denn nicht allzu oft geäußert werden muss, sowohl von den eigenen Spielern als auch von Fans und Medien mit erheblichem Respekt wahrgenommen. Diese Chance hat Löw vertan, viel wichtiger und richtiger war es aber ohnehin, sich ansonsten vorbehaltlos nicht nur vor sich selbst, sondern vor allem auch kämpferisch vor die Mannschaft zu stellen. Das hat der Bundestrainer getan.“
Stefan Herrmanns (Tagesspiegel) fordert mehr Einsicht vom Bundestrainer: „Die EM war ein Einschnitt in Löws Amtszeit. Zum ersten Mal überhaupt sah er sich heftiger Kritik ausgesetzt. Sein gestriger Auftritt spricht nicht dafür, dass er sie wirklich an sich herangelassen hat. Aus Überzeugung? Aus Selbstschutz? Die Wucht der Vorwürfe hat sich auch aus der immer noch unbefriedigten Sehnsucht nach einem Titel gespeist, die den Bundestrainer bis zur WM 2014 sehr viel stärker begleiten wird. Löw wird mit diesen, zum Teil irrealen Erwartungen umgehen müssen, auch wenn er sagt, dass es „immer noch ein kleiner Schritt von der Weltklasse zur Weltspitze“ ist. Joachim Löw sollte mehr denn je darauf achten, dass er nicht ins Stolpern gerät.“
Leidenschaftlich und überzeugt
Michael Horeni (FAZ) klopft Joachim Löw anerkennend auf die Schultern: „Als Löw am Montag seine gut zwanzigminütige Rede voller Ernst und Engagement gehalten hatte – wie man sie in dieser Form von keinem Bundestrainer gehört hat und die man getrost eine große Rede nennen kann –, weiß die Fußballnation sehr genau, mit wem sie es bis zur WM 2014 in Brasilien zu tun haben wird: mit einem leidenschaftlich für seine Spieler und Überzeugungen kämpfenden Löw.“
Rafael Buschmann (Spiegel Online) winkt eher enttäuscht ab: „Joachim Löw wolle zukünftig das Pressing noch stärker fokussieren, die Defensivabläufe perfektionieren und den Torabschluss effizienter gestalten. Das ist Löws Plan, um in zwei Jahren der erste europäische Weltmeister in einem südamerikanischen Land zu werden. Man hätte schon erwarten können, dass ein solch traumatisches Scheitern bei der EM ein paar innovativere Ideen freisetzt, statt inhaltslose Debatten neu aufzukochen.
Kommentare
5 Kommentare zu “Joachim Löw ergreift das Wort – Ruhe im Karton”
Mittwoch, 15. August 2012 um 09:55
[…] Der “Indirekte Freistoss” fasst die Debatte um Löws-Rede vor dem Spiel gegen Argentinien zusammen: Joachim Löw ergreift das Wort – Ruhe im Karton […]
Mittwoch, 15. August 2012 um 10:37
Ein notwendiger Nachtrag zu Herrn Buschmanns Abwinker:
https://hogymag.wordpress.com/2012/08/14/buschmanns-larm-um-nichts/
Glashaus, Steine und so.
Und Herr Selldorf: gefreut haben wird er sich, dass die Strategie gegen Italien nicht aufging, was wohl sonst? D‘oh.
Mittwoch, 15. August 2012 um 18:25
Deutschland vs. Argentinien: Startschuss zur WM 2014 Vorbereitung…
Argentinien Fans Bild: Olaf Nordwich, Flickr CC BY-SA 2.0 Die EM 2012 ist kaum vorbei und schon fällt der Startschuss für die WM 2014 Vorbereitung. Die neue Länderspiel-Saison beginnt heute mit einem Freundschaftsspiel gegen Argentinien, das als Test u…
Donnerstag, 16. August 2012 um 17:01
Guter Artikel von hogymag. Es ist notwendig, dass die Presse das Fernsehen kritisiert und Blogs die Presse untersuchen. Alles immer schön sachlich.
Eine wirklich gute Ergänzung zum reinen Zitieren des IF.
Montag, 20. August 2012 um 12:20
Stefan Herrmanns (Tagesspiegel) hat es eigentlich auf den Punkt gebracht.
Das ist eigentlich nicht der Löw gewesen, wie wir ihn kennen. Er schien fremdgesteuert zu sein. Warum er sich erst jetzt meldete, wird auch sein Geheimnis bleiben.
Wenn man sich plötzlich am Ende der fußballarmen Zeit doch Aufmerksamkeit verschafft, wäre es doch auch der beste Zeitpunkt gewesen, nicht mit Kritik an sich selbst zu sparen und wichtige Reporterfragen zuzulassen, statt fortwährend, also ohne Unterbrechung, seine festgezürnten Worte loszuwerden zu wollen.
Nein, das war kein guter Beitrag, werter Herr Bundestrainer!