Deutsche Elf
Nationalelf – Tiki-Taka vor Augen
| Montag, 25. März 2013Nach dem ungefährdeten Sieg gegen Kasachstan beschäftigt sich die Presse mit der vermeintlich neuen deutschen Spiel-Philosophie. Außerdem: die Rückkehr von Michael Ballack
Peter Hess (FAZ) wundert sich nicht: „Jeder Trainer hat die Pflicht, für die Spieler, die er zur Verfügung hat, das beste System zu finden. Da erscheint es nur logisch, dass sich Löw für die Formation am meisten interessiert, die es ihm erlaubt, möglichst viele seiner talentiertesten Spieler unterzubringen. Und die drängeln sich nun mal im offensiven Mittelfeld. Mit Özil, Götze, Reus, Müller, Kroos und neuerdings noch Draxler hat Löw ein Überangebot an Kombinationskünstlern und Ballstaffettenstrategen. Dass die defensiver orientierten Schweinsteiger, Khedira und Gündogan zudem noch jederzeit in der Lage sind, sich inspiriert und konstruktiv an den Spielzügen zu beteiligen, muss für Löw den Schluss nahe gelegt haben: Wieso die Spanier eigentlich nicht mit den eigenen Waffen schlagen?“
Alternativloser deutscher Normalzustand
Auch Frank Lamers (derwesten.de) versteht die ganze Aufregung nicht: „Ob der Bundestrainer auf Müller, Götze, Özil oder Reus setzt, ist nicht von Gewicht für die Ausrichtung des Spiels. Von Gewicht ist lediglich die Entscheidung zwischen einem Vollstrecker mit Durchsetzungsvermögen, der nach Flanken oder Standards den ganzen Wuchtkörper inklusive Kopf einsetzen kann, und einem Flachspieler aus der langen Reihe der begnadeten Kombinierer. Würde es Gomez (und den bald 35-jährigen Miroslav Klose) nicht geben, wäre allerdings das, was aktuell im Debattierklub noch als revolutionäre Barcelona-Stil-Adaption verhandelt wird, bereits alternativloser deutscher Normalzustand.“
Benjamin Knaack (Spiegel Online) hält den Ball flach: „Was diese Variante tatsächlich zu leisten vermag, wird sich erst in Zukunft zeigen. In Testspielen gegen die Niederlande oder Frankreich oder Pflichtspielen gegen so schwache Gegner wie Kasachstan sind die Erkenntnisse nur von begrenztem Wert. Der Härtetest steht noch aus, vielleicht kommt er erst bei der WM 2014 in Brasilien.“
Schweinsteiger verkörpert das Zentrum des Spiels
Thomas Hummel (SZ) lobt den Auftritt von Bastian Schweinsteiger: „Der Vize-Kapitän vom FC Bayern München zeigte auf dem Kunstrasen in Astana eine auffallend emsige Partie. Wenn Schweinsteiger auf dem Platz steht, verkörpert er das Zentrum des Spiels. Ganz wie beim FC Bayern ließ er sich von den Innenverteidigern den Ball zupassen, um die Spielzüge einzuleiten. Er versuchte, im Mittelfeld der Helfer in allen Lagen zu sein und bei Gelegenheit sprintete er nach vorne in den Raum des Mittelstürmers, der bisweilen freiblieb.“
Wieso reist die Mannschaft überhaupt an?
Nach dem Spiel sorgt eine Aussage von Oliver Bierhoff für reichlich Aufregung. Der Titelgewinn in Brasilien sei „ein Ding der Unmöglichkeit“, so der Manager. Lars Wallrodt (Welt Online) schlägt fassungslos die Hände über den Kopf zusammen: „Natürlich war der Satz eingebettet in eine Erklärung. Tatsächlich ist es einer europäischen Mannschaft noch nie gelungen, eines der sieben Turniere, die in Nord- oder Südamerika stattgefunden haben, zu gewinnen. Und doch steht Bierhoffs Aussage im Raum und wirft fatale Fragen auf. Wenn der Gewinn des WM-Titels ein Ding der Unmöglichkeit ist, wieso reist die Mannschaft dann überhaupt an? Warum muss Bierhoff in den kommenden Monaten Tausende von Flugkilometer abreißen, um ein passendes Quartier zu finden? Und: Warum müssen wir Zuschauer unsere Augen mit Spielen wie das gegen Kasachstan quälen, wenn die Qualifikation für die WM sowieso sinnlos ist?“
Wohltuend sachlich und locker
Michael Ballack präsentierte sich beim ZDF als TV-Experte. Florian Hagemann (hna.de) zeigt beide Daumen nach oben: „Michael Ballack machte an der Seite von Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein einen richtig guten Job: Er war wohltuend sachlich und doch recht locker, er ging fair mit Bundestrainer Joachim Löw um, der ihn einst aussortiert hatte. Am Ende redeten beide gar miteinander und hinterließen den Eindruck, sie könnten beste Freunde werden. Auf alle Fälle sagte Löw zu, zu Ballacks Abschiedsspiel zu kommen. Wäre das auch geklärt.“
Auch Joachim Huber (Tagesspiegel) klatscht Beifall: „Ballack hatte was zu sagen, und was er sagte, das war bestimmt mehr, als Kahn zu sagen gehabt hätte. Michael Ballack sieht genauer hin, er kann das Spiel lesen, wahrscheinlich hilft ihm seine frühere Regisseur-Rolle deutlich mehr als Kahn die Torwart-Perspektive. Kahn ist kritischer und damit selbstsicherer, was wiederum gut zu seiner Persönlichkeit als Bärbeiß passt.“
Kommentare
5 Kommentare zu “Nationalelf – Tiki-Taka vor Augen”
Montag, 25. März 2013 um 11:31
[…] Qualifikationsspiel gegen Kasachsten als “Aufbruch ins Tiki-Taka-Land”. Kai Butterweck (Indirekter Freistoss) fasst die Diskussionen rund um die Nationalmannschaft […]
Montag, 25. März 2013 um 23:31
Mit Löw wird diese Mannschaft keinen Titel gewinnen. Löw konnte nicht einmal auf Schweden reagieren, als diese aus einem 4:0-Rückstand zurück kamen. Von Italien bei der EM brauchen wir gar nicht anfangen, und wie schlecht die sind konnte man dann im Finale betrachten.
Irgendwann werden das auch die Joubelisten bei ARD und ZDF ausprechen wagen.
Mittwoch, 27. März 2013 um 15:06
@mustard: Wie schlecht Italien war, konnte man Deiner Meinung nach zum Beispiel auch beim 1:1 im ersten EM-Spiel gegen Spanien beobachten, was?
#großersachverstand
Donnerstag, 28. März 2013 um 09:07
Vielleicht war Italien gar nicht so schlecht, das daraus das deutliichste Finalergebnis seit Jahrzehnten folgt. Sie haben sich wohl nur zurückgehalten um Spanien den schönen Moment zu gönnen.
Vielleicht war aber auch das Erstrundenspiel deutlich weniger als das Finale und Spaniens Turnierbeginn ein wenig holprig. Als es dann drauf ankam war Italien dann trotzdem chancenlos.
Donnerstag, 28. März 2013 um 12:37
Herr Wallrodt (Welt Online), Ihr Beitrag war leider etwas deplatziert! Mit ähnlichen Sätzen
werden unsere Sportanhänger und speziell die Fußballfans nur animiert, möglichst aufzubrausen.
Allerdings habe auch ich schon seit längerer Zeit das Gefühl, dass der Kreis der Befürworter für die aktuelle namentliche Besetzung des Managerpostens immer kleiner wird, obwohl dieser genügend Verdienste aufzuweisen hat. Ob seine Aussage in dieser Form so gegeben wurde, sei dahingestellt. Wenn man nämlich diesen angefangenen Satz weiter ausführt, der da hieß…., „aber wir werden es trotzdem versuchen“, sieht die Angelegenheit dann ganz anders aus! Etwas mehr Sachlichkeit
wäre demnach angebracht!
Wenn auf unsere Ergebnisse der letzten großen Turniere in der Vergangenheit zurückgeschaut wird, wäre es doch längst angebracht, sich von den früheren überheblichen Vorgaben im Vorfeld solcher Ereignisse zu lösen, wo man schon da bereits Welt- oder Europameister geworden ist, dann aber in den Turnieren selbst vorzeitig diese Wünsche begraben musste. Eines von vielen Beispielen war die WM der Damen im eigenen Land 2011. Da wollte man „nie wieder Dritter werden…..“, und es wurde auch geschafft, doch etwas anders. Ich vergesse nie den Spießrutenlauf, als die geknickten und zum Teil weinenden Spielerinnen sich bei den enttäuschten Zuschauern mit einem langen Transparent nach ihrem vorzeitigen Ausscheiden bedankten. Damit war auch die Teilnahme an den Olympischen Spielen in London erledigt!
Manchmal könnte weniger im Vorfeld zum Schluss etwas mehr sein, so, wie es Bierhoff bestimmt gemeint hat!