Bundesliga
Hertha BSC – Arbeiten bis zum Tode
Kommentare deaktiviert für Hertha BSC – Arbeiten bis zum Tode
| Freitag, 6. Februar 2015Hertha BSC trennt sich von Trainer Jos Luhukay. Der neue Mann an der Seitenlinie heißt nun Pal Dardai. Wird jetzt alles wieder gut in Berlin? Die Presse ist sich unsicher
Herthas neuer Cheftrainer heißt Pal Dardai. Stefan Hermanns, Michael Rosentritt und Christoph Dach (Tagesspiegel) sitzen bei der Vorstellung des Berliner Rekordspielers in der ersten Reihe: „Pal Dardai kommt aus Ungarn, er lebt jetzt seit beinahe zwanzig Jahren in Berlin, doch seine deutsche Formulierungskunst erinnert noch immer stark an Pep Guardiola. Ungestüm und in wilder Anordnung sprudeln die Worte aus seinem Mund, dazu lacht er breit mit seinem Kindergesicht und freut sich, wenn die anderen mitlachen. Dabei hat er sehr wohl verinnerlicht, worauf es ankommt an seinem ersten Tag als neuer, starker Mann bei Hertha BSC. Martialisch muss er wirken, kämpferisch und überzeugend. Den markantesten Satz spricht er kurz vor dem ersten Training mit seiner neuen Mannschaft. Pal Dardai sagt: „Ich werde bis zum Tode arbeiten.“ Na, das ist doch mal eine Ansage, sie steht für den unbedingten Willen, die Chance zu nutzen, die ihm sein Verein da eher widerwillig gegeben hat.“
Bleiernde Müdigkeit
Jörn Meyn (morgenpost.de) zeigt mit dem Finger auf die Herren Preetz und Gegenbauer: „Dank des Einstiegs des Finanzinvestors KKR steht Hertha wirtschaftlich so gut da wie Jahrzehnte nicht. Doch im Kerngeschäft Profifußball ist Solidität auch im sechsten Jahr nicht in Sicht. Mit Luhukay glaubte man sich auf einem guten Weg. Doch obwohl ihm die Vorbereitung auf die Rückrunde gewährt wurde, entzog die Geschäftsführung dem Trainer schon zwei Partien später das Vertrauen. Während im Rest des Landes der Profifußball boomt, hängt über Hertha nun seit Jahren eine bleierne Müdigkeit. Die Berliner haben nun 15 Endspiele um den Klassenerhalt. Doch es sind auch 15 Endspiele für Preetz und Gegenbauer.“
Fritz Zimmermann (Spiegel Online) bringt Fakten auf den Tisch: „In den vergangen fünfeinhalb Jahren hat Preetz als Verantwortlicher für den sportlichen Bereich den Europapokalteilnehmer zu einer Fahrstuhlmannschaft verformt. Als er im Sommer 2009 bei der Hertha antrat, hatte die Mannschaft unter Trainer Lucien Favre die Saison gerade auf dem vierten Platz beendet. Nach einem schwachen Saisonstart feuerte Neu-Manager Preetz den Trainer noch im Herbst. Doch während Favre inzwischen erfolgreich bei Mönchengladbach arbeitet, war die Entlassung für Hertha der Beginn eines atemberaubenden Niedergangs.“
Hyperventilierende Hauptstadt-Medien
Martin Volkmar (sport1.de) nimmt sich das Berliner Umfeld zur Brust: „Man wird den Eindruck nicht los, dass sich die Hertha-Führung zum wiederholten Mal von außen zu einer schnellen Entscheidung drängen ließ: Vom in Berlin sehr schnell erregten Fanvolk, den oft hyperventilierenden Hauptstadt-Medien und dem ungeduldigen Geldgeber, der umstrittenen Investmentfirma KKR.“
Dirk Wallsdorff (rbb-online.de) spricht Tacheles: „Wenn Dardai Erfolg hat, bleibt Hertha in der Liga und Dardais Kumpel Michael Preetz behält noch einmal seinen Job. Wenn Dardai scheitert, muss auch Preetz gehen. Denn nicht nur Trainer, sondern auch Manager werden am Erfolg gemessen. Preetz‘ größter Erfolg als Manager ist bisher, dass er selbst immer noch im Amt ist.“
Hertha hat den richtigen Zeitpunkt zum Gegensteuern verpasst
Sven Goldmann (Tagesspiegel) winkt frustriert ab: „Wer nach dem 17. Spieltag von seinem Trainer überzeugt ist, der kann und darf zwei Spiele später nicht diametral entgegengesetzter Meinung sein. Hertha hat den richtigen Zeitpunkt zum Gegensteuern verpasst. Zurück bleibt ein Verein, der sich komplett ausgeliefert hat. Jos Luhukay bestückte die Mannschaft mit Spielern, die ihm persönlich zur Loyalität verpflichtet waren. Dazu legte er großen Wert darauf, auch um die Mannschaft herum alle Positionen mit Vertrauensleuten zu besetzen. Nach seinem Abschied steht Hertha BSC vor der anspruchsvollen Aufgabe eines kompletten Neuanfangs. Dieses Projekt wird nicht eben einfacher dadurch, dass es vom vorletzten Tabellenplatz aus gestartet wird.“
Alfons Batke (noz.de) verabschiedet Jos Luhukay: „Seine Verdienste um die Hertha sind unbestritten; Luhukay hat die Mannschaft in die Bundesliga zurückgeführt und schien sie konsolidieren zu können. Doch trotz verbesserter finanzieller Rahmenbedingungen wurde der Trend nicht zum Freund – die alte Dame Hertha zeigte sich wieder als launische Diva. Luhukay, in der Branche ein absolut anerkannter Mann, hat keinen Umkehrschub bewirken können. Geduld zählt nicht in der Medienstadt Berlin. Diejenigen, die ihm einst Kränze geflochten haben, sägten ihn jetzt ab. So ist sie, die Bundesliga – ein zynisches Geschäft.“
Steffen Rohr (kicker.de) ist gespannt: „Eine eher brave Mannschaft mit einer Vakanz im Kreativbereich und größten Nöten, das Spiel selbst zu gestalten; ein Kader, der nicht gänzlich ausbalanciert wirkt; ein Manager, der noch nicht bewiesen hat, dass er diesen Klub zu einer Fixgröße in der Bundesliga machen kann und der Luhukay zu lange an der langen Leine ließ; Gremien, die eher zu wenig als zu viel Fußballkompetenz besitzen – der Klub hat am Donnerstag Handlungsfähigkeit bewiesen, aber der elementarere Nachweis steht noch aus: der, ob Hertha BSC bundesligatauglich ist – auf dem Platz und in der Führungsetage.“