Bundesliga
HSV – sportlicher Offenbarungseid
| Dienstag, 2. April 2013Der Hamburger SV erlebt in München eine der schwärzesten Stunden der Vereinsgeschichte. Die Presse ist geschockt
Thomas Berthold (sport1.de)hält Rafael van der Vaart den Spiegel vors Gesicht: „In der Zentrale der Viererkette haben die Hamburger Probleme, schon vor dem Bayern-Spiel kassierten sie relativ viele Gegentore. Dazu kommt, dass im Mittelfeld außer Rafael van der Vaart niemand Impulse setzt. Die starken Stürmer Son und Rudnevs werden so zu selten bedient. Und wenn man ehrlich ist: auch bei van der Vaart langt es auf dem absoluten Top-Niveau gegen eine Weltklasse-Mannschaft wie Bayern München nicht mehr. Auch deshalb ist er nach Hamburg zurückgekehrt, weil er wusste: in England hat er keine Chance mehr.“
Bratwurst, Bier und ein Smalltalk als Entschädigung. Oha!
Lars Gartenschläger (Welt Online) fordert Schmerzensgeld: „Bratwurst, Bier und ein Smalltalk als Entschädigung. Oha! Immerhin haben die Grillmeister des HSV erkannt, dass sie nach der Pleite von München nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen können. Wenigstens etwas. Aber was halten die Spieler denn davon, wenn sie den Anhängern, die in München waren, auch noch einen Teil der Unkosten erstatten – zumindest für die Eintrittskarten? Kinobetreiber zahlen für einen schlechten Film zwar auch kein Geld an die Besucher zurück. Aber in der Geschichte der Bundesliga hat es schon Mannschaften gegeben, die nach einem schlechten Auswärtsspiel die nächste Auswärtsfahrt für ihre Fans komplett bezahlt haben.“
Olivia Fritz (dw.de) hat gute Nachrichten für Juventus Turin: „Immerhin gab es auch Positives zu vermelden: Der HSV hat es geschafft, zwei Tore gegen Bayern zu erzielen und dabei die Schwäche des Rekordmeisters nach gegnerischen Ecken offenzulegen. Juventus Turin wird sich dafür bedanken. Auch das Statement von HSV-Kapitän Heiko Westermann lässt hoffen: Er schäme sich, das HSV-Trikot getragen zu haben, offenbarte er. Scham ist eine zutiefst menschliche Emotion. Psychologen halten sie für notwendig, um in Gruppen zusammenzuleben und Menschen zusammenzuhalten. Hoffentlich schämt sich der ganze Verein! Der HSV hat eine mehr als deutliche Lehrstunde bekommen. Nun sollte er daraus auch die richtigen Schlüsse ziehen.“
Den Imageschaden wird man mit ein paar Würstchen und Bier nicht aus den Köpfen bekommen
Daniel Jovanov (goal.com) ist der Appetit auf Bratwürstchen vergangen: „Wenn die Anhänger in 20 Jahren auf diese Zeit zurückblicken, werden viele negative Erinnerungen in Verbindung mit Namen wie Westermann, Bruma, Diekmeier oder Aogo hängen geblieben sein. Hohn und Spott statt erfolgreichen Fußball – das haben die Fans des HSV nicht verdient. Wem 10.000 nach München folgen, sollte sich zumindest mit Anstand und Würde aus der Affäre ziehen. Doch stattdessen offenbarte sich ein Bild vom gegenseitigen Anbrüllen und Lamentieren, selten wurde eine Mannschaft derart gedemütigt. Mit der nun angekündigten Grillparty nach dem Spiel gegen Düsseldorf tut man sich keinen Gefallen. Den Imageschaden, den diese Niederlage verursacht, wird man mit ein paar Würstchen und Bier nicht aus den Köpfen bekommen. Jetzt helfen nur noch Antworten auf dem Platz.“
Tim Schulze (stern.de) blickt sorgenvoll in Richtung Hamburger Trainerbank: „Die Erwartungen im Umfeld und unter den Fans sind hoch – und gehen oft an der Realität vorbei. Nach Erfolgen wie gegen Dortmund hält man sich schnell reif für die Champions-League. In dieser Stimmungshochphase übersieht man die eigenen Defizite und schlägt nach Niederlagen wie gegen Augsburg knallhart auf dem harten Boden der Bundesliga-Wirklichtkeit auf. Fink hat es bislang nicht geschafft, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Der Trainer muss jetzt psychologische Aufbauarbeit leisten. Und er muss sich rechtfertigen. Es wird kritische Fragen nach seiner Arbeit geben. Warum hat – wieder einmal – die Einstellung seiner Spieler nicht gestimmt? Wieso schafft Fink es nicht, die Mannschaft zu stabilisieren?“
Claudio Pizarro übertrumpft die interne Konkurrenz deutlich
In München herrscht hingegen Festtagsstimmung. Andreas Burkert (SZ) rollt dem Matchwinner Claudio Pizarro den roten Teppich aus: „Vier Tore – seine ersten in der Liga in der laufenden Saison – sind es geworden für den 34-Jährigen, der in der Stürmer-Hierarchie von Trainer Jupp Heynckes die Nummer drei ist hinter Mario Mandzukic und Gomez. Mit seinem Spielverständnis, seiner Technik und der Fähigkeit, in der vordere Linie den Ball zu behaupten, übertrumpft er die interne Konkurrenz allerdings deutlich.“
Auch Oliver Fritsch (Zeit Online) gerät ins Schwärmen: „Manche Ersatzstürmer werden zu Egoisten, wenn sie endlich zum Einsatz kommen. Nicht so Pizarro. Gerne zeigte er sich in der eigenen Hälfte, spielte fast immer direkt weiter und harmonierte mit seinen Nebenleuten, vor allem Robben, als wäre das eine Allwöchentlichkeit. In einer Szene in der zweiten Halbzeit ließ Pizarro am rechten Flügel im Mittelfeld zwei Gegner ins Leere laufen und leitete den Angriff ein. Deutlich war ein Lachen auf seinem Gesicht zu sehen, nicht das einzige Mal.“
Benjamin Knaack (Spiegel Online) adelt die komplette Reserve des Rekordmeisters: „Es ist kein Geheimnis, dass Bayerns große Stärke in dieser Saison die starke Bank ist, gegen den HSV war dies einmal mehr exemplarisch zu sehen: ein aufgedrehter Arjen Robben, ein starker Xherdan Shaqiri – und dazu der überragende Pizarro. Alle drei müssen in dieser Saison meist auf der Bank Platz nehmen, wenn die Spiele angepfiffen werden.“
Kommentare
2 Kommentare zu “HSV – sportlicher Offenbarungseid”
Dienstag, 2. April 2013 um 09:50
[…] Butterweck (Indirekter Freistoss) fasst die Reaktionen auf den “sportlichen Offenbarungseid” des HSV in München […]
Dienstag, 2. April 2013 um 11:03
Aus meiner Sicht ist die ganze bisherige Saison des Hamburger SV ein einziger sportlicher Offenbarungseid. Wie die zu bisher 38 Punkten gekommen sind, das dürfte so ziemlich allen dort ein Rätsel sein. Der Trainer ist ein Bauer im Herzen (so, wie der Phrasen drischt, muß ja^^) und welchen Beruf der da die ganze Zeit aktiv schwänzt, das wüßt ich gern, Fußballtrainer eines Bundesligisten kann es ja nicht sein, oder?
Woanders las ich, der Vorstandsvorsitzendendarsteller habe behauptet, man könne ja nicht die ganze Mannschaft entlassen. Dem möchte ich widersprechen. 38 Punkte sollten bei der jetzigen Konstellation langen, um mal wieder nicht abzusteigen und es wäre reichlich Zeit, sich neues Personal zu suchen. Bei 15 Köpfen in Vorstand und Aufsichtsrat könnte/n bei der Gelegenheit auch mal einige/s ins Rollen kommen.
Statt Würstchen.