Deutsche Elf
Den Fluch besiegt
| Freitag, 8. Februar 2013Die Mannschaft von Joachim Löw gewinnt gegen Frankreich und beendet eine 25 Jahre alte Negativserie
Thomas Hummel (SZ) weiß, warum den Franzosen nur ein Treffer nach einer Standardsituation gelang: „Weil die Innenverteidiger ihren Notdienst ganz hinten zumeist hervorragend verrichteten, weil Linksverteidiger Benedikt Höwedes seine Qualitäten in der Defensive einbrachte, weil Torwart René Adler zweimal stark parierte – und den Franzosen bei zwei, drei Szenen ein wenig das Glück fehlte. Mit dem Sieg können die Deutschen nun darauf verweisen, dass sie die Lektion aus dem vermasselten Schweden-Spiel gelernt haben. Es war eine Genugtuung auch in Richtung all der Kritiker.“
Starke Konkurrenz für Schweinsteiger
Oliver Fritsch (Zeit Online) überbringt Bastian Schweinsteiger schlechte Nachrichten: „Der Münchener dürfte durch den Dortmunder starke Konkurrenz bekommen. Gündogan hat in der Nationalelf noch keine Spuren hinterlassen, während der EM saß er immer auf der Bank. Das Spiel in Frankreich ist erst sein fünftes, doch es ist so bemerkenswert, dass man sich bei den nächsten Aufgaben und auch im nächsten Jahr, wenn die WM in Brasilien stattfindet, daran erinnern dürfte.“
Matti Lieske (FR) sieht das ähnlich: „Für den Bundestrainer geht es, bevor die WM-Qualifikation im kommenden Herbst in ihre entscheidende Phase tritt, vor allem um zwei Dinge: die Akzeptanz in der Öffentlichkeit zurückzugewinnen und die Mannschaft zu stabilisieren. Was bedeutet: 90 Minuten Ordnung − plus Nachspielzeit, versteht sich. Aus Paris durfte er die Erkenntnis mitnehmen, dass er sich dabei vor allem auf drei Leute, die im Stade de France mitwirkten, verlassen kann: Mesut Özil, Thomas Müller und Ilkay Gündogan. Letzterer spielte im defensiven Mittelfeld neben Sami Khedira eine so abgeklärte wie wirkungsvolle Partie, dass, wenn der Bundestrainer nicht in Nibelungentreue zu seinen Weggefährten der ersten Stunde halten würde, wohl sogar Bastian Schweinsteiger um seinen Stammplatz fürchten müsste.“
Die Art und Weise machte Mut und schuf Vertrauen
Christian Kamp (FAZ) freut sich besonders für Joachim Löw: „Ein ordentlicher Auftritt mit einem Unentschieden hätte längst nicht dieselbe Wirkung über den Tag hinaus entfaltet. Es drohte vielmehr eine Verlängerung dieses hypersensiblen und unangenehmen Zustands, den er und seine Mannschaft mit dem 4:4 gegen Schweden heraufbeschworen hatten. Ein Klima, in dem alles, was rund um die Nationalmannschaft passiert, mit einer mehr oder minder großen Portion Skepsis begleitet wird. Die Frankreich-Reise durfte deshalb auf gar keinen Fall schiefgehen. Und die Art und Weise, wie die Mannschaft sich der Aufgabe annahm – auch ohne einige der arrivierten Kräfte –, machte Mut und schuf Vertrauen. Auch in Löw.“
Peter Ahrens und Rafael Buschmann (Spiegel Online) spenden reichlich Applaus: „Es war für die deutsche Fußballnationalmannschaft vor allem ein Anknüpfen an die Leistungen vor der Europameisterschaft im vergangenen Sommer. Es war die Rückkehr der selbstbewussten, von sich überzeugten Nationalmannschaft, wie man sie bis zum Halbfinal-Aus gegen die Italiener kannte. Danach brach die Zeit der großen Unsicherheit an, die ihren Höhepunkt in der katastrophalen Schlussviertelstunde im WM-Qualifikationsspiel gegen Schweden erreichte. Jetzt scheint die Schwächephase beendet zu sein.“
Rod Ackermann (NZZ) beschäftigt sich mit dem Auftritt der Franzosen: „Auf der Positivseite zu vermerken ist indes, dass sich unter der Leitung von Deschamps die aufgewühlte Stimmung im Team beruhigt hat. Potenzielle Störenfriede wie die wegen Disziplinlosigkeiten bestraften Ben Arfa, M‘Vila oder Nasri werden nicht mehr berücksichtigt; anderseits scheinen die lange umstrittenen Franck Ribéry und Patrice Evra am Spiel im Trikot der Nationalmannschaft ihre Freude sichtlich wiedergewonnen zu haben.“
Offensiv-naive Spielweise
Michael Rosentritt (Tagesspiegel) tritt auf die Euphoriebremse: „Bisweilen erinnerten die Tempogegenstöße der deutschen Elf an den überschwänglichen Fußball, mit dem sie in der K.-o.-Runde bei der WM 2010 erst England und dann Argentinien vom Feld gefegt hatte. Doch vergessen sollte man nicht, dass die Franzosen mit ihrer bisweilen offensiv-naiven Spielweise solche Tempogegenstöße auch ermöglichten. Bei einem großen Turnier wird vermutlich keine Mannschaft derart selbstzerstörerisch drauflosrennen, wie es die Franzosen in diesem Testspiel taten.“
Kommentare
1 Kommentar zu “Den Fluch besiegt”
Donnerstag, 14. Februar 2013 um 08:41
Fluch, ja? Die Überschrift ist zweifellos der Freistuß des Tages, aber es gibt ja Mittel und Wege der Genesung und Heilung, ich paste mal:
http://www.trainer-baade.de/wie-man-einen-fluch-besiegt/
25 Jahre – 6 Spiele – 1 Fluch? Srsly?