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Bundesliga

Hertha BSC – Zwischen Lolita-Vorwürfen und Ostkurven-Ekstasen

Kai Butterweck | Montag, 26. August 2013 1 Kommentar

Sieben Punkte aus drei Spielen: Trotz des erfolgreichsten Saisonstarts der Vereinsgeschichte, liegen in Berlin die Nerven blank. Der Grund: die Lolita-Affäre. Außerdem: Entwicklungsschübe in Leverkusen, Frust in Stuttgart, breite Brüste in Dortmund, Systemsuche in München und Personal-Druck auf Schalke

In Berlin rückt der erfolgreichste Hertha-Bundesligastart in den Hintergrund. Schuld daran ist die sogenannte „Lolita-Affäre“. Hertha-Coach Jos Luhukay hält eine emotionale Brandrede. Klaus Wille (derwesten.de) klatscht Beifall: „Damit hat Luhukay viele Abgründe dieses Falls ausgelotet: den Überfluss, in dem junge Profis leben, denen mehr zufliegt, als einige von ihnen verkraften können. Den Preis, den sie umgekehrt für dieses Leben zu zahlen haben. Die geringer werdende Bereitschaft, aus Rücksicht gegenüber anderen auf den eigenen Vorteil zu verzichten. Die Fürsorge, die Vorbereitung aufs Leben, die Eltern ihren Kindern mitgeben – oder eben nicht. Schließlich: die Menschen hinter den Medien, die ihre Rolle ungerührt zu Ende spielen. Wie tröstlich, wenn dann ein Trainer kommt, der uns, bei aller Liebe zum Fußball, mehr zu sagen hat.“

Irgendwo dazwischen hing ein trauriger Schnurrbart

Boris Herrmann (SZ) fehlen die Worte: „Wenn man das Gesicht betiteln wollte, mit dem Jos Luhukay zur Pressekonferenz erschien, müsste man sagen: Ein Mann versteht die Welt nicht mehr. Luhukay, 50, der seit seinem Dienstantritt in Berlin im Sommer 2012 noch kein Spiel im Olympiastadion verloren hat, wirkte nicht wie ein Erfolgstrainer, sondern wie ein verzweifelter Vater. Die Augen leer und glasig, die Wangen zerfurcht. Irgendwo dazwischen hing ein trauriger Schnurrbart. Es kommt selten, sehr, sehr selten vor, dass der Fußballgeschäftsbetrieb so aus den Fugen gerät. Dass jemand die vorgestanzten Sprachmuster verlässt und einfach sagt, was er denkt. Jos Luhukay hat es getan. Und danach herrschte erst einmal andächtiges Schweigen.“

Michael Horeni (FAZ) kritisiert die Reaktion der Hertha-Führung: „Bei allen Abgründen, die in diesem Fall aufscheinen, würde es der Glaubwürdigkeit eines Vereins durchaus nutzen, wenn er selbst öffentlich deutlich machte, dass er ein bestimmtes Verhalten von seinen Profis in der Öffentlichkeit verlangt; dass es Grenzen gibt, die einzuhalten sind – und dass man als Verein aus eigenem Interesse an Aufklärung interessiert ist.“

Der Berliner Boulevard wirft mit Anschuldigungen, Vorwürfen und Vermutungen nur so um sich. Lars Wallrodt (Welt Online) hebt mahnend den Zeigefinger: „Erwachsene Männer, zum Teil verheiratet und Familienväter, tauschen munter Sexkontakte untereinander aus. Ein junges Mädchen wird als williges Wesen herumgereicht für das schnelle Vergnügen nach Trainingsschluss. Es ist grenzwertig: Zwar ist Sex grundsätzlich eine Sache von gegenseitigem Einverständnis, und sind beide Parteien mit dem Geschehen einverstanden, sollten sich andere nicht zur moralischen Instanz aufschwingen. Allerdings lässt die „Lolita-Affäre“ bei Hertha auch tief blicken. Sie wirft ein grelles Schlaglicht auf einen Zirkel, der sich zunehmend selbst sozialisiert. Und dabei oft zweifelhafte Werte entwickelt.“

Langsam, handlungsträge und unfit

Oliver Fritsch (Zeit Online) konzentriert sich in Berlin auf das Geschehen auf dem Platz. Der Auftritt eines Hamburger Führungsspielers bereit ihm große Sorgen: „Rafael van der Vaart ist langsam, handlungsträge, unfit, unfähig zu direktem Spiel. Er kann zwar den Ball beherrschen, aber fast keiner seiner Steilpässe und Flanken fand zuletzt einen Mitspieler. Ecken und Freistöße, einst seine Spezialität, kamen auch nicht. Van der Vaart war gegen Hertha zwar oft am Ball, lief viel. Doch das wirkte eher dienstschuldig. Es war nicht zu erkennen, warum so viele Zuschauer noch immer seinetwegen ins Stadion gehen, warum so viele dieser Zuschauer sein Trikot mit der Nummer 23 tragen. Stattdessen war zu sehen, wie Fußball für eines seiner einst talentiertesten Kinder von der Lust zur Pflicht geworden ist.“

Weiterentwicklung statt Umbau

Nach drei Spieltagen grüßt Bayer Leverkusen von der Tabellenspitze. Daniel Theweleit (Spiegel Online) kennt die Gründe dafür: „Anders als in München oder auf Schalke findet hier weniger ein Umbau statt als eine Weiterentwicklung. So hat beispielsweise Sam ein neues Reifestadium erreicht, und Heung-Min Son ist selbst an so einem weniger starken Nachmittag wie gegen Gladbach eine Bereicherung. Denn im Gegensatz zu seinem Vorgänger Schürrle ist er ein sehr konstruktiver Kombinationsspieler. Lars Bender hat sich zu einem Führungsspieler entwickelt, Stefan Reinartz agiert als zuverlässige strategische Zentrale, Innenverteidiger Ömer Toprak ist endlich stabil, und die Zugänge scheinen zu passen.“

Eine erschütternde Bilanz

Der VfB Stuttgart geht auch im dritten Ligaspiel als Verlierer vom Platz. Marko Schumacher (Stuttgarter Zeitung) schlägt die Hände vors Gesicht: „In der Bundesliga wartet der VfB nach drei Niederlagen noch auf den ersten Punkt und ist in der Tabelle Vorletzter; in der Europa League droht das Aus. Es ist eine erschütternde Bilanz, ein verheerender Start in eine Saison, in der alles besser werden sollte. Schließlich hat der VfB das Ziel ausgegeben, sich auf direktem Wege für den Europapokal zu qualifizieren. Die Fans haben den Daumen längst gesenkt – stürmische „Bruno raus“-Rufe waren schon während des Spiels zu hören und begleiteten den Trainer nach dem Schlusspfiff beim Gang in die Kabine. Man mag sich nicht ausmalen, was am Donnerstagabend passieren würde, sollte der VfB mit Labbadia aus der Europa League ausscheiden.“

Bereit für große Taten

In Dortmund freut man sich über einen perfekten Saisonstart. Felix Meininghaus (SZ) nickt anerkennend mit dem Kopf: „Der nationale Wettbewerb hat nicht einmal richtig begonnen, da dokumentiert der BVB bereits, dass er wieder für große Taten bereit ist. Der Sieg gegen Werder Bremen war der dritte Erfolg im dritten Bundesliga-Saisonspiel, aufgrund der Dortmunder Großchancen fiel er deutlich zu knapp aus. Es reicht aktuell, das Potenzial anzudeuten mit einem Kader, der mit dem Weggang von Mario Götze zwar einen herben Verlust zu verkraften hat, aber dafür hochkarätig aufgerüstet wurde. Spieltag drei ist ein früher Zeitpunkt, doch der BVB lässt bereits erahnen, dass es mit diesem Kader in allen drei Wettbewerben wieder weit gehen könnte.“

Guardiola will ein System, das seins ist

In München sucht Pep Guardiola noch nach einem eigenen System. Saskia Aleyte (SZ) zeigt Verständnis: „Dass Routinier Ribéry den ersten Auftritt von Mario Götze vollkommen überstrahlte, spiegelt die Situation der Bayern derzeit bestens wider. Was aus dem alten Heynckes-System noch vorhanden ist, funktioniert: Das Flügelspiel über die Außen Ribéry und Robben. Der Rest muss sich entwickeln. Guardiola befindet sich noch auf Forschungstour im Bayernkader. Sein Ziel: Ein System finden, das mindestens genauso erfolgreich ist wie das von Jupp Heynckes, aber anders aussieht als das von Jupp Heynckes. Guardiola will eins, das seins ist. Warum auch sonst sollte der FC Bayern den Katalanen verpflichtet haben? Um die Spielart des alten Trainers weiter führen zu lassen? Damit würde sich wohl keiner der Beteiligten beim FC Bayern wohl fühlen.“

Der Kader trägt jetzt seine Handschrift

Stefan Osterhaus (NZZ Online) erhöht derweil den Druck auf Schalke-Manager Horst Heldt: „Manager Horst Heldt wirbt um Zeit. Doch die Argumente werden spärlicher. In der letzten Saison konnte er sich noch hinter plausiblen Gründen verstecken. Sein Vorgänger Felix Magath hatte das Kader regelrecht aufgeblasen – und mit ebenso teuren wie zahlreichen Verpflichtungen den Handlungsspielraum der Schalker stark eingeschränkt. Nach Magath trat Heldt mehr als Verkäufer denn als Käufer auf dem Transfermarkt auf. Doch der Kader, der nun Mühe hat, sich zu behaupten, trägt jetzt seine Handschrift. Und mit der Entscheidung, Keller als Nachfolger von Huub Stevens als Cheftrainer zu installieren, hat er auch sein Schicksal mit dem des Trainers verknüpft.“

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1 Kommentar zu “Hertha BSC – Zwischen Lolita-Vorwürfen und Ostkurven-Ekstasen”

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    Dienstag, 27. August 2013 um 10:47

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