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WM 2014

WM 2014 – Warum nicht Belgien?

Kai Butterweck | Mittwoch, 11. Juni 2014 Kommentare deaktiviert für WM 2014 – Warum nicht Belgien?

Nach einer jahrzehntelangen Durststrecke könnte die belgische Nationalmannschaft endlich wieder eine tragende Rolle bei einem WM-Turnier spielen. Außerdem: Die Suche nach neuen Tipp-Gebern, Der Frust über tonnenweise Plexiglas und sorgenvolle Blicke in die Zukunft

Kurz vor dem Turnierbeginn beschäftigt sich die Presse mit möglichen Geheimfavoriten. Wiebke Porombka (Zeit Online) bringt die Belgier ins Spiel: „Seit 1980 haben sie es auf jämmerliche zwei EM-Vorrundenteilnahmen gebracht, die WM-Bilanz ist unwesentlich besser. Das WM-Breitwand-Drama-2014 aber könnte so aussehen: die Geprügelten werden zu den großen Helden. Altes Strickmuster, funktioniert immer, und immer muss man weinen am Ende, wenn endlich alles gut ist. Natürlich hätte diese Story keine wahnsinnig überraschende Pointe: Schließlich können die „Roten Teufel“ nicht nur mit der halben Premier League aufwarten, das Raunen um Belgien als Geheimtipp hat mittlerweile auch in etwa das Dezibelniveau eines Presslufthammers erreicht.“

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Alle Positionen sind mehrfach hochklassig besetzt

Auch die Spiegel-Online-Redaktion hält große Stücke auf das Team von Trainer Marc Wilmots: „Jung, hochtalentiert und bereits erfahren auf höchstem Niveau – auf diese Formel lässt sich das Profil der belgischen Nationalspieler bringen. Mit den Verteidigern Daniel Van Buyten (Bayern München) und Sebastian Pocognoli (Hannover 96, auf Abruf) sowie Mittelfeldspieler Kevin De Bruyne stehen drei Bundesliga-Profis im Kader von Trainer Marc Wilmots. Alle Positionen sind mehrfach hochklassig besetzt mitunter von potenziellen Weltstars. Vom „Geheimfavorit Belgien“ war bisher meist die Rede, doch wirklich geheim ist die Klasse des Teams nicht mehr.“

Christian Eichler (FAS) hat andere Kandidaten auf dem Zettel: „Sehr viel spricht für Brasilien, viel für Spanien, manches für Argentinien, wenig für Italien – und irgendwo dazwischen: Deutschland. Löw besitzt einige der elf Trümpfe, von denen man bei einer WM mindestens eine Handvoll braucht. Welcher wird stechen? Sicher ist das nur bei jenem zwölften Trumpf, den man gegen all die Unwägbarkeiten einer WM, gegen Wetterkapriolen, Stress, Verletzungen, Pfiffe, Pfostentreffer braucht – den aber nur einer hat, und noch weiß keiner, wer. Kein Team seit 1930 wurde ohne diesen Trumpf Weltmeister. Ohne das Glück. Das wird auch 2014 so sein.“

Sven Flohr (Welt Online) hält die deutsche Flagge hoch: „Seit einem Jahr ist die Mannschaft unbesiegt, sie hat elf Spiele in Serie nicht mehr verloren. Der Kader ist definitiv der stärkste seit über 20 Jahren. Das Angebot gerade an herausragenden Offensivspielern ist überragend. Daran ändert auch der Ausfall von Marco Reus nichts. Zudem ist die Auslosung gut, vor dem Viertelfinale wartet keine Titel sammelnde Fußballnation.“

Gute Alternative

Thomas Winkler (taz) richtet seine Blicke gen Campo Bahia und freut sich dabei über Reus-Ersatz Shkodran Mustafi: „Ob Mustafi in Brasilien zum Einsatz kommt, ist mehr als fraglich. Sollten sich aber die wohl für die Innenverteidigung gesetzten Per Mertesacker und Mats Hummels auch noch verletzen, könnte Löw den 22-Jährigen recht bedenkenlos einwechseln. Denn die große Unbekannte hat zwar noch keine Minute in der Bundesliga gespielt, konnte aber schon reichlich internationale Erfahrung sammeln.“

Zwei Panda-Babys sollen Paul ersetzen

Der Oktopus Paul war vor vier Jahren weltweit einer der bekanntesten Stars der Weltmeisterschaft in Südafrika. Nun sucht die Welt einen neuen tierischen Fußball-Tipper. Ralf Isermann (FR) sucht mit: „Überall werden während der WM in Brasilien Tiere tippen. Nun vermeldete Xinhua, Nachrichtenagentur des nicht teilnehmenden China, dass zwei Panda-Babys die WM-Spiele vorhersagen sollen. Schon zu Pauls Zeiten gaben sich die Chinesen den Tipps des Kraken hin – und nicht nur den Tipps. Infolge des Rummels um den Oktopus berichteten chinesische Medien 2010 von einem Boom von Tintenfisch-Bestellungen in Restaurants.“

In Österreich trauert man dem Flair des alten Maracanã-Stadions hinterher. Christian Hackl (standard.at) hat beim Anblick der komplett renovierten Fußball-Schüssel fast schon Tränen in den Augen: „Der ehemalige Tempel ist gewöhnlich geworden. Es hat läppische 400 Millionen Euro gekostet, die Hütte zu verkleinern. Sie fasst nun 75.000 Zuschauer, einst waren es bis zu 200.000. Das neue Maracanã ist in stinknormale Sektoren aufgeteilt (Nord, Süd, West, Ost), es hat funktionierende Toiletten, die Tribünensitze sind aus Kunststoff und total langweilig durchnummeriert. Manche Sesel sind gelb, andere blau, ganz andere weiß. Ein System der Farbzuordnung ist nicht erkennbar.“

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“Wir haben die Party bezahlt, jetzt wollen wir sie auch genießen“

Derweil freut man sich in der Schweiz über die positiven Eindrücke des Abgesandten Tobias Käufer (NZZ): „Täglich werden sie mehr, die Flaggen und Fähnchen, die auf den Balkonen, an den Autos und über den Straßenkreuzungen hängen. Sogar gehäkelte Baummäntel gibt es am Strand von Botafogo zu sehen. Waren also alle Proteste und Demonstrationen nur Einbildung, eine Übertreibung der Medien? Oder wie kommt es, dass die Stimmung kippt. Ein Nachbar hat es mir mit einfachen Worten erklärt: “Wir haben die Party bezahlt, jetzt wollen wir sie auch genießen.”

Im Ruch schräger Geschäfte

Während in Brasilien bereits kräftig gefeiert wird, verschränkt man im Wüstenstaat Katar frustriert die Arme. Die Korruptionsvorwürfe rund um die WM-Vergabe wiegen fast täglich schwerer. Thomas Kistner (SZ) schlägt die Hände vors Gesicht: „Es ist müßig, angesichts der Geschäftsumtriebe Katars rund um die Bewerbung noch ernsthaft zu erörtern, ob diese WM-Vergabe 2022 sauber war. Zumal die bisher veröffentlichten Papiere gewisse Personen ja noch gar nicht erfassen, die für Katar stimmten und die auch ohne dieses Votum im Ruch schräger Geschäfte stehen.“

Hat sich Katar die WM 2022 gekauft? Wird sie neu vergeben? Tim Röhn (Welt Online) beantwortet wichtige Fragen: „Zuletzt wurde behauptet, der Fifa drohe im Fall einer Neuvergabe die Pleite. Katar würde den Verband auf Schadenersatzklage in Milliardenhöhe verklagen, und vor einem staatlichen Gericht sei die Beweislage vermutlich zu dünn. So weit wird es aller Voraussicht nach nicht kommen, denn Katars Erfolgschancen bei einer Zivilklage vor einem Schweizer Gericht lägen nahe null. Katar bliebe in der Hoffnung, die WM doch zu behalten, nur der Gang zum Internationalen Sportgerichtshof Cas.“

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Für den Fifa-Präsidenten Sepp Blatter wird die Luft nicht erst seit den Katar-Enthüllungen immer dünner. Michael Ashelm (FAZ) zeigt mit dem Finger auf den Thronhalter: „Alle seine Strategien sind nur auf ihn selbst gerichtet. Auch der Reformprozess bei der Fifa, so richtig und gut der Weg ist und so anerkennenswert die neue Governance-Struktur erscheinen mag – all das soll Blatter eigentlich nur helfen, seine Macht abzusichern. Für einen milliardenschweren Fußballkonzern, der mit einem höchst begehrten Produkt handelt, seine Perspektiven seriös abwägen müsste und eine soziale Verantwortung hat, ist dieser Egotrip ein gefährliches Spiel.“

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