Ball und Buchstabe
Neue Rubrik: Armin Veh wird seine Kritiker von der FR vermissen
| Montag, 21. Januar 2013Der Eintracht-Coach bedauert die Insolvenz der Frankfurter Rundschau und verzichtet auf Autorisierung / der neueste Trick von Hasan Ismaik bei 1860 / sporthistorischer Moment bei Armstrongs kalkuliertem Geständnis / Nazis vertreiben Aachener Ultras
Ich werde mich ab sofort an dieser Stelle, meiner alten Heimat, regelmäßig zu Wort melden und ein paar Hinweise geben auf das, womit ich mich so beschäftige und was ich so produziere: also meine Texte für Zeit Online und dazugehörige Randnotizen, aber auch sonstige Auffälligkeiten aus der Sportwelt. Mein Plan sieht vor: jede Woche, meist am Wochenende, einen Blog-Beitrag. Doch das ist ohne Gewähr, es kann mal öfter, mal seltener sein.
Am Donnerstag habe ich mit Armin Veh gesprochen. Ich muss sagen, dass ihn nach seinem Abgang beim HSV abgeschrieben hatte, sogar noch vor dieser Saison. Wenn man sich so umhört, heißt es über Veh, er habe seine Stärken, wenns läuft – und umgekehrt. Aber ohne Zweifel steht die Eintracht zu Recht auf Platz 4, also Abbitte leisten. Viel ist in zwanzig Minuten Telefonat nicht rauszuholen, aber es sind ein paar nette Zitate dabei: Kann schon sein, sagte er, dass es mal Phasen in seiner Trainerkarriere gegeben habe, in denen er weniger Lust an seinem Job gehabt habe. Das mag menschlich sein, doch das ist selten, wie ich finde, dass das jemand zugibt. Veh ist auch einer der wenigen, die sich über Pep Guardiola nicht schwärmerisch äußerten: „Ich finde die Hymnen überzogen, das ist mir zu viel“, sagte er.
Der redaktionellen Redigatur zum Opfer fiel eine Passage über die Frankfurter Rundschau, die ihrem Ende entgegenzusehen scheint. Veh hatte auf einer Pressekonferenz die Frage, welche Schlagzeile er sich wünsche, folgendermaßen beantwortet: „Insolvenz der Frankfurter Rundschau abgewendet!“ Im Gespräch mit mir sagte er: Diese Zeitung sei „wichtig für eine Stadt, wichtig auch für die Eintracht“. Er lese sie immer, gerade weil sie kritisch sei, auch mit ihm. Dieser Solidaritätsgruß wird den Kollegen leider nicht viel helfen. Veh verzichtete übrigens darauf, das Gespräch zu autorisieren. Ungewöhnlich. Das passt wohl zu ihm.
Das Thema Guardiola hat uns diese Woche natürlich auch beschäftigt. Ein großer Transfer für den FC Bayern. Wenn sie ihn machen lassen, kann das was werden. Hier meine Analyse. Ich sehe ja eine kleine Chance, dass Philipp Lahm, ein „Passer“ nach Barca-Format, nächste Saison im zentralen Mittelfeld spielen wird. Aber vielleicht ist er zu alt für einen Positionswechsel.
Ein anderes Thema aus München: 1860. Was für eine Posse! Erst will der Investor Hasan Ismaik Sven-Göran Eriksson engagieren, droht mit Zahlungsstopp, doch der Verein um den Präsidenten Dieter Schneider bleibt standhaft. Dann einigt man sich auf einen Kompromiss mit Eriksson, was wie ein Einknicken des Vereins aussieht und vielleicht auch wie ein mittelbarer Verstoß gegen 50+1. Nun sagt Eriksson ab und angeblich spontan bei einem anderen Klub zu. Was wieder um Ismaik nutzt, um seinen Gegenspieler Schneider dafür verantwortlich zu machen. Dessen Chancen auf Wiederwahl könnten durch Ismaiks Trick gesunken sein. Ich habe zwei Texte dazu verfasst, hier und hier. Die SZ ist naturgemäß näher dran und aktueller.
Aufreger der Woche war Lance Armstrong und sein kalkuliertes „Geständnis“. Die Reaktionen in den Zeitungen auf seine „Soap Oprah“ waren einhellig kritisch und enttäuscht. Nur das zugegeben, was er musste, und stellenweise nicht mal. Wer ihn all die Jahre unterstützt hat, seien es Ärzte oder Funktionäre, hat er verschwiegen. Es darf jedoch nicht sein, dass die Mit-Verantwortlichen der UCI, Hein Verbruggen und Pat McQuaid, ungeschoren davonkommen. Doch dessen ungeachtet – dass Lance Armstrong im Fernsehen bejaht, jahrelang gedopt zu haben, ist ein sporthistorischer Moment. Das war doch zuvor in all den Jahren undenkbar. Bedenklich: Ich hab kürzlich mit einem Sportler gesprochen (kein Radfahrer), der Armstrong noch immer für „eine Koryphäe“ hält. Man müsse den Fall differenziert bewerten. Das finde ich nicht. Armstrong hat nicht nur betrogen, gelogen und gedopt, sondern Konkurrenten und Gegner gedemütigt und geschädigt.
Bitter ergeht es den Aachen Ultras (ACU), sie haben sich vor einer Woche aufgelöst. Die ACU waren eine Fan-Gruppe, die sich gegen Rassismus, Homophobie und Nazis positioniert hat. Und weil es von denen eine Menge in Aachen und bei der Alemannia gibt, haben sie ein Problem bekommen. Über mehr als ein Jahr lang sind Mitglieder der ACU immer wieder bedroht und angegriffen worden, ab sofort wollen sie dem Stadion fernbleiben. Der FAZ haben zwei ACU-Mitglieder anonym ein Interview gegeben. Ich hatte zu dem Thema auch zuvor recherchiert (hier etwas Grundsätzlicher, hier spezieller). Daher ärgerlich, dass ich nicht auf diese (eigentlich naheliegende) Idee gekommen bin. Ob DFB, DFL und die Vereine wissen, dass es in manchen Stadien einen Kampf Rechts gegen „Links“ gibt, in dem die Rollen Böse gegen Gut ziemlich klar verteilt scheinen?
Am Montag auf Zeit Online: mein Gespräch mit Gerald Asamoah über seine Erfahrungen mit Rassismus, die er in einem Buch verarbeitet hat.
Ich werde einen Text-Newsletter einrichten (ähnlich dem des indirekten freistosses), darin wird das gleiche stehen wie hier im Blog. Wer also von mir per Mail auf dem Laufenden gehalten werden will, der trage sich demnächst bitte ein. Das ist vielleicht ungewöhnlich, dass ein einzelner Journalist einen Newsletter unterhält. Aber einen Versuch ist es wert. Wer mag, folge mir zudem auf Twitter. Und, wen’s interessiert: Ich werde im Februar von Hamburg nach Berlin ziehen, dort ist der Großteil der Redaktion von Zeit Online.
Kommentare
8 Kommentare zu “Neue Rubrik: Armin Veh wird seine Kritiker von der FR vermissen”
Montag, 21. Januar 2013 um 11:30
[…] Fritsch geht beim Indirekten Freistoß nochmal genauer auf dieses Gespräch mit Armin Veh […]
Montag, 21. Januar 2013 um 18:09
Gerald Asamoah: „Nicht alle Rassisten werfen mit Bananen“
http://www.zeit.de/sport/2013-01/gerald-asamoah-rassismus-ballack
Mittwoch, 23. Januar 2013 um 01:55
hurra, der pep guardiola des indirekten freistoss‘ ist zurück! mit dem neuen konzeptschreiber wird der idf zu altem glanz zurückkehren… mit dem fernglas wird die konkurrenz den blog beobachten müssen. aber obacht, auch ein oliver fritsch wird in der zukunft nur an einem gemessen werden: an titeln!
Mittwoch, 23. Januar 2013 um 12:37
Es wird dem eingeschlafenen if auf jeden Fall gut tun, wenn Sie wieder aktiver werden, Herr Fritsch.
Mittwoch, 23. Januar 2013 um 12:38
Und eine Frage: Warum wurde der Kommentar von Veh zur FR auf Zeit.online gestrichen?
Mittwoch, 23. Januar 2013 um 13:23
Danke für die Blumen. Ein guter Blogger braucht keine Titel.
Zur Frage nach dem FR-Zitat: Das hat keinen besonderen Grund. Bloß eine übliche Kürzung im Sinne der Ökonomie der Aufmerksamkeit.
Donnerstag, 24. Januar 2013 um 11:03
Die Frankfurter Rundschau „sei kritisch“ mit der Eintracht hat Veh tatsächlich gesagt!? Selten so gelacht! Aber dass er sie lobt wundert mich nicht.
Ich mag die FR trotz allem noch und hoffe, dass es eine Lösung gibt. Aber im Fußball ist sie parteiisch, ja fast unertäglich und zum persönlichen Pressesprecher von Heribert Bruchhagen und der Eintracht geworden.
Trotz desolater Finanzen beschäftigt sie drei (in Zahlen: 3) Eintracht-Hofberichterstatter (Durstewitz, Kilchenstein, Leppert), die ständig versuchen Stimmung für die Eintracht und Bruchhagen zu machen bzw. den Eintrachtfans in den Allerwertesten zu kriechen. Sie steht dem Boulevard da in gar nichts mehr nach, vielleicht symbolisch im Extrem für den Gesamtzustand der FR und ihren Niedergang…
P.S.: Um die drei Eintracht-Hofberichterstatter mache ich mir wirklich keine Sorgen, denn die könnten sofort nahtlos in der Eintracht-Presseabteilung anfangen, wenn die FR in die Insolvenz geht. Veh als Fürsprecher haben sie ja offenkundig schon…
Donnerstag, 24. Januar 2013 um 16:31
@ OFC-Fan: Und was bitte sollte irgendeine Zeitung noch Positives über den OFC berichten?!?