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WM 2014

WM 2014 – Deutscher Doppel-Einzug

Kai Butterweck | Freitag, 27. Juni 2014 Kommentare deaktiviert für WM 2014 – Deutscher Doppel-Einzug

Nach dem unspektakulären Erfolg gegen die USA zieht die deutsche Nationalmannschaft als Gruppenerster ins Achtelfinale ein. Auf der Verliererseite herrscht jedoch keineswegs Tristesse; denn auch die Mannen von US-Coach Jürgen Klinsmann lösen ihr Ticket für die K.o.-Runde. Außerdem: Kommentatoren mit Leib und Seele und gefährliche Spaziergänge

Deutschland steht nach dem Sieg gegen die USA im WM-Achtelfinale. Klaus Hoeltzenbein (SZ) dankt Thomas Müller: „Die deutsche Elf hat es vor allem vor der Pause versäumt, mit Tempowechseln die Amerikaner zu irritieren, da hat sich purer Ballbesitz ohne Zielstrebigkeit zum Selbstzweck reduziert. Und je länger dieser Abtastfußball mit reduzierter Ambition voranschreitet, kommt halt der andere Film, jener von Gijón 1982, immer stärker in die Kopfkinos des Publikums. Bis zur 55. Minute, bis zu dem Augenblick, in dem Thomas Müller dem Spuk ein Ende bereitete. Ein Schuss wie ein Strich, als ginge im Kino plötzlich das Licht an.“

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Der Mann beherrscht einfach alle Sportarten

Paul Hofmann (Zeit Online) freut sich vor allem für den in die Kritik geratenen Kapitän: „Philipp Lahm war wieder besser als die Mittelfeldlahm-Skeptiker behaupten werden. In der Nachspielzeit revanchierte sich der Kapitän mit einer weltmeisterlichen Grätsche für die vorrundlichen Ballverluste. Nach einem schnellen Angriff der USA kam der Ball über Jones zum freistehenden Bedoya, der probehalber mal abzog. Manuel Neuer lag bereits am Boden, als Lahm rückenschwimmend rettete und die Beckerfaust zeigte. Der Mann beherrscht einfach alle Sportarten.“

Neben Thomas Müller und Philipp Lahm gehörte auch Bastian Schweinsteiger zu den Aktivposten im deutschen Team. Jan Christian Müller (FR) blickt gespannt in die Zukunft: „Sami Khedira wird das mit feinen Antennen registriert haben. Traditionell spielt in der Nationalmannschaft auch die Hausmacht eine Rolle. Und die liegt mit derzeit sechs Spielern der ersten Elf unweigerlich bei den Bayern. Khedira klang hinterher aber nicht so, als gehe er davon aus, dass ein Bankplatz für ihn nun zur Regel wird. Löw braucht eine Menge Einfühlungsvermögen und entweder Schweinsteiger oder Khedira ein hohes Maß an Frustrationstoleranz, damit diese sensible Angelegenheit möglichst geräuschlos geklärt werden kann.“

Abzüge in der B-Note

Tobias Escher (Welt Online) jongliert mit Punktetafeln: „Das deutsche Team hat mit der dominanten Vorstellung gezeigt, dass ein gutes Ballbesitzspiel ein wichtiges Mittel bleibt, um ein Spiel zu dominieren. 63 Prozent Ballbesitz und kein einziger Schuss aufs deutsche Tor sprechen für das deutsche Team. Gerade Schweinsteigers Präsenz half dem deutschen Ballbesitzspiel. Abzüge gibt es in der B-Note für das schlechte Ausspielen der Dominanz vor dem gegnerischen Tor. Wenn Löw dieses Manko ausbessert – möglichst schon im Achtelfinalspiel kommenden Montag gegen Algerien – könnte die deutsche Mannschaft der lebende Beweis bei dieser WM werden, dass der Ballbesitzfußball noch nicht tot ist.“

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Christian Kamp (FAZ) hingegen fordert mehr: „Im Augenblick macht es den Eindruck, dass sich die Mannschaft auch nach fast drei Wochen in Brasilien noch auf ungewissem Terrain befindet – zumindest, was das ganz große Ziel betrifft. Es hat einiges besser funktioniert, als man das erwarten konnte nach der von Verletzungen beschwerten Vorbereitung. Es stehen aber nach wie vor große Fragezeichen, wie das spielverliebte deutsche Team gegen Spielverderber von höherem Kaliber abschneidet. Auch gegen die Amerikaner spürte man in den besseren Momenten, dass die Mannschaft eine der großen Attraktionen dieser WM werden kann. Um dafür einen Preis mit nach Hause nehmen zu dürfen, muss allerdings noch deutlich mehr kommen.“

Auch Andreas Sten-Ziemons (dw.de) findet Haare in der Suppe: „Zugegeben, die deutsche Mannschaft war von der ersten bis zur letzten Spielminute dominant und der Ball lief problemlos durch die eigenen Reihen, doch erneut war die Defensive nicht immer auf der Höhe, wenn es beim Gegner schnell ging. Und während das Spiel gegen die Ghanaer zwar schlecht, aber wenigstens noch spannend war, war die Partie gegen die USA zwar keine zweite Schande von Gijon, aber auch ein langweiliges Fußballspiel.“

Dieser Enthusiasmus ist ansteckend

Michele Coviello (NZZ Online)wechselt während der TV-Übertragungen immer mal wieder gerne zu den brasilianischen Kollegen: „Mit dem Aufkommen der bewegten Bilder haben die Reporter in vielen Kulturen ihre Dienstleistung reduziert. Sie sagen uns immer weniger, obwohl immer mehr im Fußball geschieht. Wieso alles beschreiben, wenn es der Zuschauer selber sieht? Die brasilianischen Fernsehkommentatoren denken nicht so. Den Radio-Stil, den ziehen sie auch am TV-Schirm durch. Ihr Temperament oszilliert dabei zwischen aufgeregt und überdreht. Es ist, als würden sie eine Grundhaltung transportieren: Im Fußball geschieht immer etwas Wichtiges. Dieser Enthusiasmus ist ansteckend.“

Christian Spiller (Zeit Online) wagt einen Spaziergang durch die Favela Mangueira: „Buraco Quente, heißes Loch, heißt der Eingang zur Favela immer noch. Es riecht nach Gras, Funk dröhnt aus den Boxen. Es gibt ein paar Restaurants und Kioske. Überall stehen Grüppchen zusammen, die jeden, der vorbeigeht, mit verschränktem Armen mustern. Vor allem die, die hier nicht hingehören. Ein Hund durchwühlt Mülltüten, Kinder schieben sich in Einkaufswagen die Straße hinauf. Wer genau hinschaut, erkennt die Einschusslöcher in den Häusern. Wenigstens die Waffen sind verschwunden, zumindest sind sie nicht sichtbar.“

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