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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Am Grünen Tisch

Der tiefe Fall des Uli Hoeneß

Kai Butterweck | Freitag, 14. März 2014 5 Kommentare

Das Landgericht München verurteilt Uli Hoeneß zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Die Presse kommentiert

Kein Promi-Bonus, keine Barmherzigkeit, kein Entrinnen: Uli Hoeneß wird vom Landgericht München zu einer Freiheitstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Wolfgang Krach (SZ) klärt alle Erstaunten auf: „Hoeneß hätte vielleicht eine Chance gehabt, dem Gefängnis zu entkommen. Er hätte von Anfang an die Wahrheit erzählen müssen, die ganze Wahrheit, nicht nur Bruchstücke. Er hätte handeln müssen. Er hätte, wie Juristen sagen, „tätige Reue“ zeigen müssen. Er hätte sein Amt als Präsident des FC Bayern niederlegen, den Vorsitz des Aufsichtsrates der FC Bayern AG abgeben und sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen müssen. All das hat Hoeneß nicht getan.“

Der öffentliche Hoeneß war ein großes Trugbild

Anno Hecker (FAZ) fühlt sich getäuscht: „Hoeneß hat die Gesellschaft für einen langen Zeitraum wenigstens um rund 28,5 Millionen Euro geprellt. Dieser Schaden lässt sich früher oder später wieder gutmachen. Unwiderruflich verloren ist dagegen die Hoffnung, der prominenteste aller Präsidenten in einem knallharten Leistungssystem biete eine überzeugende Werte-Orientierung. Leider wissen wir das schon seit gut einem Jahr: Der öffentliche Hoeneß war ein großes Trugbild.“

Oliver Fritsch (Zeit Online) kämpft immer noch mit vielen Fragezeichen: „Man sah bei Hoeneß nie so genau hin. Man tut es noch immer nicht, selbst nach diesem Prozess, der schwindelerregende Summen ans Licht gebracht hat, und der Fragen aufdrängt: Wie kommt Hoeneß an so viele Millionen? War das Insider-Handel? Was wurde noch damit finanziert? Gibt es eine Verbindung zu Bayern München, wie lief der Deal mit Adidas? Dessen ehemaliger Chef lieh Hoeneß die Millionen zum Zocken, im Anschluss stieg Adidas bei den Bayern ein. Fragen nach Geld sind aber berechtigt in einer Zeit, in der sich auch der Fußball der Forderung nach Transparenz stellen muss. Wer viel hat, soll sich erklären. Wer schweigt, bietet Raum für Vermutungen, Unterstellungen und Verschwörungen.“

Wer behauptet, Hoeneß habe alles Notwendige offengelegt, macht sich lächerlich

Christian Rath (taz)platzt in die Runde der Urteilsgegner: „Wie groß der Unterschied zwischen Selbstanzeige und Wirklichkeit war, sieht man schon an der Abschlagszahlung von Hoeneß. Der Bayern-Präsident zahlte direkt nach der Selbstanzeige rund 10 Millionen Euro an Steuern nach. Tatsächlich hat er aber rund das Dreifache an Steuern hinterzogen. Wer hier behauptet, Hoeneß habe schon im letzten Jahr alles Notwendige offengelegt, macht sich lächerlich.“

Florian Güßgen (Stern) ist fassungslos: „Da ist, klar, die psychologische, die menschliche Komponente, ebenso abstoßend wie faszinierend. Ferndiagnosen verbieten sich. Aber die Tatsache, dass mit Hoeneß wieder einer, der alles hatte, wovon man nur träumen mag – Erfolg, Geld, Ruhm – seine Lebensleistung mit einer wahnsinnigen Zockerei in der Schweiz und mit schnöder Steuerhinterziehung aufs Spiel setzt, das ist nach wie vor unerklärlich. Dass er, als er dann entdeckt wird, weiter zockt, diesmal mit der Wahrheit, alles nur scheibchenweise zugibt, dass er meint, damit davonkommen zu können, das zeugt von einer für Normalmenschen unvorstellbaren Psyche. Und einer Tragödie.“

Thomas Schmid (Welt Online) zieht seinen Hut: „Das Münchner Gericht hat der Versuchung widerstanden, Uli Hoeneß seine Verdienste gutzuschreiben. Es hat ihn aber auch nicht – was mancherorts auf freudige Zustimmung gestoßen wäre – seiner Prominenz wegen bluten lassen. Es wurde kein Exempel statuiert, sondern zügig ein Urteil gefällt. Wäre der Angeklagte mit einer Bewährungsstrafe davongekommen, hätte das den alten Volksverdacht genährt, dass man die Kleinen henkt und die Großen laufen lässt.“

Mit diesem hastigen Verfahren macht sich das Gericht angreifbar

Klaus Köster (Stuttgarter Nachrichten) hingegen ist unzufrieden: „Mit diesem hastigen Verfahren macht sich das Gericht angreifbar, und so kann es durchaus sein, dass der Bundesgerichtshof es wieder kippt. Somit bleibt Hoeneß bis auf weiteres ein freier Mann und darf als unschuldig gelten. Der Preis dafür ist, dass die Ungewissheit für ihn noch monatelang anhalten wird.“

Michael Eber-Blank (Wirtschaftswoche) wundert sich über das Strafmaß: „Das Landgericht hat die Selbstanzeige von Ulrich Hoeneß für unwirksam erklärt und ihn zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die muss er auch zwingend antreten. Dem Grunde nach überrascht die Entscheidung nicht, aber die Höhe schon: sie ist erstaunlich niedrig. Das Landgericht muss – in Anbetracht der doch erheblichen Höhe der hinterzogenen Steuern – die gescheiterte Selbstanzeige als erheblich strafmildernd berücksichtigt haben.“

Steuerhinterzieher verhalten sich genauso asozial wie andere Kriminelle auch

Christian Rickens (Spiegel Online) spricht zum Volk: „Gesellschaftlich zeigt das Urteil, wie sich unser Blick auf Steuerhinterziehung geändert hat: Noch vor zehn Jahren war das Schwarzgeldkonto in der Schweiz ein Kavaliersdelikt, das in einschlägigen Villenvororten häufig sogar als legitime Notwehr gegen den nimmersatten Staat gesehen wurde. Entdeckungsrisiko? Gering. Schuldbewusstsein der Täter? Null. Das heutige Urteil macht deutlich: Steuerhinterzieher verhalten sich genauso asozial wie andere Kriminelle auch. Wie normale Kriminelle müssen sie mit Verfolgung, Entdeckung und im Extremfall eben Gefängnis rechnen – ohne Elite-Bonus.“

Helmut Schümann (Tagesspiegel) beruhigt die Fans des FC Bayern München: „In dieser Saison wird der FC Bayern Deutscher Meister. Das ist so sicher, wie die Steuerhinterziehung seines Noch-Präsidenten. Er wird wohl auch den DFB-Pokal gewinnen. Und möglicherweise auch die Champions League. Damit wäre das zweite Triple hintereinander perfekt. Was fast schon ein Treppenwitz wäre, weil der Klub seine erfolgreichste Phase aller Zeiten erlebt in dem Moment, in der sein Macher seine schwärzesten Momente durchleidet. Sportlich also dürfte die Verurteilung keine Konsequenzen haben.“

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Kommentare

5 Kommentare zu “Der tiefe Fall des Uli Hoeneß”

  1. woki
    Freitag, 14. März 2014 um 11:01

    Hallo,
    ein gewisser Bonus ist m.E. doch zu erkennen.

    Beispiel:
    Frankfurt – Dieses Urteil könnte Uli Hoeneß nervös machen..
    am 12. Dezember 2013
    Swetlana Maslowskaya (32), Playmate des Jahres 2002 und jahrelange Geliebte des Frankfurter Bierkönigs Bruno H. Schubert († 90), muss hinter Gitter.

    Wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 775 000 Euro brummte ihr das Landgericht
    2 Jahre und 6 Monate Haft auf.

    Das sind nur 3 Monate weniger als der Staatsanwalt gefordert hatte.
    Bierkönig Schubert hatte seine schöne Geliebte verwöhnt – ihr u. a. Häuser, Autos, Bares und Geschenke für rund 2,5 Mio Euro vermacht.
    Zum Strafmaß (bis 10 Jahre) bemerkte der Richter, dass es im „unteren Bereich“ liege.
    Swetlana, die 9 Monate U-Haft abgesessen hat, wird wohl noch ein Jahr einsitzen. „Es tut mir aufrichtig leid“, sagte sie unter Tränen. „Ich werde sicher keine Geschenke mehr annehmen.“

    Da liegen in Sache U.H. „nur“ ca. 28.000.000.00 € dazwischen.
    Da sind 3 1/2 J. doch ein Bonus-Geschenk
    oder ;
    Oder ist das als Krankheit anerkannt:
    -zocken an der Börse – ?

    na dann,
    GlückAuf

  2. #Link11: Mit Anstand | Fokus Fussball
    Freitag, 14. März 2014 um 14:57

    […] wurde Ulrich H. (Präsident eines Rekordmeisters) gestern verurteilt, Reaktionen hat der Indirekte Freistoß gesammelt. Heute trat U. Hoeneß dann von seinen Ämtern beim FC Bayern zurück (fcb.de). […]

  3. HansKle
    Dienstag, 18. März 2014 um 22:18

    Bis auf K.Köster,(SN), sind es genau die richtigen Kommentare, die zumindest die sachlichen Sportinteressierten auch erwartet haben. Wenn man der Hauptperson, die in den letzten Monaten sogar die internationale Sportwelt polarisierte, bei seinen Auftritten in sein Gesicht schaut,ist der stets sinusartige Verlauf seiner Gedanken und Gefühle klar zu erkennen….

    Ob er bei seinem entscheidenden Gang in den Gerichtssaal, wo unzählige Kameras die entsprechenden Bilder in die weite Welt verstreuten, unbedingt schmunzeld Bonbons lutschen musste, wird wohl nur sein Geheimnis bleiben.
    Die seinen treuen und immer an ihn bis zuletzt glaubenden Mitgliedern versprochene Abstimmung hätte er doch in seinem neuen vorübergehenden „Zuhause“ per „Sonderantrag“ durchführen lassen
    können, statt alles einfach hinzuwerfen!

    Übrigens schließe ich mich dem Inhalt der Meinung von O.Fritsch,(Zeit Online), an, doch mit dem Unterschied, dass nach der geschätzten anstehenden Finanzamtforderungen von ca. 40 Millionen € sein privates Konto das nicht mehr ganz schafft und er demnach zum „Pumpen“ antreten könnte…..

    Bekanntlich haben die Modalitäten bei dem „Adidas“- Einsstieg dem Münchener Vorzeigeclub einen geldwerten Nachteil beschert, der bisher noch keine wesentliche Rolle spielte. Diese Firma ist damals bekanntlich bevorteilt wurden, nachdem die beiden Verhandlungspartner vorher auf privater Basis einen interessanten Finanzaustausch hinbekommen haben sollen…..

  4. van Kuchen
    Montag, 31. März 2014 um 22:46

    Ich finde, der größte Skandal ist doch, daß mit den erhobenen Steuergeldern nicht die Interessen der Bevölkerung, sondern der Lobbies und damit der Industrie bedient werden.

    Da wird allerdings gar nicht drauf hingewiesen.
    Nur, daß das jetzt gerecht sei, wenn der Hoeneß bestraft würde.

    Also, immer brav steuern zahlen!
    Für Bayer, Monsanto, Daimler und co.

    ach, und: Adidas

  5. van Kuchen
    Montag, 19. Mai 2014 um 12:39

    es heißt ja, tue gutes und rede darüber.
    Ob es womöglich bei Herrn Hoeneß beim Reden geblieben ist?

    Man darf ja im Grunde nicht darüber reden, doch ich tue es jetzt ganz bewußt mal:
    Immerhin ist er hauptverantwortlicher der Bayern-“Stragie“ immer dem direkten Konkurrenten (HSV, Bremen, Gladbach, Stuttgart, Dortmund, Schalke) gezielt die besten/wichtigsten Spieler wegzukaufen, nicht, um Bayern zu stärken, sondern vor allem, die anderen zu schwächen. Was ja im Grunde bedeutet, etwas, das gut funktioniert, zu zerstören.
    Ich bin mir sicher, daß das jeder andere „Verein“, der ja in Wirklichkeit kein Verein (mehr) ist, sondern ein Finanzunternehmen, auch machen würde, wenn er finanziell dazu in der Lage wäre. Zuminesdt in unserem aktuellen System.
    Da würde ich den Hebel ansetzen.
    Und, es wird Zeit, die Dinge offen zu benennen.

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