Bundesliga
Thomas Schaaf – Das Ende einer Ära
| Donnerstag, 16. Mai 2013Werder Bremen trennt sich von Thomas Schaaf. Die Presse beschäftigt sich mit dem Abschied des dienstältesten Trainers der Bundesliga
Ralf Wiegand (SZ) zeigt Verständnis: „Inhaltlich ist diese Trennung richtig. Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass er doch wieder eine Mannschaft gebaut hätte, die diesen wunderbar anarchischen Spielstil pflegt, für den Schaaf bei Werder Bremen das Copyright hat. Hinten drei kriegen, vorne fünf schießen: Fußball unter Schaaf war wie Rodeoreiten, ohne Sattel natürlich. Aber zuletzt waren diese Zeiten nur noch eine Erinnerung. Schaafs Sperrigkeit hat sich in immer kantigeren und leblosen Worthülsenungetümen ausgedrückt, er hat sich zudem eine aufgesetzten Distanziertheit zum Unterhaltungsbetrieb angewöhnt, der Fußball nun mal auch ist. Ganz Werder wirkte zuletzt so schlecht gelaunt wie sein Trainer.“
Der „Herr der Dinge“
Sven Bremer (Zeit Online) beschäftigt sich mit dem Anfang vom Ende: „Schaaf alterte in den wenigen Monaten des Abstiegskampfs der Saison 2010/11 um Jahre. Er wurde dünnhäutiger, noch wortkarger als eh schon. Und wenn er sprach, dann sagte er eigentlich immer dasselbe. Weil er so oft davon sprach, die „Dinge“ zu verändern oder die „Dinge“ zu verbessern, nannte man ihn bald spöttisch den „Herrn der Dinge“. Die Mannschaft macht die „Dinge“ schon seit Jahren nicht mehr gut. Verantwortlich war zum Großteil der Trainer, der zwar nach wie vor akribisch arbeitete, aber seinem Team keine neuen Impulse mehr geben konnte. Bei schwer erziehbaren Profis wie Marko Arnautović und Eljero Elia schien er auch als Pädagoge überfordert. Und in taktischer Hinsicht hatte er höchst selten Überraschendes zu bieten.“
Johannes Nedo (Stuttgarter Zeitung) zerstört Luftschlösser: „Schaafs Ende in Bremen sollte auch dem letzten Nostalgiker verdeutlichen: Es geht primär um Erfolge – und erst sehr viel später um Vereinstreue. Es ist ein Wunder, dass er es schaffte, sich so lange in dieser exponierten Position zu behaupten. Einer Position, die so sehr von Emotionen und Ergebnissen abhängt wie keine andere im hektischen und meist irrationalen Fußballgeschäft. In der täglichen Arbeit stehen die Trainer permanent unter Stress. Ständig sind sie den Interessenkonflikten von Spielern, Beratern, Fans, Clubverantwortlichen und Medien ausgeliefert. Da ist es völlig normal, dass sie sich als Fußballlehrer nach einer gewissen Zeit abnutzen. Traurig ist es trotzdem.“
Sportlich und finanziell abgehängt
Christian Kamp (FAZ) verteilt die Schuld auf mehrere Schultern: „Fast auf den Tag genau 14 Jahre nach Schaafs Beförderung vom Amateur- zum Cheftrainer steht Werder wieder genau so da wie damals: sportlich und finanziell abgehängt. Das kann man einen Abstieg nennen. Soll nur keiner auf den Gedanken kommen, er sei Schaaf alleine anzulasten.“
Frank Hellmann (derwesten.de) berichtet von tauben Ohren: „In den vergangenen drei Jahren wirkten alle in Bremen irgendwie hilflos, dass plötzlich Perlentaucher aus Freiburg und Mainz, zuletzt sogar aus Nürnberg oder Frankfurt die besseren Perspektivspieler aufspürten. Mit Klaus Allofs ging Schaafs vertrauter Weggefährte im November 2012. Und letztendlich vermochte er nicht genug Mitstreiter mitzunehmen. Intern wird von einer Beratungsresistenz in Krisenzeiten berichtet.“
Ralf Lorenzen (taz) verneigt sich vor dem Menschen Thomas Schaaf: „Für Thomas Schaaf gibt es kaum einen besseren Zeitpunkt als diesen für eine Neuorientierung. Zu seinem Meistertitel, seinen drei Pokalsiegen und sechs Champions-League-Teilnahmen kam in den letzten Wochen noch ein ganz besonderer Triumph hinzu: Er wurde trotz akuter Abstiegsgefahr von den Fans nicht ausgepfiffen, sondern bejubelt. Der Jubel war Ausdruck des großen Respekts, den der gebürtige Mannheimer, der seit 1972 Werder-Mitglied ist, als Mensch an der Weser genießt. Möglicherweise waren es gerade diese Integrität und das Verantwortungsgefühl für Fans, Verein und Mitarbeiter, die ihn so lange zögern ließen, von sich aus das Weite zu suchen – wie Klaus Allofs, der ihn im Februar mit einem unausgewogenen Kader und einer Menge Baustellen sitzen ließ.“
Es gibt jetzt keine Ausreden mehr
Stefan Rommel (spox.com) krempelt die Ärmel hoch: „Die Bundesliga verliert einen Typen, Bremen seine Gallionsfigur. Im Hintergrund hat der Klub aber ein paar wichtige Weichen schon gestellt – andere, wie die einer möglichen Neugliederung des Aufsichtsrats, sollten noch dazu kommen. Jetzt ist nach den Zweifeln der letzten Monate die Chance auf ein wenig Ruhe, besonders aber auf einen glasklaren Schnitt da. Werder hat zuletzt schon genug Zeit damit verbracht, die gute Ausgangslage zu verspielen und sich in eine Sackgasse zu manövrieren. Die Arbeit aller Beteiligten wird ab sofort in anderen Maßstäben gemessen werden. Es gibt jetzt auch für niemanden mehr eine Ausrede.“
Susanne Fetter (noz.de) blickt sorgenvoll in die Zukunft: „Tief in die Taschen greifen kann Werder beim Neuaufbau nicht. Das Geld fehlt. Der teure Kader verschlang in den letzten Jahren mehr als er einspielte. Werder hat nur eine Chance: Zurück zum Anfang. Aus jungen Spielern wieder gestandene Profis formen. Das Problem: Auch andere Klubs haben das längst erkannt und sich darauf spezialisiert. Wer nach einer guten Ausbildung in ruhigem Umfeld sucht, der geht nicht mehr zwingend an die Weser.“
Kommentare
7 Kommentare zu “Thomas Schaaf – Das Ende einer Ära”
Donnerstag, 16. Mai 2013 um 11:12
Es heißt ‚Galionsfigur‘, Herr Rommel, falls sie hier mitlesen.
Ansonsten bin auch ich sehr skeptisch, was Werder Bremen in der nächsten Saison zu leisten vermag, aber da mir der Verein ziemlich egal ist, tippe ich mal auf Bremen als Absteiger nächste Saison. Wenn möglich, bitte den HSV gleich mitnehmen, danke.
Donnerstag, 16. Mai 2013 um 12:23
Eine inhaltsvolle taktische Bewertung der Saison (Nicht der dieser! Nicht nur taktisch!) hat auch Johan Petersen publiziert:
http://www.ballverlust.net/2013/05/15/warum-hat-werder-schaaf-entlassen/
Donnerstag, 16. Mai 2013 um 13:14
[…] der “Trainer der Anderen” (Hamburg ist grün und weiß). Alles weitere zum Abgang beim Indirekten Freistoss […]
Donnerstag, 16. Mai 2013 um 15:19
Wenn Herr Wiegand (SZ) weiterhin solche Artikel schreibt, könnte er bei einer der nächsten Redaktionssitzungen auch bald so ein Gesicht haben….
Dieser sich schon längst in Bremen abzeichnende sportliche Niedergang wird von mehreren Schultern und Ursachen getragen. Hier geht es doch nur allein um das „Wie“ der Trennung! Dass sie notwendig und auch in Experten- und Fankreisen erwartet war, liegt doch auf der Hand.
Ch. Kamp (FAZ) hat da schon einen besseren Durchblick. Wohltuend ist auch, dass mit Frau Fetter (noz.de) eine Dame erkannt hat, wie man auch ohne größere Finanzreserven in der Clubkasse im Konzert der Besten zukünftig mitspielen könnte.
Wenn in ein paar Tagen L. Matthäus endlich seinen ersten Einsatz in der deutschen Bundesliga als Trainer bekommen sollte (oder wieder nicht…) hätte ich einen Vorschlag, wie es mit den Bremern mit Sicherheit zeitnah ganz schnell nach oben gehen würde:
Mit einem Engagement als Trainer-Assistent des Herrn J.Petersen von der Firma „Ballverlust“, der die Taktik und Theorie des Fußballsportes mit Sicherheit wie kein anderer studierter Experte zu beherrschen scheint!
Vor allem über den Zeitpunkt der „einvernehmlichen Trennung“ wurde schon genügend geschrieben. Diese war in dieser Form einfach unwürdig und zerstörte damit auch in Windeseile das langfristig aufgebaute Lebenswerk von Thomas Schaaf auf eine ungewöhnliche und anstandslose Art und Weise!
Die Herren des Bremer Aufsichtsrates (besonders W. Lemke) und Vorstandes sollten sich deshalb schämen!
Freitag, 17. Mai 2013 um 11:30
Schaaf ist aufgrund seiner zurückhaltenden, sachlichen Art ein Sympathieträger für seine Zunft. Einer, bei dem man das Gefühl hat, daß er sich nie in den Mittelpunkt stellen wollte.
Ich wünsche ihm baldmöglichst einen neuen, guten Verein.
Samstag, 18. Mai 2013 um 14:25
Unglaublich dass ein Trainer der über 10 Jahre lang Erfolg hatte und sich wie kein Zweiter mit dem Verein identifiziert hat, auf so eine miese Art und Weise geopfert wird. Demnächst wird man irgendeine Pfeife die 1-2 Jahre gute Ergebnisse vorzuweisen hat, als Messias vorstellen.
Und wie blind sind eigenlich Journalisten die den Unterschied zwischen 60 Mio und 35 Mio Spieleretat nicht erkennen.
Oder will man ihn nicht erkennen weil Schaaf nie die Schlagzeilen geliefert hat?
Traurig um Thomas Schaaf der zu anständig war um auf verkaufte Leistungsträger oder Verletzungen hinzuweisen. Hätte er sich nur vor den Etatkürzungen aus dem Staub gemacht, wie es andere Trainer längst praktizieren.
Wahrscheinlich hat er sich darauf verlassen, dass er in Bremen seriös beurteilt wird.
Er hat sich getäuscht!
Montag, 1. Juli 2013 um 10:54
Es heißt ‚Galionsfigur‘, Herr Rommel, falls sie hier mitlesen.
Ansonsten bin auch ich sehr skeptisch, was Werder Bremen in der nächsten Saison zu leisten vermag, aber da mir der Verein ziemlich egal ist, tippe ich mal auf Bremen als Absteiger nächste Saison. Wenn möglich, bitte den HSV gleich mitnehmen, danke.